Medizin-Nobelpreis 2016: Japanischer Zellforscher ausgezeichnet

25.10.2016 | Politik

Seine Forschungen haben den Mechanismus der Autophagie in Zellen geklärt: Der japanische Zellforscher Yoshinori Ohsumi wird mit dem diesjährigen Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet.

Yoshinori Ohsumi benutzte die Bäckerhefe, um die Gene für die Autophagie zu identifizieren. Er ging dann weiter, indem er die der ‚Selbstverdauung‘ zugrunde liegenden Mechanismen in der Hefe aufklärte und zeigte, dass eine ähnliche Maschinerie dafür auch in unseren Zellen benutzt wird“, begründete das Karolinska-Institut die Zuerkennung des Medizin-Nobelpreises. Die Auszeichnung ist mit acht Millionen Schwedischen Kronen (rund 833.000 Euro) dotiert.

Erste Forschungen mit Hefezellen

Der heute 71-jährige Zellbiologe Ohsumi begann seine Forschungen Ende der 1980er Jahre. Damals war bekannt, dass die Zellen Lysosomen enthalten, die durch hydrolytische Enzyme Zellorganellen abbauen können. Die Bezeichnungen „Lysosomen“ und „Autophagie“ wurden von Christian de Duve geprägt, der 1967 die Glukagon-induzierte Autophagozytose in Lysosomen von Leberzellen der Ratte beschrieb; dafür erhielt er 1974 den Medizin-Nobelpreis. In den 1970er- und 1980er-Jahren entdeckten Aaron Ciechanover, Avram Heshko und Irwin Rose mit der Markierung von nicht mehr benötigten Eiweißen per Ubiquitin-Fähnchen und deren Beseitigung im Proteasom einen zweiten Selbst-Abbauprozess in Zellen. Sie erhielten 2004 den Nobelpreis für Chemie.

Zwar wusste man, dass Lysosome mithilfe von Enzymen Stoffe zerlegen können – die genauen Mechanismen waren jedoch völlig unbekannt. Aufklärung brachten erst die Experimente, die Ohsumi ab 1988 durchführte. Dafür benutzte er Hefezellen – Saccharomyces cerevisiae; sie besitzen eine Vakuole, die dem Lysosom der menschlichen Zelle entspricht. Um die Mechanismen zu entschlüsseln, untersuchte er Mutanten der Hefezellen. Weil es bei einigen zu Defekten der Autophagie kam, bewies Ohsumi einerseits, dass Hefezellen über den Mechanismus der Autophagie verfügen; andererseits hatte er einige Gene entdeckt, die für die Autophagie nötig sind, weil ihr Ausfall den Prozess störte. 1991 fanden er und sein Team den ersten Autophagie-defekten Mutanten (später ATG 1 genannt) in Hefe; 13 weitere folgten. Aus der Erforschung dieser Gene konnte die genaue Abfolge der Autophagie rekonstruiert werden.

„Autophagie ist an einer Vielzahl von physiologischen Prozessen beteiligt, zum Beispiel an der Zelldifferenzierung und Embryogenese, an Prozessen, welche den Abbau großer Bestandteile des Zellinneren notwendig machen. Das schnelle Herbeiführen der Autophagie stellt einen Schutzmechanismus für verschiedene Stressfaktoren dar und ist auch eine Abwehr bei einer Verletzung der Zelle oder von altersbedingten Krankheiten“, erklärte das Karolinska-Institut. Ohsumi und sein Team haben – ausgehend von Hefezellen – auch jene Gene identifiziert, die beim Menschen diese Prozesse steuern.

Defekte in den beteiligten Genen können zahlreiche Erkrankungen fördern und sind etwa mit Mamma- und Ovarialkarzinomen, immunologischen Erkrankungen wie Morbus Crohn oder neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Parkinson assoziiert. „Seit 27 Jahren arbeite ich an dem Thema, aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich das alles verstanden habe. Es gibt noch vieles zu entdecken, und ich möchte meine Forschung weitertreiben“, erklärte Yoshinori Ohsumi.

Der Nobelpreis für Medizin wird alljährlich am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel, verliehen. MH

Yoshinori Ohsumi wurde 1945 in Fukuoka (Japan) geboren. Ursprünglich hatte er mit einem Chemie-Studium begonnen, wechselte aber bald zur Molekularbiologie. Er ging an die Rockefeller University in New York und forschte danach an der University of Tokyo. 1996 wurde er Professor am National Institute for Basic Biology in Okazaki, 2004 Professor an der Graduate University for Advanced Studies in Hayama. 2009 emeritierte er und wurde Professor am Tokyo Institute of Technology. Ohsumi hat für seine Forschungen zahlreiche Auszeichnungen erhalten und kann eine große Anzahl an Citations in verschiedenen Journals nachweisen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 / 25.10.2016