Kommentar – Lukas Stärker: Geplant: Mehr Staat – weniger Privat

10.11.2016 | Politik

Von Lukas Stärker*

Nach einem Vorspiel, bei dem attraktive Regelungen für Gruppenpraxen anno 2010 behindert wurden, und einem Geplänkel im letzten Sommer war es wieder so weit: Teile der Sozialversicherung wollten neuerlich einen Versuch starten, den Wahlarztkostenrückersatz abzuschaffen.

Nur, ist dies sowie die Forderung nach Einschränkung ärztlicher Nebentätigkeiten der einzige Beitrag der Sozialversicherung zur Attraktivierung des Kassensystems? Frei nach dem Motto: „Was nicht gefällt, wird staatlich verboten.“ Und warum muss die Politik „hupfen“, nur weil die Sozialversicherung so etwas will?

In diesem Zusammenhang wird augenscheinlich, dass Wahlfreiheit, Unternehmertum und Eigeninitiative immer weniger gefragt sind. Stattdessen regiert der Grundsatz „Mehr Staat – weniger Privat“. Dazu passt dann auch der Wunsch der Landespolitik, dass u.a. die Arbeitszeithöchstgrenzen doch wieder ausgedehnt werden sollen und die Position der Spitalsärztinnen und Spitalsärzte in diesem Bereich durch Wegfall des Erfordernisses einer Betriebsvereinbarung und Zustimmungspflicht der ärztlichen Arbeitszeitvertreter geschwächt werden soll.

Gleiches gilt für den Wunsch der Politik, dass ein Arzt, der seine GKK-Verträge kündigt, damit automatisch auch seine Verträge mit den kleinen Kassen los sein soll. Richtigerweise sind das doch zwei unterschiedliche Verträge mit unterschiedlichen Vertragspartnern – warum soll das Eine dann das Andere zur Folge haben? Ist das das Auftreten des Staates, das wir uns als freie Bürger vorstellen? Oder ist das schlicht und einfach staatlicher Druck? Wo ist die Kritik der Vertreter der kleinen Kassen? Oder wird hier vielleicht aus Parteiräson geschwiegen? Wem wird mit derartigen Maßnahmen geholfen? Warum goutieren das die Patientenanwälte? Ist das zukunftsträchtige Gesundheitspolitik anno 2016?

Da verwundert es nicht, dass nach einer aktuellen Umfrage 41 Prozent der Patientinnen und Patienten sagen, dass das österreichische Gesundheitssystem in die falsche Richtung geht. Wobei dieser Prozentsatz vermutlich noch höher wäre, wenn jede Person wüsste, wieviel sie zwangsverpflichteter Weise jedes Monat in das Krankenversicherungssystem einzahlen muss.

Und – Stichwort geplante Primärversorgungszentren: 85 Prozent der Patientinnen und Patienten meinen, dass der klassische Hausarzt sich in Österreich gut bewährt hat und unbedingt erhalten bleiben soll.

Selbst wenn einige dieser Punkte wie etwa der Wahlarztkostenrückersatz nach heftigem Protest der ÖÄK zu guter Letzt doch nicht Eingang in die Art. 15a-Vereinbarungen finden werden, so bedeutet dies nicht, dass damit das Thema vom Tisch ist. Denn im nächsten Schritt sind ja noch ein neues „Zielsteuerungsgesetz“ und die einzelnen Umsetzungsgesetze zu den Art. 15a-Vereinbarungen zu erwarten. Worauf man sich weiters einstellen kann ist, dass die Landespolitik auch im niedergelassenen Bereich mehr Einfluss nehmen möchte. Dies wird vor allem zu Lasten des Einflusses der GKKs gehen, Stichwort Verbindlichmachung von ÖSG und RSG.

Dabei wäre die Lösung doch evident: Einerseits, dass die Landespolitik den bereits vor zwei Jahren vereinbarten Kompromiss im KA-AZG-Bereich einhält. Andererseits sollte nicht behauptet werden, dass es keine Probleme gibt, sondern die vorliegenden Themen sollten endlich angegangen werden, etwa die Kassenverträge wirklich zu attraktivieren, Honorarpositionen für das ärztliche Gespräch aufzunehmen und so für mehr Luft, mehr Motivation und bessere Arbeitsbedingungen der Ärztinnen und Ärzte zu sorgen.

*) Dr. Lukas Stärker ist Kammeramtsdirektor der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 21 / 10.11.2016