Ärzte und Pharmaindustrie: Transparenz in der Kooperation

10.06.2016 | Politik

Bis Juli 2016 müssen Pharmaunternehmen auf ihren Websites erstmals geldwerte Leistungen an Angehörige und Institutionen der „Fachkreise“ offenlegen. Die finalen Arbeiten zur Umsetzung des Pharmig-Verhaltenscodex sind in vollem Gang. Von Marlene Weinzierl

Der mittlerweile 21 Seiten umfassende Verhaltenscodex (VHC) der Pharmig (Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs) regelt die Dokumentation und Offenlegung geldwerter Leistungen durch pharmazeutische Unternehmen an Ärztinnen und Ärzte, an andere Angehörige sowie an Institutionen der Fachkreise. Diese Art der freiwilligen Selbstregulierung soll ab Mitte 2016 für mehr Transparenz und Verständnis hinsichtlich der Zusammenarbeit sorgen und das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Gesundheitswesen stärken, erklärten jüngst Robin Rumler, und Jan Oliver Huber, Vizepräsident und Generalsekretär der pharmig.

Seit 1. Jänner 2015 sind Pharmaunternehmen dazu angehalten, den Verhaltenscodex umzusetzen, indem die Leistungen erfasst und Zustimmungserklärungen für die Offenlegung eingeholt werden. Die erstmalige Veröffentlichung erfolgt bis Ende Juni 2016 auf den Websites der pharmazeutischen Unternehmen und betrifft die gesammelten Daten für das Jahr 2015. Von der Offenlegungspflicht betroffen sind ausschließlich geldwerte Leistungen in Zusammenhang mit Forschung und Entwicklung, Spenden und Förderungen, Veranstaltungen sowie Dienst- und Beratungsdienstleistungen samt Auslagen. In Österreich spiele – so Rumler – vor allem die Zusammenarbeit zwischen der pharmazeutischen Industrie und den Ärzten in der klinischen Forschung eine wichtige Rolle und müsse transparent dargestellt werden. Im Jahr 2014 hat es 498 Studien mit insgesamt 6.099 Patienten gegeben.

Details sind folgendermaßen geregelt:

  • In Österreich gilt ein Betrag von 75 Euro (incl. MWSt.) pro Person und Mahlzeit und Trinkgeld als Obergrenze.
  • Werden Ärzte zu einem Kongress eingeladen, darf die pharmazeutische Industrie den Flug beziehungsweise die Reisekosten, Verpflegung, Übernachtung und die Registrierungsgebühr übernehmen. Wichtig sei allerdings die Angemessenheit der Kosten. Rumler dazu: „Kongress oder Tagung müssen an einem zentralen Ort stattfinden. Das bedeutet, ein österreichischer Kongress mit der Mehrzahl der Teilnehmer aus Österreich muss im Inland abgehalten werden.“ Ein zusätzliches Unterhaltungsprogramm dürfe nicht finanziert werden.

Bei einem Verstoß gegen den Verhaltenscodex gibt es Sanktionsmöglichkeiten; sie sind in der Verfahrensordnung geregelt. „Oberstes Ziel“ – so Huber – sei die individuelle Offenlegung, die nur mit Zustimmung des jeweiligen Arztes erfolgen kann. Falls jemand mit der individuellen Offenlegung nicht einverstanden ist, wird für den jeweiligen Bereich ein Gesamtbetrag erstellt. GlaxoSmithKline sei – so Huber – bislang das einzige Unternehmen, das erklärt hatte, nur Verträge mit Personen abzuschließen, die der individuellen Offenlegung zustimmten. Wie man die Zusammenarbeit in Zukunft gestalten möchte, sei allerdings „individuell und die Entscheidung jedes einzelnen Pharmaunternehmens“, betonte der Pharmig-Generalsekretär. Ärztinnen und Ärzte, die in einem öffentlichen Spital angestellt sind, gelten seit 2012 als Amtspersonen und benötigen die Zustimmung des Arbeitgebers. Ist eine Leistung als Angestellter des Krankenhauses erfolgt, so wird diese unter Angabe der Holding beziehungsweise des Krankenhauses veröffentlicht.

Tipp: Weitere Informationen zur Transparenz-Initiative sowie Antworten auf häufig gestellte Fragen gibt es unter www.transparenz-schafft-vertrauen.at

Pharmig-Verhaltenscodex

Der Pharmig-Verhaltenscodex (VHC) ist seit 1. Juli 2007 in Kraft; in der vorliegenden Form seit 1. Juli 2015. Die Offenlegungspflicht betrifft alle Informations-, Werbe- und Marketingaktivitäten für rezeptpflichtige Arzneimittel, die vom Pharmaunternehmen selbst oder in seinem Auftrag durchgeführt werden. Dazu gehören Werbung in Print- und elektronischen Medien, Aussendungen und Veranstaltungen. Der Verhaltenscodex befasst sich neben allgemeinen Verhaltensgrundsätzen mit

  • der Vermittlung von Informationen über Arzneimittel und Werbung für Arzneimittel;
  • Information und Werbung über das Internet;
  • Veranstaltungen für und der Zusammenarbeit mit Angehörigen der Fachkreise;
  • der Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen;
  • klinischen Prüfungen sowie
  • Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz.

