Pri­mär­prä­ven­tion Schlag­an­fall: Risiko abschätzen

25.02.2016 | Medizin

Rund 80 Pro­zent der Betrof­fe­nen, die einen Schlag­an­fall erlei­den, sind über 60. Der Insult gehört noch immer zu den zehn häu­figs­ten Todes­ur­sa­chen und ver­ur­sacht bei mehr als der Hälfte der Über­le­ben­den blei­bende Behin­de­run­gen. Viele der Risi­ko­fak­to­ren für einen Schlag­an­fall sind eher sym­ptom­arm und wer­den daher nicht immer aus­rei­chend beach­tet. Von Irene Mlekusch

Bei bis dahin asym­pto­ma­ti­schen Pati­en­ten mit und ohne vas­ku­läre Risi­ko­fak­to­ren einen Schlag­an­fall zu ver­mei­den – dar­auf­hin zielt die Pri­mär­prä­ven­tion ab. Ent­spre­chend der evi­denz­ba­sier­ten Leit­li­nien für Pri­mär- und Sekun­där­prä­ven­tion des Schlag­an­falls kann man die Risi­ko­fak­to­ren ent­spre­chend ihren zugrun­de­lie­gen­den Ätio­lo­gien in vier Grup­pen ein­tei­len: Stoff­wech­sel­ver­än­de­run­gen, kar­dio­vas­ku­läre Erkran­kun­gen, Lebens­stil- oder per­so­nen­be­zo­gene Risi­ko­fak­to­ren und all­ge­meine Risi­ko­fak­to­ren der Arte­rio­skle­rose. In jedem Fall sollte der Pati­ent aus­führ­lich bera­ten und sei­nem indi­vi­du­el­len Risiko ent­spre­chend behan­delt werden.

Prin­zi­pi­ell sind Lebens­stil- oder per­so­nen­be­zo­gene Risi­ko­fak­to­ren wie Rau­chen, kör­per­li­che Inak­ti­vi­tät, Über­ge­wicht, Alko­hol­ge­nuss und Ernäh­rung zwar beein­fluss­bar, ver­lan­gen aber auf­grund ihres teil­wei­sen Sucht­cha­rak­ters vom Pati­en­ten eine hohe Moti­va­tion und unter Umstän­den eine pro­fes­sio­nelle Bera­tung. Univ. Prof. Rein­hold Schmidt von der Kli­ni­schen Abtei­lung für Neu­ro­ger­ia­trie an der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Neu­ro­lo­gie in Graz, sieht eine gesunde Lebens­füh­rung als Grund­lage der Pri­mär­prä­ven­tion des Schlag­an­falls. Univ. Doz. Hans-Peter Haring von der Neu­ro­lo­gi­schen Abtei­lung der Lan­des-Ner­ven­kli­nik Wag­ner-Jaur­egg in Linz ergänzt: „Bei der Pri­mär­prä­ven­tion hat der Haus­arzt vor allem in Bezug auf die Lebens­sti­län­de­run­gen die füh­rende Rolle.“ Eine Rauch­ent­wöh­nung sollte unbe­dingt emp­foh­len wer­den, denn Rau­chen erhöht das Risiko eines Schlag­an­falls rela­tiv um den Fak­tor 1,5. Vor allem Frauen, Pati­en­ten mit höhe­rem Alter und ver­stärk­ter Ziga­ret­ten­kon­sum erhö­hen das Risiko.

Umge­kehrt redu­ziert sich das Risiko nach dem Ein­stel­len des Rau­chens bereits nach zwei bis fünf Jah­ren auf das Risiko eines Nicht­rau­chers. Des Wei­te­ren konnte nach­ge­wie­sen wer­den, dass vor allem bei Män­nern eine hohe und mode­rate kör­per­li­che Akti­vi­tät das Schlag­an­fall­ri­siko redu­ziert. Inso­fern sollte zur Pri­mär­prä­ven­tion des Schlag­an­falls auch regel­mä­ßige Bewe­gung emp­foh­len werden.

Im Hin­blick auf die posi­tive Beein­flus­sung der all­ge­mei­nen Risi­ko­fak­to­ren für Arte­rio­skle­rose sind bei über­ge­wich­ti­gen Pati­en­ten Maß­nah­men zur Gewichts­re­duk­tion ein­zu­lei­ten, auch wenn dies­be­züg­lich zur Schlag­an­fall­prä­ven­tion noch keine Evi­denz vor­liegt. Hoher Alko­hol­kon­sum stellt auf­grund der höhe­ren Inzi­denz von Hirn­blu­tun­gen eben­falls einen Risi­ko­fak­tor für Schlag­an­fall dar.

