kurz & informativ: Medizinische Kurzmeldungen

15.08.2016 | Medizin


Durch antiretrovirale Therapie: Übertragung fast Null

Durch antiretrovirale Therapie wird das Risiko einer HIV-Übertragung von einem infizierten auf einen HIV-negativen Partner durch ungeschützten Geschlechtsverkehr fast auf Null gesenkt. Das zeigt die bisher größte Untersuchung mit fast 900 Paaren an 75 europäischen Aids-Zentren. Österreichische Co-Autoren waren Univ. Prof. Armin Rieger von der Universitäts-Hautklinik am Wiener AKH und Univ. Prof. Robert Zangerle von der Universitäts-Hautklinik in Innsbruck. Im Untersuchungszeitraum von durchschnittlich 1,3 Jahren pro Paar wurde keine einzige HIV-Übertragung durch Geschlechtsverkehr dokumentiert. Die untersuchten HIV-Infizierten nahmen regelmäßig antiretrovirale Medikamente; die Virus-Konzentration musste unter 200 Partikel pro Milliliter Blut betragen. Die HIV-negativen Partner wurden regelmäßig auf eine eventuelle Infektion untersucht; in Fragebögen wurde das Sexualleben abgefragt. Insgesamt kam es den Angaben zufolge zu rund 58.000 ungeschützten Sexualkontakten. Mehrere Beobachtungsstudien zuvor zeigten ein ähnliches Ergebnis. Ob ungeschützter Sex in solchen Fällen grundsätzlich unbedenklich sei, müssten weitere Untersuchungen klären, so die Forscher.
APA/JAMA

MERS-Patient infizierte 82 Personen

Beim Ausbruch des MERS-Co Virus 2015 in Südkorea hat ein einziger Patient – ein sogenannter „Super-Spreader“ – 82 andere Menschen über eine Notfallstation in einem Spital infiziert. Das hat das Team um Doo Ryeon Chung vom Samsung Medical Center der Sungkyankwan-Medizinuniversität in Seoul bei der Untersuchung von Überwachungs- und Gesundheitsdaten aus dem damals hauptsächlich betroffenen Samsung Medical Center mit knapp 2.000 Betten festgestellt. Patienten, die mit dem „Super Spreader“ im gleichen Bereich der Notfallstation gewesen waren, hatten mit 20 Prozent das größte Infektionsrisiko. Bei kurzem Kontakt in der Notfallaufnahme waren es fünf Prozent, beim Krankenhauspersonal zwei Prozent. Die Forscher führen die Vielzahl der Infektionen vor allem auf die überlaufene Situation in der Notfallabteilung zurück. In Südkorea wurden 2015 während des Ausbruchs innerhalb von zwei Monaten 186 MERS-Fälle registriert. MERS-CoV ist mit einer 30- bis 40-prozentigen Mortalität verbunden. Der Infektionsweg zum Menschen ist noch nicht restlos geklärt. Als Infektionsquelle werden infizierte Dromedare im Nahen Osten angesehen. Dromedare wiederum würden vermutlich durch Fledermäuse infiziert, die ein Reservoir für die Viren darstellen.
APA

Programmierte Salmonellen greifen Krebszellen an

US-Forscher haben in das Erbgut von bestimmten Salmonellen mehrere Gene eingesetzt, die eine Art Apoptose bewirken. So wird auch das Protein AHL produziert. Erreicht die AHL-Konzentration einen bestimmten Grenzwert, löst das Protein die Produktion eines Stoffes aus, das die Zelle auflöst. Im Tierversuch an krebskranken Mäusen zeigte sich, dass die derart programmierten Salmonellen das Wachstum von Darm- und Lebertumoren zwar einschränken, die Tumore aber nicht eliminieren. Die besten Ergebnisse brachte eine Kombination aus drei veränderten Bakterienstämmen, die jeweils einen anderen Wirkstoff produzieren, in Kombination mit einer Chemotherapie. Damit konnte die Lebenserwartung der Mäuse um 50 Prozent erhöht werden. Ob das Konzept auf die klinische Anwendung übertragen werden kann, ist offen. APA/Nature


Adipositas verdoppelt bei Männern das Sterberisiko

Adipositas ist nach Rauchen der zweitgrößte Risikofaktor für vorzeitigen Tod. Durchschnittlich verlieren Übergewichtige ein Jahr ihrer Lebenserwartung, moderat adipöse Menschen sogar drei Jahre. Das haben Wissenschafter um Emanuele Di Angelantonio (Universität Cambridge) und Richard Peto (Universität Oxford) festgestellt. In einer Meta-Analyse von Daten von 3,9 Millionen Menschen haben sie den Einfluss des Körpergewichts auf das Sterberisiko untersucht. Bei Männern mit Adipositas steigt das Sterberisiko stärker als bei betroffenen Frauen. Männer mit Normalgewicht haben unter 70 Jahren ein Sterberisiko von 19 Prozent, Frauen von elf Prozent. Bei moderater Adipositas steigt es bei Männern bereits auf 29,5 Prozent und bei Frauen auf 14,6 Prozent. Die Forscher gehen davon aus, dass Normalgewicht in Europa einen von sieben und in Nordamerika einen von fünf Todesfällen verhindern würde.
APA/The Lancet

