ÖÄK-Diplomlehrgang Gender Medicine: Von der Theorie in die Praxis

25.09.2016 | Politik

Erkenntnisse zu geschlechtssensibler Diagnose, Therapie und Prävention werden im Rahmen des neuen ÖÄK-Diplomlehrgangs Gender Medicine vermittelt. So kann beispielsweise ein Gender-sensibles Anamnesegespräch eine große Bereicherung bei der Diagnose und Behandlung darstellen. Start des ÖÄK-Diplomlehrgangs: Herbst 2016. Von Christina Schaar

Schon seit mehr als zehn Jahren unterrichtet Univ. Prof. Margarethe Hochleitner von der Universitätsklinik für Innere Medizin I der MedUni Innsbruck Gender Medizin bei den Ärztetagen in Grado. Deswegen sei es in ihren Augen auch „eine logische Weiterentwicklung, bei der Ärztekammer ein entsprechendes Diplom zu beantragen“.

Das Diplom soll Ärztinnen und Ärzten als „Wegweiser“ zur Verfügung stehen. Die aus der Gender Medizin erworbenen Erkenntnisse sollen unter Berücksichtigung von Evidenz-basiertem Wissen in die medizinische Diagnose, Therapie und Prävention eingebunden werden. Seit 2006 findet in Innsbruck unter Beteiligung von international anerkannten Experten auch die Ringvorlesung „Gender Medizin: Geschlechterforschung in der Medizin“ statt. Seit dem Wintersemester 2007/2008 wird das Fach an der Med- Uni Innsbruck gelehrt. Mittlerweile ist Gender Medizin als Pflichtfach und Teil der Pflichtprüfungen im klinischen PhD und in den Habilitations-Pflichtkursen enthalten – eine „einzigartige“ (Hochleitner) Konstellation im deutschsprachigen Raum. Auch am Aufbau von Masterstudien im europäischen Raum wurde im Rahmen eines EU-Projektes (EUGIM) gearbeitet.

Warum Gender-sensibel?

Das Geschlecht charakterisiert die biologischen Unterschiede von Mann und Frau. Gender hingegen befasst sich mit der sozio-kulturellen Komponente – darunter auch mit Fragen der typischen Geschlechterrollen von Mann und Frau, deren Konsequenzen auf das Gesundheits- und Risikoverhalten (zum Beispiel Ernährung, Alkohol und Rauchen). Vergleicht man die Aussagen von Frauen und Männern im Hinblick darauf, wie sie subjektiv ihre Gesundheit bewerten, sehen Männer diese stärker in Verbindung mit dem Grad der Ausbildung sowie mit physischer und kultureller Aktivität. Frauen hingegen assoziieren Gesundheit stärker mit Zufriedenheit, Schlaf aber auch mit Arzt-Besuchen. Auch bei der Beurteilung von Krankheiten spielt Gender eine bedeutende Rolle: In der traditionellen Männerrolle ist es „unmännlich“, zur Vorsorge zu gehen.

Ein Gender-sensibler Umgang mit Patienten zeigt sich beispielsweise in einer adäquaten Formulierung, die jeweils individuell angepasst wird, aber auch in der Konsultationsdauer, der Compliance, dem Wohlbefinden sowie dem Entstehen einer Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient. Ein Gender-sensibles Anamnesegespräch stellt eine „große Bereicherung bei der Diagnose und Behandlung der Patienten dar“, wie Hochleitner betont. Es gehe darum, Frauen und Männer hinsichtlich ihrer Symptome, der Darstellung ihrer Beschwerden sowie der Behandlung zu verstehen: als Frau beziehungsweise Mann in der jeweiligen Lebenswelt oder Lebenssituation. Hochleitner dazu: „Es geht somit nicht nur um eine Klassifizierung von Symptomen, sondern auch um das Verständnis dafür, sie zu begreifen und zu reflektieren.“

Gender-Bias

Darunter versteht man einerseits, dass das Geschlecht als entscheidender Faktor ignoriert wird, aber auch Geschlechter- Insensibilität (Androzentrismus oder auch die Annahmen, dass Krankheitsbilder, Krankheitssymptome, Gesundheitsverhalten etc. bei Frauen und Männern gleich zu bewerten sind). Unter Gender-Bias versteht man aber auch doppelte Bewertungsmaßstäbe: Die Behandlung und Beurteilung der gleichen Situation erfolgt aufgrund des Geschlechts.

Was kennzeichnet nun Gender-sensible Forschung? „Sie wirkt dem Gender-Bias entgegen durch das Herausarbeiten von Unterschieden und Gemeinsamkeiten sowie die Reflexion in der Anamnese“, weiß Hochleitner.

Tipp: Detaillierte Informationen und aktuelle Termine: http://fgz.i-med.ac.at/

Terminübersicht*
Studienjahr 2016/2017

Datum

Modul

Titel

Klinik

Seminarort

11.-12.12.2016

Modul 1

Einführung in die Gender Medizin

Medizinische Universität Innsbruck

Innsbruck

25.-26.02.2017

Modul 8

Gastroenterologie/Nephrologie

Medizinische Universität Innsbruck

Innsbruck

18.-19.03.2017

Modul 5

Endokrinologie/Stoffwechsel

Medizinische Universität Wien

Wien

13.-14.05.2017

Modul 2

Sexualität und Fortpflanzung

Medizinische Universität Wien

Wien

17.-18.06.2017

Modul 3

Kardiologie

Medizinische Universität Innsbruck

Innsbruck

ReferentInnen, Vortragsthemen und detaillierter Stundenplan: siehe Detailprogramm der einzelnen Module
* Änderungen vorbehalten

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2016