Mastopathie: Physiologisch oder pathologisch?

15.08.2016 | Medizin

Die Prävalenz für eine Mastopathie zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr beträgt rund 50 Prozent. Die Übergänge von der physiologischen Läppchendegeneration zu mastopathischen Veränderungen mit und ohne Krankheitswert sind fließend und nehmen bis zur Menopause zu.
Von Irene Mlekusch

Das Mammaparenchym unterliegt sowohl im Zyklus als auch in den verschiedenen Lebensabschnitten hormonellen Einflüssen. Bereits ab dem 35. Lebensjahr kommt es physiologisch zu einer zystischen Läppchendegeneration, die grundsätzlich nicht als Mastopathie zu werten ist. Die Übergänge zu mastopathischen Veränderungen ohne und mit Krankheitswert, wie eine Proliferation des duktalen und lobulären Epithels, Fibrosierung des Zwischengewebes und Zystenbildung, sind fließend und nehmen bis zur Menopause zu. