Petechien: Alarmsymptome erkennen

25.04.2016 | Medizin

Petechien sind ein Symptom vielfältiger Genese. Sie können mechanisch traumatisch bedingt sein wie etwa die Exercise-induced Purpura, sie kommen aber auch als Nebenwirkungen von Medikamenten wie Sulfonamiden oder im Rahmen von schweren Infektionen vor. Nach Autounfällen können sich Fettembolien an der Haut manifestieren. Von Irene Mlekusch

„Die Erfahrung spielt eine große Rolle“, erklärt Univ. Prof. Norbert Sepp von der Universitätsklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie in Innsbruck. In der Anamnese dürfe die Frage nach kürzlich zurückliegenden Reisen und Aktivitäten des Patienten nicht fehlen. Eine sorgfältige klinische Untersuchung ist nötig, um den Allgemeinzustand des Patienten zu erheben. Blutdruck, Temperatur und Bewusstseinszustand sollten dokumentiert werden, da sich das Befinden des Betroffenen – vor allem bei Kindern – rasch verschlechtern kann. Das Alter des Patienten kann bei der Einschränkung der Differentialdiagnosen helfen. Die Purpura-Schönlein-Henoch tritt überwiegend im Kindesalter auf, während die senile Purpura eine Erkrankung des älteren Menschen ist. Da petechiale Blutungen auch als Nebenwirkungen von Pharmaka auftreten können, ist die Medikamentenanamnese nicht zu vernachlässigen. Sepp empfiehlt bei der Erstvorstellung in der Notaufnahme bei Petechien die Untersuchung von Blutbild, Gerinnungsstatus und CRP.

Jede Veränderung der Druckverhältnisse in den Gefäßen kann zu einer mechanisch-traumatischen oder hydrostatisch bedingten Purpura führen. Bei starkem Husten und Erbrechen können ebenso Petechien um die Augen und im Gesicht auftreten wie nach einer Entbindung oder Kopfverletzung. „Mechanisch bedingte Purpura findet sich meistens an hydrostatisch abhängigen Körperpartien zum Beispiel in Bergschuhen nach einer langen Wanderung“, berichtet Sepp. Der „Exercise-induced Purpura“ oder der „Golfer‘s Vaskulitis“ liegen keine schweren Erkrankungen zu Grunde; die Petechien verblassen bereits nach wenigen Tagen. Bei den mechanischen Ursachen muss vor allem bei Kindern auch an eine Misshandlung gedacht werden – sofern es keine andere Erklärung für die Hautblutungen gibt.

Abgesehen von mechanisch-traumatischen Ursachen empfiehlt Sepp die Unterteilung in eine vaskuläre Genese und zugrundeliegende Störungen der Thrombozyten oder Gerinnungsfaktoren. Zu den kongenitalen Ursachen vaskulären Ursprungs zählen die hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie oder Osler-Weber-Rendu-Syndrom. „Die Teleangiektasien im Gesicht bei Morbus Osler werden oft aus kosmetischen Gründen ohne Kenntnis der Grunderkrankung entfernt“, weiß Sepp. Auch andere angeborene Bindegewebsdefekte wie das Ehlers-Danlos-Syndrom Typ IV, das Marfan-Syndrom und das Pseudoexanthema elasticum können mit Hautblutungen einhergehen. Kongenitale Infektionen mit Cytomegalie- und Rötelvirus zeigen unter Umständen ebenfalls ein petechiales Hautbild.

Bei schweren Infektionen

Petechien können im Rahmen von schweren Infektionen wie zum Beispiel dem Rocky Mountain Spotted Fever, Scharlach, Masern, Typhus, Aspergillose, Parvo-Virus B 19, Hepatitis C, Infektionen mit Meningo- und Pneumokokken, septischen Zustandsbildern mit Neisseria gonorrhoe oder dem Dengue-Fieber auftreten. Bei letzterem treten die Hautausschläge bei zirka 50 Prozent der mit Arboviren Infizierten auf. „Patienten mit Schmerzen und Schwellungen im Bereich der Sprunggelenke, die gleichzeitig Petechien aufweisen, müssen im Hinblick auf eine Sepsis mit Neisseria gonorrhoe untersucht werden“, gibt Sepp zu bedenken. Hautembolien können sich ebenfalls als petechiale Blutungen darstellen wie etwa Fettembolien nach Autounfällen am oberen Rumpf, Hals und im Gesicht. In den Beinen können sich Cholesterin- Embolien finden, losgelöste Thromben von Gefäß- und Klappenprothesen; die Embolia cutis medicamentosa erscheint unter Umständen ebenfalls in Form von Petechien. „Akrale Purpura, die zunehmen, sind Alarmsymptome für Infektionen und septische Embolien“, warnt Sepp und erinnert an Petechien im Bereich der Fußsohlen oder unter den Fingernägeln als Symptom einer Endokarditis durch Staphylokokkus aureus.