Seit vie­len Jah­ren ist bereits der Zusam­men­hang zwi­schen Hyper­to­nie und erhöh­tem Schlag­an­fall­ri­siko bekannt; eine effi­zi­ente Blut­druck­ein­stel­lung ist unbe­dingt anzu­stre­ben. Neben koch­salz­ar­mer Ernäh­rung und Bewe­gung soll­ten falls nötig auch Anti­hy­per­ten­siva ein­ge­setzt wer­den. Eine Blut­druck­sen­kung um fünf bis sechs mmHg dia­sto­lisch senkt das Risiko für einen Schlag­an­fall um 42 Pro­zent. „Die Aus­wahl der Anti­hy­per­ten­siva rich­tet sich nach den Begleit­erkran­kun­gen. Wich­ti­ger als die Sub­stanz­klasse ist das Errei­chen der Ziel­werte“, erklärt Schmidt und ver­weist in die­sem Zusam­men­hang auf die SPRINT-Stu­die. Darin konnte gezeigt wer­den, dass bei Per­so­nen mit einem erhöh­ten vas­ku­lä­ren Risiko eine inten­sive Blut­druck­sen­kung auf unter 120 mmHg bes­sere Ergeb­nisse erzielte, als der bis­he­rige Ziel­wert von 140 mmHg – aller­dings ver­bun­den mit einer erhöh­ten Rate an Nebenwirkungen.

Zufalls­be­fund Caro­tiss­tenose

Im Rah­men von Rou­ti­ne­un­ter­su­chun­gen wer­den immer wie­der asym­pto­ma­ti­sche Caro­tiss­teno­sen als Zufalls­be­fund ent­deckt. Das wei­tere Vor­ge­hen ist in die­sen Fäl­len laut Schmidt indi­vi­du­ell fest­zu­le­gen. Die Leit­li­nien emp­feh­len die Abklä­rung und Behand­lung kar­dio­vas­ku­lä­rer Risi­ko­fak­to­ren. Bei höher­gra­di­gen Caro­tiss­teno­sen über 60 Pro­zent sollte nach aus­führ­li­cher Auf­klä­rung des Pati­en­ten indi­vi­du­ell je nach Schlag­an­fall­ri­si­ko­pro­fil, Lebens­er­war­tung und Wunsch des Pati­en­ten die Mög­lich­keit einer End­ar­te­riek­to­mie ange­dacht wer­den. Prin­zi­pi­ell rät Haring bei asym­pto­ma­ti­schen Caro­tiss­teno­sen eher zur Zurück­hal­tung. Grund­sätz­lich gilt es zu ent­schei­den, ob der Pati­ent medi­ka­men­tös behan­delt wird oder nicht und falls eine Reka­na­li­sa­tion statt­fin­det, ob diese chir­ur­gisch oder mit­tels Angio­plas­tie durch­ge­führt wer­den soll. Nach dem Prin­zip „treat the young men“ emp­fiehlt Haring für jün­gere Män­ner und Pati­en­ten mit einer über einen kur­zen Zeit­raum pro­gre­di­en­ten Caro­tiss­tenose und/​oder einem brei­ten vas­ku­lä­ren Risi­ko­feld ein aggres­si­ve­res Behand­lungs­vor­ge­hen. Für Haring ist die Dif­fe­ren­zie­rung einer kli­nisch stum­men Stenose ent­schei­dend: „Das jähr­li­che Insult­ri­siko liegt bei einer sym­pto­ma­ti­schen Caro­tiss­tenose bei 20 bis 25 Pro­zent. Im Ver­gleich dazu liegt das jähr­li­che Risiko, bei einer asym­pto­ma­ti­schen Stenose einen Schlag­an­fall zu erlei­den, bei fünf Pro­zent.“ Das peri­ope­ra­tive Kom­pli­ka­ti­ons­ri­siko der chir­ur­gi­schen Sanie­rung der Caro­tiss­tenose ran­giert dage­gen je nach Exper­tise des Zen­trums im Durch­schnitt zwi­schen drei und sechs, im Ide­al­fall unter drei Pro­zent. „Eine Caro­tiss­tenose stellt einen dyna­mi­schen Pro­zess dar. Einer­seits spielt die Plaque­mor­pho­lo­gie eine Rolle, ande­rer­seits lässt sich mit­tels Embo­lie-Moni­to­ring fest­stel­len, ob eine Stenose tat­säch­lich asym­pto­ma­tisch ist“, erläu­tert Haring.

