Kommentar – Nestor Kapusta: Suizidprävention aus Innensicht

25.11.2016 | Politik

Mehr Sensibilisierung in der Krise!Von Nestor Kapusta*)

In Österreich kam es seit Mitte der 80er Jahre zu einem deutlichen Rückgang der Suizidrate pro 100.000 Personen. Mit Einsetzen der Wirtschaftskrise 2008 ist jedoch kein weiterer Rückgang der Suizidrate mehr beobachtbar, vielmehr hat sich hier ein Plateau eingestellt, mit einer bisher ungewissen Prognose. Während es in einigen anderen europäischen Ländern in der Wirtschaftskrise zu einem Anstieg der Suizidraten gekommen ist, bleibt die Entwicklung in Österreich abzuwarten. Dennoch stellen 1.251 Suizide im Jahr 2015 (Rate: 14,3 pro 100.000) eine für ein entwickeltes Land hohe Zahl dar. Sie rufen nach weiteren Präventionsmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Suizid präventionsprogrammes. Allein in Wien verstarben im Schnitt der letzten drei Jahre 230 Menschen pro Jahr durch Suizid. Das entspricht der Hälfte aller tödlichen Transportmittelunfälle bundesweit (im Schnitt 470 Menschen pro Jahr 2013 bis 2015).

Zu den wirksamsten Präventionsmaßnahmen zählt neben dem Ausbau der akuten psychosozialen Versorgung sowie der Sensibilisierung von Gatekeepern in der Erkennung und Behandlung von Suizidalität, auch die Einschränkung der Verfügbarkeit von letalen Suizidmitteln (Schusswaffen, Packungsgrößen bestimmter Medikamente, Sprungbarrieren bei Hotspots). Während es im Rahmen des verordneten budgetären Sparkurses zu einer Verknappung von Mitteln für psychische Gesundheit bei steigendem Bevölkerungswachstum kommt, ist gerade in Zeiten der Krise eine vermehrte Sensibilisierung für das Thema Suizid notwendig. Das Nationale Suizidpräventionsprogramm SUPRA ist beauftragt, hierzu Lösungen zu erarbeiten. Ein von der Ärztekammer Wien und dem Hauptverband initiiertes Schulungsangebot für Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner in psychiatrischen Basisfertigkeiten wird seit drei Semestern vorerst nur in Wien angeboten und von zahlreichen Kolleginnen und Kollegen angenommen. Es ist eine Frage der politischen Priorisierung, ob es zu einem weiteren nötigen Ausbau von Akutdiensten kommt. Schließlich haben Sensibilisierungsmaßnahmen nur dann Erfolg, wenn es auch die entsprechenden Kapazitäten im Akutbereich der Psychiatrie und Psychotherapie gibt.

*) Priv. Doz. Nestor Kapusta, Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie der Medizinischen Universität Wien

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2016