Gefäßwandschädigungen, die in Hautblutungen resultieren, zeigen sich außerdem bei erworbenen Bindegewebsdefekten im hohen Alter wie der solaren Purpura, Kortikosteroidschaden und Skorbut. Typisch für Skorbut ist eine follikuläre Purpura, während sich die Petechien nach Langzeitanwendung von Kortikosteroiden im Bereich der Hände, Arme und Oberschenkel finden – ähnlich der senilen Purpura. „Petechiale Blutungen am oder unter dem Unterlid sind ein Hinweis auf eine vorliegende Amyloidose“, weiß Sepp. Ebenso können Petechien bei Porphyria cutanea tarda und Lichen sclerosus et atrophicans in Erscheinung treten. Zu den Medikamenten, die mit Petechien einhergehen können, gehören neben Steroiden auch Sulfonamide, Atropin und Chloralhydrat.

Vaskulitis mit Purpura

Allergisch autoimmunologische Grunderkrankungen wie die Purpura-Schönlein-Henoch und Bindegewebserkrankungen wie systemischer Lupus erythematodes oder die rheumatoide Arthritis verursachen eine Vaskulitis mit Purpura an hydrostatisch abhängigen Körperpartien. „Zur Abklärung einer Vaskulitis ist es notwendig, den Patienten genau zu untersuchen und seine Organfunktionen abzuklären“, rät Sepp. Die klinische Untersuchung reicht für die Diagnose der Vaskulitis meist aus; die Biopsie dient der spezifischen Diagnostik. Chronisch leukozyto-klastische Vaskulitiden treten bei Hepatitis C, rheumatischen Erkrankungen, Purpura pigmentosa, myelodysplastischen Syndromen und Lymphomen auf. Sepp nennt in diesem Zusammenhang einen hohen Rheumafaktor in Kombination mit Purpura und Hämosiderin-Ablagerungen als Alarmsymptom für eine Hepatitis C-assoziierte Vaskulitis.

Treten die Petechien in Zusammenhang mit einer Thrombopenie auf, spricht man von einer thrombozytopenischen Purpura, die wiederum viele verschiedene Ursachen haben kann. Findet sich bereits in der Familienanamnese eine Thrombopenie beziehungsweise treten die Symptome bereits kurz nach der Geburt auf, liegt der Verdacht einer kongenitalen thrombozytopenischen Ursache wie zum Beispiel dem Wiskott-Aldrich-Syndrom nahe. Insgesamt sind vererbte Thrombopenien allerdings sehr selten, sodass die meisten Thrombopenien als erworben angesehen werden müssen. Laut Priv. Doz. Karoline Gleixner von der Klinischen Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie der Universitätsklinik für Innere Medizin I in Wien sind die Ursachen für Thrombopenien „vielfältig“.

Häufigste Ursachen sind die Immunthrombozytopenie (ITP) und der Thrombopoietinmangel bei schweren Lebererkrankungen. Differentialdiagnostisch ist aber auch eine Bildungsstörung in Betracht zu ziehen, wie sie bei Verdrängung der Thrombopoese im Knochenmark durch akute Leukämien, bei aplastischer Anämie oder bei toxischer Schädigung des Knochenmarks beispielsweise durch Chemotherapeutika, Strahlen oder eine Bleivergiftung zustande kommt. Auch eine Verbrauchskoagulopathie beispielsweise im Rahmen einer Sepsis oder einer thrombotisch- thrombozytopenischen Purpura (TTP), welche dann auch mit einer Störung der plasmatischen Gerinnung assoziiert ist, kann zur Thrombopenie führen.