Vor­hof­flim­mern

Vor­hof­flim­mern ist die häu­figste Herz­rhyth­mus­stö­rung beim Erwach­se­nen, stark alters­ab­hän­gig. Bei­nahe jeder fünfte Schlag­an­fall geht auf Vor­hof­flim­mern zurück. Dabei ver­lau­fen ischä­mi­sche Schlag­an­fälle, wel­che mit Vor­hof­flim­mern in Ver­bin­dung ste­hen, grund­sätz­lich schwe­rer, füh­ren häu­fi­ger zu Bett­lä­ge­rig­keit und gehen mit einer höhe­ren Sterb­lich­keits­rate ein­her. Der vor­wie­gend epi­so­dische Ver­lauf des Vor­hof­flim­merns sowie asym­pto­ma­ti­sche Ver­läufe erschwe­ren einer­seits die Dia­gno­se­stel­lung und machen ande­rer­seits die Abschät­zung eines nahen­den Schlag­an­falls teil­weise unmög­lich, da sich Vor­bo­ten wie TIAs bei den betrof­fe­nen Pati­en­ten nur sel­ten abgren­zen las­sen. Dabei gehen Epi­so­den von Vor­hof­flim­mern von ledig­lich sechs Minu­ten inner­halb von drei Mona­ten mit einem drei­fach höhe­ren Schlag­an­fall­ri­siko ein­her. Unter die­sem Gesichts­punkt erscheint es sinn­voll, bei Pati­en­ten ab 65 Jah­ren den Puls im Rah­men einer Scree­ning­un­ter­su­chung zu tas­ten und bei Ver­dacht auf Vor­hof­flim­mern zunächst ein EKG und in wei­te­rer Folge ein Lang­zeit-EKG durch­zu­füh­ren. „Ist die Dia­gnose Vor­hof­flim­mern gestellt, ist die Anti­ko­agu­la­tion die abso­lut wich­tigste Stra­te­gie“, ver­deut­licht Univ. Doz. Franz Xaver Roi­thin­ger von der II. Inter­nen Abtei­lung am Lan­des­kli­ni­kum Wie­ner Neustadt.

Dar­über hin­aus emp­fiehlt er auch Life-Style-Maß­nah­men, Caro­tis-Duplex-Kon­trol­len, Blutdruck‑, Dia­be­tes- und Lipid­ma­nage­ment. Den Leit­li­nien zufolge redu­ziert Ace­tyl­sa­li­cyl­säure das Risiko, einen Schlag­an­fall bei nicht­rheu­ma­ti­schem Vor­hof­flim­mern zu erlei­den, pri­mär­prä­ven­tiv rela­tiv um 20 Pro­zent, die orale Anti­ko­agu­la­tion erreicht dage­gen eine Risi­ko­re­duk­tion um 60 Pro­zent. „Bei Vor­hof­flim­mern wird Aspi­rin nur in Aus­nah­me­fäl­len emp­foh­len. Dazu gehö­ren Nied­ri­g­ri­si­ko­pa­ti­en­ten mit Vor­hof­flim­mern und man­che Pati­en­ten mit mode­ra­tem Risiko bei ent­spre­chen­der Prä­fe­renz, hohem Blu­tungs­ri­siko unter Anti­ko­agu­la­tion oder Feh­len ent­spre­chen­der Moni­to­ring-Mög­lich­kei­ten“, fasst Schmidt zusam­men. Für Hoch­ri­si­ko­pa­ti­en­ten, bei denen Anti­ko­agu­la­tion nicht mög­lich ist, wird eine mäßig­gra­dige Emp­feh­lung für duale anti­throm­bo­ti­sche The­ra­pie gege­ben – aber mit erhöh­tem Blu­tungs­ri­siko. Der Pati­ent muss in jedem Fall über Risiko und Nut­zen der The­ra­pie auf­ge­klärt werden.

