Medikationsmanagement: Betreute Medikation – größerer Nutzen?

25.01.2016 | Politik

Was kann modernes Medikationsmanagement leisten? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, waren sich Experten bei einer Veranstaltung in Wien einig. Was sie sich davon aber jedenfalls erhoffen, ist unter anderem eine effektivere Arzneimitteltherapie und eine bessere Lebensqualität für Patienten. Elektronische Tools, die den Hausarzt bei der Medikation unterstützen können, sind eine mögliche Variante.Von Marion Huber

Wer Zahlen und Daten zum Potential von Medikationsmanagement sucht, kann auf Studien aus Österreich oder Deutschland nicht wirklich zählen – es gibt sie kaum. Der ökonomische Nutzen ist schwer zu bewerten. Nach Ansicht von Susanne Rabady, Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM), soll Medikationsmanagement in erster Linie eine bessere Lebensqualität für die Patienten bewirken und Arzneimittel-bedingte Krankenhauseinweisungen reduzieren.

Eine neue, wenn auch mit 9.000 Datensätzen eher kleine Studie (WestGem), die in Deutschland durchgeführt wurde, konnte aber positive Entwicklungen durch Medikationsmanagement nachweisen. Erste Auswertungen präsentierte die Projektkoordinatorin Isabel Waltering vom Institut für Pharmazeutische und Medizinische Chemie an der Wilhelms-Universität Münster bei einer Veranstaltung zum Thema „Was kann modernes Medikationsmanagement leisten?“ in Wien. Ergebnis: Die Qualität und Angemessenheit der Arzneimitteltherapie nehmen durch eine Betreuung im interprofessionellen Team deutlich zu.

Empfehlungen zur Medikation

Zum Ablauf: Mitarbeiter der Pflegeund Wohnberatung haben Medikationsdaten von multimorbiden Patienten erhoben und an einen Pharmazeuten weitergeleitet. Dieser hat Empfehlungen zur Pharmakotherapie für den Hausarzt erarbeitet, der anschließend entschieden hat, ob ein Medikament ausgetauscht, gestrichen oder eine Dosierung geändert werden soll. Interessant dabei: 40 Prozent der eingenommenen Medikamente waren dem Hausarzt nicht bekannt; auch Doppelmedikationen und Abweichungen von Dosierungen kamen häufig vor.

Primärer Zielparameter der Studie war der MAI-Score (Medication Appropriateness Index), der die Qualität und Angemessenheit der Arzneimitteltherapie bewertet. Dieser Score sank in der Studie signifikant – und zwar umso mehr, je länger die Patienten vom interprofessionellen Team betreut wurden. Auch Arzneimittelbezogene Probleme wie etwa Wechselwirkungen, unbehandelte Diagnosen und überflüssige Medikamente wurden über die Dauer der Betreuung weniger. Der Erfahrung von Waltering zufolge ermöglicht modernes Medikationsmanagement neben einer optimalen Nutzung von Kompetenzen und einer großen Zeitersparnis in Arztpraxen auch eine Reduktion der Kosten und eine Steigerung des Nutzens.

Besonders die Faktoren Nutzen und Folgekosten sind für Max Wellan, Präsident der Österreichischen Apothekerkammer, bei der Arzneimitteltherapie wesentlich. Daher sieht er vor allem in der Polypharmazie, bei Medikationsfehlern und praktischen Problemen Optimierungsbedarf. Josef Probst, Generaldirektor im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, nennt ein erklärtes Ziel des Handelns: „mehr Gesundheit für den Menschen“. Dies müsse sich in einer geringeren Anzahl an Medikamenten und Zwischenfällen bei den Patienten bemerkbar machen.

Davon, das Medikationsmanagement generell zu verkomplizieren, hält ÖGAMVizepräsidentin Rabady nichts: „Das ist der falsche Weg.“ Auch Reinhold Glehr, Vizepräsident der ÖGAM, zweifelt daran. „Nur vereinzelt braucht es vielleicht einen klinischen Pharmakologen, der über die Medikation schaut.“ Medikationsmanagement stehe am Ende eines gemeinsamen Prozesses zwischen Arzt und Patient und sei immer Teil des Gesamtkonzeptes inklusive Diagnostik, weiß Rabady. Besonders multimorbide Patienten könne man nicht stur nach Leitlinien behandeln. „Es ist ein Prozess des Abwägens, des Überlegens, der Kompromisse mit dem Patienten“, betonte sie. Adhärenz könne daher nur entstehen, wenn Arzt und Patient ein gemeinsames Ziel herstellen.

Rabady sprach sich aber klar für elektronische Tools aus, die den Hausarzt bei der Medikation unterstützen können. So gibt es Programme, die Patienten-bezogene Daten aus der Arztdatei mit Hintergrunddaten verknüpfen. Dabei werden etwa Indikationen, Kontraindikationen und Dosierung der Medikamente oder Arzneimittelinteraktionen und unerwünschte Wirkungen vom Tool geprüft. Weil eine Verknüpfung zu gespeicherten Messergebnissen wie Laborwerten besteht, gibt das Tool Reminder, wenn ein Messwert außerhalb der Zielbereichs ist und macht auf Verlangen auf zu erwartende Nebenwirkungen aufmerksam.

Solche „Decision Support Systeme“ erachtet Waltering als gute Hilfe; dennoch müsste im Anschluss abgeklärt und kontrolliert werden, ob der Patient die Medikamente einnimmt. „Das passende Tool dafür wäre ein Medikationsplan“, so Waltering. Der erste Schritt in der Zusammenarbeit zwischen Verordner und Vertreiber von Medikamenten müsse für den Apotheker aber darin liegen, mit dem Arzt zu besprechen, wie er sich die Kommunikation wünscht, so Waltering: „Das ist eine Frage der Kompetenzen.“

Insgesamt sieht Waltering einen positiven Trend in der Kommunikation und Kooperation: „Ich glaube, in Österreich läuft es sogar besser als in Deutschland.“ Dem stimmte Rabady zu: „Wir arbeiten auch jetzt schon zusammen, wir sind auf einem guten Weg.“ Worauf sie aber besteht: Die Zuordnung der Tätigkeiten müsse gemäß den Kompetenzen erfolgen. „Jeder macht das, wozu er ausgebildet ist, was seine Kernkompetenz ist und was er rechtlich darf“, stellte sie klar. Und weiter: „Da gibt es kein standespolitisches oder berufspolitisches Kriterium, sondern nur das Kriterium der Sinnhaftigkeit“, stellte Rabady klar.

Die Veranstaltung „Was kann modernes Medikationsmanagement leisten?“ war bereits die 14. Podiumsdiskussion, zu der die Karl Landsteiner Gesellschaft im Rahmen der Reihe „Zukunft Gesundheit“ Experten aus der Gesundheitspolitik eingeladen hat.

Zum Nachlesen: www.karl-landsteiner.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2016