Weitere Ursachen

Ebenso können eine Splenomegalie oder ein Herzklappenersatz zu einer Thrombopenie und somit zu Petechien führen. Auch im Rahmen einer Schwangerschaft ist an die Gestations-Thrombozytopenie und die Präeklampsie mit HELLP-Syndrom zu denken. Gleixner führt aus, dass Petechien in der Regel nur bei sehr niedriger Thrombozytenzahl (< 20 G/L) zustande kommen und daher per se ein Warnsymptom darstellen, da es unter diesen Umständen auch zu spontanen Blutungen an anderen Organen kommen kann. „Hinweise für innere Blutungen sind das Eintreten von hämodynamischer Instabilität, ein rapider Hämoglobin-Abfall oder positive Hämocculte im Rahmen einer Darmblutung“, macht Gleixner aufmerksam. Im Fall von Kopfschmerzen oder einer neurologischen Eintrübung bis hin zur Bewusstlosigkeit muss an eine Hirnblutung gedacht werden. In all diesen Fällen ist neben der entsprechenden diagnostischen Abklärung die umgehende Substitution von Thrombozyten und gegebenenfalls Erythrozyten essentiell. Im Hinblick auf andere Erkrankungen, die sich hinter der Thrombopenie verbergen können, sind Fieber - verursacht durch eine Sepsis oder Granulopenie - sowie großflächige Blutungen bei DIC, TTP oder gleichzeitiger Störung der plasmatischen Gerinnung zu beachten. In der Ätiologie der Petechien können auch Thrombozytenfunktionsstörungen unabhängig von einer Thrombopenie eine Rolle spielen. Thrombozytopathien sind entweder angeboren wie das Bernard- Soulier-Syndrom oder die Glanzmann- Thrombasthenie oder sekundär bedingt durch Leberzirrhose oder höhergradige Niereninsuffizienz. Dem gegenüber stehen die Medikamenten-induzierten Thrombozytopathien durch Antikoagulantien, Thrombozytenfunktionshemmer, NSAR, trizyklische Antidepressiva und SSRI, spezielle Antihistamine, Furosemid und Nitrofurantoin. „Eine Beeinträchtigung der Thrombopoese kann durch Medikamente, welche das Knochenmark schädigen können, wie zum Beispiel zytoreduktive Chemotherapeutika, Metamizol oder Immunsuppressiva wie Azathioprin hervorgerufen werden“, ergänzt Gleixner. Die häufigste Medikamenten-induzierte Immunthrombozytopenie ist die Heparin-induzierteThrombozytopenie. Petechien an Haut und Schleimhäuten stellen das Leitsymptom für die idiopathische thrombozytopenische Purpura, auch Morbus Werlhof oder Immunthrombozytopenie genannt, dar. Bei gleichzeitiger Einnahme von zum Beispiel Thrombozytenfunktionshemmern kann es trotz ausreichender Thrombozytenzahl zu petechialen Blutungen kommen. Mangels spezifischer Diagnosemöglichkeiten wird diese Autoimmunerkankung meist als Ausschlussdiagnose gestellt; vor allem im Kindesalter kommt es immer wieder zu Spontanremissionen.
 
Differentialdiagnose

Aus internistischer Sicht rät Gleixner zur Differentialdiagnostik ein komplettes Blutbild einschließlich eines händischen Differentialblutbildes zu erstellen. „Bei einer Immunthrombozytopenie findet sich nur eine Thrombopenie, bei akuten Leukämien in 90 Prozent der Fälle mindestens eine Bizytopenie und gegebenenfalls eine Leukozytose durch die Überproduktion von Blasten. Bei der aplastischen Anämie hingegen oder bei toxischen Knochenmarksschäden kommt es zur Panzytopenie.“

Auch eine weitere labordiagnostische Abklärung ist unbedingt erforderlich: die Bestimmung der plasmatischen Gerinnung einschließlich Fibrinogen und D-Dimer gibt Auskunft über Verbrauchskoagulopathien, während die Entzündungsparameter eine Sepsis oder Vaskulitis zu Tage fördern können. Die Leberwerte geben Auskunft über eine Hepatopathie als Ursache der Thrombopenie beziehungsweise eine koexistierende Gerinnungsstörung. Der Hämoglobinwert und die Thrombozytenanzahl im Verlauf geben Auskunft über die Dynamik der Erkrankung und eventuell weitere Blutungsquellen. Gleixner: „Bei Verdacht auf ITP sollten auch die Thrombozyten-Antikörper und die retikulierten Thrombozyten bestimmt werden.“

Petechien

Petechien sind kleinste, charakteristische, punkt- bis stecknadelkopfgroße Blutungen der Haut, Schleimhaut oder Organe, die sich nicht wegdrücken lassen. Überschreitet das hämorrhagische Areal einen Durchmesser von einem Zentimeter spricht man von Ekchymosen. Grundsätzlich können Petechien überall am Körper auftreten. Lokalisation, Form und Größe können bereits erste Hinweise auf eine mögliche Ursache geben. Druckschmerzhaftigkeit im Areal der Petechien kann ein Hinweis auf einen inflammatorischen Prozess sein.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2016