Für die all­ge­meine Risi­ko­ein­schät­zung eines Schlag­an­falls gibt es eine Reihe von Risi­ko­as­sess­ment-Tools. Schmidt dazu: „Obwohl kei­nes die­ser Tools das gesamte Spek­trum von Risi­ko­fak­to­ren abde­cken und die Kom­ple­xi­tät der Inter­ak­tio­nen von Risi­ko­fak­to­ren voll­stän­dig abbil­den kann, sind sol­che Tools in der kli­ni­schen Pra­xis hilf­reich und wer­den zur Risi­ko­stra­ti­fi­zie­rung in Hin­blick auf the­ra­peu­ti­sche Maß­nah­men ein­ge­setzt.“ Schmidt führt wei­ter aus, dass einige die­ser Tools wie das Framing­ham Stroke Pro­fil in sei­ner ori­gi­na­len und modi­fi­zier­ten Form geschlechts-spe­zi­fisch sind und Ein‑, Fünf- oder Zehn-Jah­res-Risi­ko­ab­schät­zun­gen abge­ben. Dabei wer­den unab­hän­gige Schlag­an­fall­prä­dik­to­ren wie Alter, systo­li­scher Blut­druck, Blut­hoch­druck, Dia­be­tes mel­li­tus, Rau­chen, kar­dio­vas­ku­läre Erkran­kung, Vor­hof­flim­mern und links­ven­tri­ku­läre Hyper­tro­phie im EKG berück­sich­tigt. „Es exis­tiert eine Reihe alter­na­ti­ver Scores, die jedoch letzt­lich auf dem Framing­ham Stroke Pro­fil basie­ren“, weiß Schmidt.

Viele Jahre war der CHADS2-Score das gebräuch­lichste Tool zur Abschät­zung des Schlag­an­falls­ri­si­kos bei Vor­hof­flim­mern. Die­ser wurde aber vor ein paar Jah­ren von einer modi­fi­zier­ten Ver­sion, dem CHA2DS2-VASc-Score mit bes­se­ren prä­dik­ti­ven Wer­ten, abge­löst. „Sobald ein Pati­ent Vor­hof­flim­mern und einen CHA2DS2-VASc-Score von zwei oder mehr hat, benö­tigt er eine lebens­lange Anti­ko­agu­la­tion“, stellt Roi­thin­ger dar. Zur Abschät­zung des Blu­tungs­ri­si­kos vor und wäh­rend der Anti­ko­agu­la­tion kann der HAS-BLED-Score her­an­ge­zo­gen wer­den. Ein Score von drei oder mehr gibt den Hin­weis auf ein hohes Blu­tungs­ri­siko. Ein hoher Wert allein sollte aber nicht dazu füh­ren, eine eigent­lich indi­zierte Anti­ko­agu­la­tion nicht durch­zu­füh­ren. Bes­ser ist es, in sol­chen Fäl­len modi­fi­zier­bare Risi­ko­fak­to­ren wie zum Bei­spiel Hyper­to­nie, Kome­di­ka­tio­nen oder Alko­hol­ab­usus zu behan­deln. „Letzt­lich wird durch diese Scores eine Stra­ti­fi­zie­rung von Insul­trsiko und Blu­tungs­ri­siko gegen­über­ge­stellt“, sagt Schmidt.

Seit eini­gen Jah­ren ste­hen neue Anti­ko­agu­lan­tien zur Ver­fü­gung, wel­che groß­teils zur Pro­phy­laxe von Schlag­an­fäl­len bei Pati­en­ten mit Vor­hof­flim­mern zuge­las­sen sind. Roi­thin­ger fasst die Vor­teile der neuen Anti­ko­agu­lan­tien wie folgt zusam­men: „Das wich­tigste Argu­ment sind weni­ger Hirn­blu­tun­gen. Sollte es doch zu einer Blu­tung kom­men, so ist die Pro­gnose bes­ser als unter Mar­cou­mar. Des Wei­te­ren sind keine Inter­ak­tio­nen mit Medi­ka­men­ten oder Nah­rungs­mit­teln bekannt und die Tat­sa­che, dass kein Gerin­nungs­mo­ni­to­ring not­wen­dig ist, erhöht die Com­pli­ance der Pati­en­ten.“ Ledig­lich bei Pati­en­ten mit fort­ge­schrit­te­ner Nie­ren­in­suf­fi­zi­enz ist Vor­sicht gebo­ten und eine regel­mä­ßige Kon­trolle der Nie­ren­funk­tion erfor­der­lich. Roi­thin­ger ver­weist dar­auf, dass Pati­en­ten mit Mar­cou­mar oft schlecht ein­ge­stellt sind und die Anti­ko­agu­la­tion dann nicht ent­spre­chend wirk­sam ist; somit ist kei­nes der neuen ora­len Anti­ko­agu­lan­tien schlech­ter als Mar­cou­mar. Bei bestehen­den intra­kar­dia­len Throm­ben und künst­li­chem Herz­klap­pen­er­satz sollte eben­falls anti­ko­agu­liert wer­den, um die Embo­lie­ge­fahr zu redu­zie­ren. Lei­den die betrof­fe­nen Pati­en­ten zusätz­lich an einer arte­rio­skl­ero­ti­schen Erkran­kung, wird in den Leit­li­nien eine kom­bi­nierte The­ra­pie mit Ace­tyl­sa­li­cyl­säure 100 mg empfohlen.

