Primärversorgung: PHC = Hausarzt

10.06.2016 | Politik

95 Prozent der Menschen wollen den Hausarzt. Ein Wunsch, der den Forderungen der Ärztekammer entspricht. Primärversorgung – auf Neudeutsch primary health care oder PHC – kann demnach nur mit den Hausärzten umgesetzt werden: in Einzel- oder Gruppenpraxen oder „im Team um den Hausarzt“ – und jedenfalls im Rahmen des Gesamtvertrages. Von Marion Huber

PHC ist nichts anderes als Primärversorgung und in Österreich ist das nichts anderes als der Hausarzt – für Johannes Steinhart, Vizepräsident und Kurienobmann Niedergelassene Ärzte der Österreichischen und Wiener Ärztekammer, ist die Rechnung einfach. Primärversorgung haben Allgemeinmediziner und Fachärzte in den letzten Jahrzehnten immer schon gemacht. Und das Konzept hat sich bewährt: „Der Hausarzt ist eine Institution. Die Patienten wollen den Hausarzt.“ Eine aktuelle Befragung, die die Ärztekammer Wien unter der Wiener Bevölkerung beauftragt hat (siehe Kasten), beweist es erneut: 95 Prozent der Befragten wollen, dass der klassische Hausarzt „unbedingt“ erhalten bleibt.

Umsetzung so wie vereinbart

Von einem – von der Politik so sehr propagierten – Erstversorgungszentrum dagegen haben 64 Prozent der Befragten noch nicht einmal etwas gehört; geschweige denn können sie sich darunter etwas vorstellen. Der Obmann der niedergelassenen Ärzte besteht einmal mehr darauf, dass PHC nur so umgesetzt wird, wie es im zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung erstellten Konzept „Das Team um den Hausarzt“ im Juni 2013 ausverhandelt wurde: jedenfalls Ärztegeführt und im Rahmen des Gesamtvertrages. An Modellen wie dem Pilotprojekt PHC Medizin Mariahilf auf Basis des Gruppenpraxenvertrags sieht man, dass und wie es geht. Und dahinter steht auch die Ärztekammer. Was aber gar nicht geht: dass der Gesamtvertrag ausgehebelt wird und Einzelverträge direkt mit den Ärzten abgeschlossen werden. Dagegen wird die Ärztekammer weiter vehement vorgehen: „Man kann die Ärzte nicht der Willkür und Übermacht der Sozialversicherung aussetzen.“

Die Zukunft des Gesundheitswesens macht offenbar auch vielen Patienten Sorgen: ganze 40 Prozent der Befragten glauben, dass die Entwicklung in eine falsche Richtung läuft. Für den Meinungsforscher Peter Hajek ein „überraschendes Ergebnis“; „erschreckend“ für Steinhart. Die Verantwortung dafür sehen die Befragten vor allem bei den politischen Akteuren und hier in erster Linie bei der Bundesregierung (72 Prozent). Der Handlungsauftrag an die Politik ist für Steinhart damit eindeutig: „Nicht nur Kaputtsparen, sondern Verantwortung für die Bevölkerung übernehmen.“ Dass dabei auch der Ärztekammer zu 45 Prozent eine kritische Rolle zukommt, begründet Steinhart mit dem schlechten Licht, das oft auf die Kammer geworfen wird: „Wenn wir Kritik einbringen, werden wir ja gleich richtig stigmatisiert.“ Die Ärzte selbst genießen aber hohes Ansehen: nur 18 Prozent der Befragten machen sie für den Negativtrend im Gesundheitssystem verantwortlich. „Einmal mehr ein deutliches Zeichen, wie sehr die Menschen den Ärzten vertrauen.“

Die Politik hat das Wissen der Ärzte aber stets von sich gewiesen. Dass „die Zahler bestimmen“ – wie es laut Steinhart gegenüber der Ärztekammer oft heißt –, kann für das Gesundheitssystem nicht gelten; hier spielen Inhalt und Know How die Hauptrolle. Und die Expertise liege hier eindeutig bei den Ärzten. Übrigens auch etwas, das sich die Befragten wünschen: neben mehr Budget für das Gesundheitssystem (46 Prozent) und mehr Ärzten (81 Prozent), soll die Meinung der Ärzte bei gesundheitspolitischen Entscheidungen endlich mehr berücksichtigt werden (60 Prozent). Für Hajek ein interessanter Aspekt: gerade jene, die finden, dass sich das System in eine falsche Richtung entwickelt, sind auch der Meinung, dass zu wenig auf die Ärzte gehört werde. Die Aussagen der Befragten zeichnen ein klares Bild; mit einer Schwankungsbreite von +/- rund drei Prozent sind diese Ergebnisse „absolut signifikant“.

Wie kritisch die Patienten die Entwicklungen im Gesundheitssystem beobachten, beweist auch die enorme Unterstützung der Aktion „Gesundheit ist mehr wert“ der Ärztekammer für Wien. Eindrucksvolle 75.390 Menschen sprechen sich hier für ihre Hausärzte aus. „Die Menschen wissen genau was sie wollen – und sie bestätigen die Forderungen der Ärztekammer“, betont Steinhart: „Es ist mir ein Rätsel, wie die Politik das ignorieren kann.“

Tipp: www.gesundheitistmehrwert.at

Gesundheitsbarometer 2016

Das „Gesundheitsbarometer“ wurde vom Institut Public Opinion Strategies von Peter Hajek im Auftrag der Ärztekammer Wien durchgeführt. 1.000 Österreicher ab 16 Jahren wurden dafür im März telefonisch befragt.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2016