AML: Hemmstoffe blockieren Wachstumsgen

Internationale Forscher unter Wiener Beteiligung haben niedermolekulare Verbindungen (small molecules) gefunden, die das Protein BRD9 blockieren und damit das ungehemmte Zellwachstum bei akuter myeloischer Leukämie (AML) stoppen. Das Team um Christopher Vakoc vom Cold Spring Harbor Laboratory in New York (USA) konnte beweisen, dass die Hemmstoffe das Wachstumsgen Myc direkt angreifen. Dafür tauschten sie die mutmaßliche Zielregion der Hemmstoffe bei BRD9 mit einem sehr ähnlichen Abschnitt von einem verwandten Protein aus. Diese chimäre BRD9-Version war gegen die Hemmstoffe immun, was zeigt, dass diese direkt an BRD9 wirken, so die Forscher.
APA/Nature Chemical Biology

Sind Stammzellen kanzerogen?

Stammzellen senden lösliches E-Cadherin aus, das kanzerogen wirken könnte. Wissenschafter um den Univ. Prof. Markus Hengstschläger und Margit Rosner von der Abteilung für Medizinische Genetik der MedUni Wien konnten erstmals zeigen, dass „verschiedene pluripotente Stammzellen, embryonale Stammzellen genauso wie induzierte Stammzellen, mit ‚soluble E-Cadherin‘ ein Protein aussenden, das Veränderungen im umgebenden Gewebe, Neuorganisation von Zellen und Restrukturierungen“ auslösen kann. Das könne bis zur Entartung, Wanderung und Tumorentstehung gehen, was ein Grund sein könnte für bislang unerklärbare Nebenwirkungen von Stammzelltherapien. Die neuen Erkenntnisse könnten auch eine Chance sein, weil sich das ‚lösliche E-Cadherin‘ blockieren lässt, was Therapien sicherer machen könnte.
APA/Stem Cells


Statine können Krebssterblichkeit reduzieren

Die Krebssterblichkeit kann durch die Einnahme von Statinen verringert werden. Das hat eine große Beobachtungsstudie von Paul Carter von der Aston Medical School in Birmingham mit fast 930.000 Patienten ergeben. Untersucht wurde der mögliche Zusammenhang zwischen einem hohen Cholesterinspiegel und den häufigsten Krebserkrankungen wie Lungen-, Mamma-, Prostata- und kolorektalen Karzinomen. Diagnostizierte erhöhte Cholesterinspiegel waren mit einem um 22 Prozent geringeren Lungenkrebs-Sterberisiko verbunden. Beim Mammakarzinom war die Sterblichkeit um 43 Prozent niedriger, beim Prostatakarzinom um 47 Prozent und beim Kolonkarzinom um 30 Prozent. Carter vermutet, dass Statine diesen Effekt produzieren. „Unsere Forschungen deuten darauf hin, dass irgendetwas rund um die Diagnose erhöhter Blutfettwerte die Überlegenswahrscheinlichkeit in Sachen Krebs erhöht.“ Der Zusammenhang sollte laut den Forschern in einer großen Studie untersucht werden.
APA

Fracking erhöht Asthma-Risiko

In der Nähe von Fracking-Anlagen ist das Risiko für Asthma-Anfälle bis zu viermal höher als unter normalen Umständen. Das ergab die Auswertung von Daten zu 35.000 Asthma-Patienten, die zwischen 2005 und 2012 in Pennsylvania gesammelt wurden. Die Wissenschafter um Sara Rasmussen von der Abteilung für Umweltgesundheit der Bloomberg-Schule an der Johns Hopkins Universität erfassten den Wohnort der Patienten sowie Lage, Größe und Ausmaß der nahegelegenen Erdgasförderung und verglichen die Daten mit Asthma-Patienten, die im selben Jahr keine Asthma-Anfälle hatten. Auch die Berücksichtigung von anderen Faktoren, die Asthma auslösen können – etwa die Nähe zu stark befahrenen Straßen, familiäre Veranlagung oder Rauchen – hat kein anderes Ergebnis gebracht. Die Forscher zeigen sich „besorgt über die zunehmende Zahl von Studien, die gesundheitliche Auswirkungen von Fracking beobachten“. Nun müssten die genauen Ursachen ermittelt werden.
APA/JAMA Internal Medicine

Asthma: Protein als mögliche Ursache

Das Protein „Adam33“ könnte Atemwegsveränderungen und damit Asthma verursachen. Das hat der an der University of Southampton (Großbritannien) tätige österreichische Forscher Hans Michael Haitchi herausgefunden. „Adam33“ (a disintegrin and metalloprotease domain-33) ist normalerweise an Muskelzellen in den Atemwegen befestigt. Löst er sich, kann er in die Lunge wandern und Atemwegsveränderungen verursachen. Bisher ist man dabei von einer Folge der Entzündung ausgegangen. Die aktuelle Studie beweist aber, dass erst die Atemwegsveränderungen durch das abgewanderte „Adam33“ allergische Entzündungsreaktionen und spastische Reaktionen der Atemwege begünstigen. Haitchi ist überzeugt, Asthma verhindern zu können – entweder durch die Blockade von abgewandertem „Adam33“ oder indem man überhaupt verhindert, dass es sich in Bewegung setzt.
APA/Journal of Clinical Investigation Insight

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2016