Sowohl die medi­ka­men­töse Rhyth­mus­kon­trolle als auch die elek­tri­sche Kar­dio­ver­sion spie­len bei Pati­en­ten mit Vor­hof­flim­mern in Bezug auf die Pri­mär­prä­ven­tion des Schlag­an­falls keine Rolle. „Vor­hof­flim­mern ist sehr häu­fig par­oxys­mal und asym­pto­ma­tisch“, schil­dert Roi­thin­ger die Zusam­men­hänge. „Ein EKG mit Sinus­rhyth­mus nach einer Kar­dio­ver­sion garan­tiert nicht, dass nicht einen Monat spä­ter asym­pto­ma­ti­sches Vor­hof­flim­mern auf­tritt und einen Schlag­an­fall aus­löst, wenn die Anti­ko­agu­la­ti­ons­the­ra­pie abge­setzt ist.“

Per­sis­tie­ren­des offe­nes For­mane ovale

Liegt ein per­sis­tie­ren­des offe­nes For­mane ovale vor, gibt es im Rah­men der Schlag­an­fall-Pri­mär­prä­ven­tion keine Indi­ka­tion für eine medi­ka­men­töse oder inter­ven­tio­nelle The­ra­pie, obwohl vor allem Pati­en­ten unter 55 Jah­ren eine fünf­fa­che Wahr­schein­lich­keit haben, einen Schlag­an­fall zu erleiden.

Men­schen mit Dia­be­tes mel­li­tus erlei­den häu­fi­ger einen Schlag­an­fall. Obwohl sich keine Evi­denz für eine Blut­zu­cker­ein­stel­lung zur Risi­ko­mi­ni­mie­rung eines Schlag­an­fal­les fin­den lässt, soll­ten norm­o­glyk­ämische Werte im Sinne der All­ge­mein­pro­phy­laxe ange­strebt wer­den. Rei­chen Bewe­gung und Diät dazu nicht aus, wird außer der Behand­lung mit Anti­dia­be­tika und – falls nötig – Insu­lin auch die anti­hy­per­ten­sive The­ra­pie und die Ein­nahme von Sta­ti­nen für Dia­be­ti­ker unab­hän­gig vom Cho­le­ste­rin-Aus­gangs­wert emp­foh­len. Pati­en­ten mit einem hohen kar­dio­vas­ku­lä­ren Risiko soll­ten eben­falls mit Sta­ti­nen behan­delt wer­den, wenn eine Hyper­cho­le­ste­rin­ämie im Sinne eines erhöh­ten LDL über 160 mg/​dl vor­liegt. Mit zuneh­men­der LDL-Reduk­tion sinkt unab­hän­gig vom Aus­gangs­wert das Schlag­an­fall­ri­siko, wobei die Wahl des Sta­tins von sekun­dä­rer Bedeu­tung zu sein scheint. Für Schmidt hängt die Cho­le­ste­rin­sen­kung mit Sta­ti­nen in der Pri­mär­prä­ven­tion vom kar­dio­vas­ku­lä­ren Gesamt­ri­siko ab; nur in der Sekun­där­prä­ven­tion ist sie heute fes­ter Teil der prä­ven­ti­ven Maß­nah­men. Haring dage­gen nennt die Sta­tin­the­ra­pie auf­grund ihrer pleo­tro­pen plaque­sta­bi­li­sie­ren­den Wir­kung als First-line-The­ra­pie zur Pri­mär­prä­ven­tion von Schlag­an­fäl­len bei Pati­en­ten mit zere­bro­vas­ku­lä­ren Erkran­kun­gen an.

In der Pri­mär­prä­ven­tion des Schlag­an­falls wird den Leit­li­nien zufolge weder eine anti­throm­bo­ti­sche The­ra­pie noch die Throm­bo­zy­ten­ag­gre­ga­tion emp­foh­len. Schmidt sieht den Ein­satz von Throm­bo­zy­ten­ag­gre­ga­ti­ons­hem­mern in der Pri­mär­prä­ven­tion nur bei hohem kar­dio­vas­ku­lä­ren Gesamt­ri­siko indi­ziert. „Ent­spre­chend den AHA-Gui­de­lines zur pri­mä­ren Schlag­an­fall­prä­ven­tion ist Aspi­rin bei Per­so­nen mit hohem Schlag­an­fall­ri­siko, das heißt Zehn-Jah­res-Risiko zwi­schen sechs und zehn Pro­zent, wel­ches das Behand­lungs­ri­siko über­steigt, gerecht­fer­tigt“, ergänzt Schmidt.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 4 /​25.02.2016