15a-Ver­ein­ba­rung: Offen­sive gegen den Paradigmenwechsel

25.11.2016 | Politik

Im Minis­ter­rat vom 15. Novem­ber wur­den gesetz­li­che Grund­la­gen beschlos­sen, die einen Para­dig­men­wech­sel für das öster­rei­chi­sche Gesund­heits­we­sen bedeu­ten. Die ÖÄK star­tet eine groß ange­legte Informationsoffensive.

Nur wenige Tage vor dem Beschluss im Minis­ter­rat waren die geplan­ten Geset­zes­ent­würfe bezüg­lich einer Ver­ein­ba­rung gemäß Art. 15a B‑VG über die Orga­ni­sa­tion und Finan­zie­rung des Gesund­heits­we­sens, einer wei­te­ren Ver­ein­ba­rung über die Ziel­steue­rung- Gesund­heit sowie eines „Ver­ein­ba­rungs­um­set­zungs­ge­set­zes 2017 – VUG 2017“ den zustän­di­gen Regie­rungs­mit­glie­dern über­mit­telt wor­den. Fünf Tage spä­ter erfolgte die Beschlussfassung.

Schon im Vor­feld des Minis­ter­rats hatte sich ÖÄK-Prä­si­dent Artur Wech­sel­ber­ger an Bun­des­kanz­ler Kern gewandt und ihm seine Beden­ken klar­ge­legt: „Diese Rechts­grund­la­gen haben nach­hal­tige und nach­tei­lige Aus­wir­kun­gen auf die Pati­en­ten­ver­sor­gung.“ Wech­sel­ber­ger ersuchte Kern, die Ein­wände der Ärz­te­schaft, die auf „jahr­zehn­te­lan­gen Erfah­run­gen in der Pati­en­ten­ver­sor­gung beru­hen“, zu berück­sich­ti­gen. Ein Dis­kus­si­ons­pro­zess sei erfor­der­lich, in dem auch das Sach­wis­sen der Ärz­tin­nen und Ärzte wie­der gefragt sei, um nach­hal­tige, zukunfts­taug­li­che Lösun­gen im Sinn der Pati­en­ten zu schaffen. 

Fol­gende kon­krete Punkte sind im Schrei­ben an den Bun­des­kanz­ler, das auch alle Mit­glie­der der Bun­des­re­gie­rung sowie die Klub­ob­leute der Regie­rungs­par­teien erhal­ten haben, angeführt:

1) Aus­ga­ben­ober­gren­zen für den Zeit­raum 2017 bis 2021
Durch die geplan­ten Aus­ga­ben­ober­gren­zen wer­den dem Gesund­heits­we­sen drin­gend not­wen­dige zusätz­li­che Mit­tel nicht im erfor­der­li­chen Aus­maß zuge­führt, was eine Ver­schlech­te­rung der Pati­en­ten­ver­sor­gung zur Folge haben wird. Die schon jetzt län­ge­ren War­te­zei­ten und Reduk­tio­nen wer­den für die Pati­en­ten künf­tig noch deut­li­cher spür­bar sein als jetzt.

2) Aus­höh­lung der Selbst­ver­wal­tung von Sozi­al­ver­si­che­rung und Ärz­te­kam­mern
Bei der bis­her ein­ver­nehm­lich zwi­schen Sozi­al­ver­si­che­rung und zustän­di­ger Ärz­te­kam­mer erfolg­ten Ver­sor­gungs­pla­nung des nie­der­ge­las­se­nen Berei­ches im Wege von Stel­len­plä­nen will man künf­tig auf die Exper­tise der Ärz­te­schaft völ­lig ver­zich­ten. Bis­her waren es stets die Ärz­te­kam­mern, die – häu­fig gegen den Wil­len der Kas­sen – eine bes­sere, pati­en­ten­ori­en­tierte Ver­sor­gung ein­ge­mahnt und durch­ge­setzt haben. In Zukunft will die Pla­nung des nie­der­ge­las­se­nen Berei­ches offen­sicht­lich nur noch nach öko­no­mi­schen – anstatt von medi­zi­nisch not­wen­di­gen – Gesichts­punk­ten erfol­gen. Das in den Ent­wür­fen vor­ge­se­hene „Stel­lung­nah­me­recht“ der Lan­des­ärz­te­kam­mern bie­tet keine aus­rei­chende Alternative.