Die Daten werden jährlich – spätestens sechs Monate nach dem Ende des Berichtszeitraums – veröffentlicht. Die Offenlegung erfolgt auf einer öffentlich zugänglichen Homepage in der Verantwortung des pharmazeutischen Unternehmens und ist für die Dauer von zumindest drei Jahren zugänglich zu machen.

Ärztlicher Verhaltenskodex

Regelungen, die die Verbindungen zwischen Pharmaindustrie und Ärzten transparent machen, gibt es schon seit langem auf beiden Seiten. Der Ärztliche Verhaltenskodex (Code of Conduct) ist als Verordnung der ÖÄK für Ärztinnen und Ärzte verbindlich. Er wurde schon 2005 erlassen und regelmäßig – zuletzt im Juni 2014 – novelliert. Im Mittelpunkt steht dabei die „Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit gegenüber der Pharma- und Medizinprodukte-Industrie“.

Der Ärztliche Verhaltenskodex regelt neben der unmittelbaren Anwendung von Medikamenten im Zuge der ärztlichen Behandlung, dem Verbot von Doping, dem Anbieten von gewerblichen Dienstleistungen und Produkten und der Weitergabe von Patientendaten auch die Zusammenarbeit von Ärzten mit der Pharmaindustrie sowie der Medizinprodukte-Industrie.

In Bezug auf diese Zusammenarbeit werden folgende Fälle spezifiziert (Auszug):

Teilnahme an medizinisch-wissenschaftlichen Veranstaltungen
So dürfen Ärzte demnach an von der Pharmaindustrie oder Medizinprodukte-Industrie organisierten oder finanzierten Veranstaltungen teilnehmen, wenn

  • sie wissenschaftlichen Zielen, Zwecken der Fortbildung oder der praxisbezogenen Anwendung ärztlichen Handelns oder Studienzwecken dienen und
  • der zeitliche Aufwand für die Vermittlung wissenschaftlicher/medizinscher Informationen im Vordergrund steht und
  • der Tagungsort und die überwiegende Veranstaltungszeit diesen Zielen entsprechen.

Für Veranstaltungen im Ausland gilt:
Einladungen dürfen nur angenommen werden, wenn

  • es sich um internationale medizinisch-wissenschaftliche Veranstaltungen oder die Besichtigung von wissenschaftlichen/produktionstechnischen Einrichtungen handelt oder
  • sie im Zusammenhang mit der Durchführung von medizinischen Studien stehen.

Annahme von Geschenken und anderen Vorteilen
Unangemessene Zuwendungen, Geschenke oder andere Vorteile dürfen nicht angenommen werden. Bürohilfsmittel dürfen nur in geringem Wert angenommen werden und wenn sie für die übliche Tätigkeit des Arztes zweckdienlich sind. Geschenke – auch in geringem Wert – dürfen nicht angenommen werden, wenn sie mit der Verschreibung eines Arzneimittels oder der Empfehlung eines Medizinproduktes zusammenhängen.

Annahme von Ärztemustern
Die Annahme von Ärztemustern ist nur im Rahmen des § 58 Arzneimittelgesetz (AMG) erlaubt.

Geregelt sind weiters die Teilnahme an klinischen Prüfungen und Forschung sowie die Verschreibung von Medikamenten und die Dokumentation im Rahmen von nicht-interventionellen Studien.

DFP-Fortbildung und Pharma-Industrie
Grundsätzlich ist bei DFP-Angeboten eine Kooperation von ärztlichen Fortbildungsanbietern mit Organisationen und Sponsoren, die einen Beitrag zur Entwicklung der medizinisch-wissenschaftlichen Fortbildung leisten, möglich. Wichtig dabei: Jedes Sponsoring muss transparent gemacht werden. So müssen die Inhalte laut der „ÖÄK-Verordnung über ärztliche Fortbildung“ unabhängig und frei von wirtschaftlichen Interessen sein; etwaige Interessenkonflikte der Vortragenden müssen von diesen offengelegt werden. Die Kooperation darf das Patientenwohl und die Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit nicht gefährden oder beeinflussen. Der Sponsor darf keinen Einfluss auf den Inhalt nehmen, darf den Vortragenden nicht auswählen und den Inhalt der Fortbildungsunterlagen nicht gestalten. Erlaubt ist dagegen Sponsorenwerbung durch das Auflegen von Werbematerial.

Tipp: Der Ärztliche Verhaltenscodex der ÖÄK steht unter www.aerztekammer.at/kundmachungen zum Download zur Verfügung.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2016