Dar­über hin­aus soll es mög­lich sein, bestehende Bewil­li­gun­gen für den Betrieb von Ordi­na­tio­nen bezie­hungs­weise Grup­pen­pra­xen ein­sei­tig wie­der zurück zu neh­men. Es liegt auf der Hand, dass diese Mög­lich­keit für die nie­der­ge­las­sene Ärz­te­schaft und deren Unter­neh­men kon­tra­pro­duk­tiv wäre. Schon jetzt ist auf­grund der Sorge über die Ent­wick­lung der frei­be­ruf­li­chen Tätig­keit eine Ver­un­si­che­rung bei den pra­xis­füh­ren­den Ärz­ten sowie eine deut­li­che Demo­ti­va­tion und Dämp­fung der Inves­ti­ti­ons­freude bei der Grün­dung von Kas­sen­pra­xen zu beobachten.

3) Besei­ti­gung der Sub­si­dia­ri­tät der Ambu­la­to­rien
Künf­tig soll es offen­sicht­lich mög­lich sein, (ins­be­son­dere kas­sen­ei­gene) Ambu­la­to­rien als Ersatz für die nie­der­ge­las­sene Ärz­te­schaft auch ohne die bis­her vor­ge­se­hene spe­zi­elle Bedarfs­prü­fung ein­zu­rich­ten. Beson­ders die Leis­tungs­er­brin­gung in den nie­der­ge­las­se­nen Pra­xen war jahr­zehn­te­lang auf­grund ihrer Flä­chen­de­ckung, Fle­xi­bi­li­tät und Pati­en­ten­nähe das Erfolgs­kon­zept der Gesundheitsversorgung.

4) Ver­la­ge­rung fach­ärzt­li­cher
Leis­tun­gen in die Kran­ken­häu­ser „Klein­tei­lige Orga­ni­sa­ti­ons­for­men“ – gemeint sind die Ordi­na­tio­nen von Fach­ärz­tin­nen und Fach­ärz­ten – sol­len künf­tig über­wun­den und zum Bei­spiel in Kran­ken­an­stal­ten gebün­delt wer­den. Damit ist ein­deu­tig eine Abschaf­fung des nie­der­ge­las­se­nen Fach­arz­tes und die Ver­le­gung sei­ner bis­he­ri­gen Leis­tun­gen in Kran­ken­an­stal­ten inten­diert. Auch hier gel­ten Pati­en­ten- und Wohn­ort­nähe als Grund­vor­aus­set­zun­gen einer Pati­en­ten­ori­en­tier­ten Gesund­heits­po­li­tik. Diese Vor­teile des der­zei­ti­gen Ver­sor­gungs­sys­tems wer­den (wie viele Umfra­gen bewei­sen) auch von Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten sehr geschätzt.

5) Pri­mär­ver­sor­gung
Bereits im Jahr 2014 wurde ein­ver­nehm­lich von allen Stake­hol­dern das Kon­zept „Das Team rund um den Haus­arzt“ beschlos­sen. Ent­schei­dend bei des­sen Umset­zung ist aller­dings, dass die Pati­en­ten­ver­sor­gung im Rah­men des bestehen­den Gesamt­ver­trags­sys­tems umge­setzt wird und der Ver­net­zung von bestehen­den Ein­zel­pra­xen ein­deu­tig der Vor­rang vor der Grün­dung von Zen­tren ein­ge­räumt wird.

In der tags dar­auf erfolg­ten Sit­zung des ÖÄK-Vor­stan­des wurde eine umfas­sende Kam­pa­gne gegen diese „gra­vie­ren­den und nach­hal­ti­gen Ände­run­gen im Gesund­heits­we­sen“, wie es ÖÄK-Prä­si­dent Artur Wech­sel­ber­ger for­mu­lierte, beschlos­sen. Mit die­ser Infor­ma­ti­ons­kam­pa­gne sol­len Ärzte und Pati­en­ten umfas­send dar­über infor­miert wer­den, wel­che Aus­wir­kun­gen die geplan­ten Ände­run­gen nach sich zie­hen kön­nen. Alle Details dazu gibt es in einer Son­der­aus­gabe der ÖÄZ, die in den nächs­ten Tagen erschei­nen wird.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 22 /​25.11.2016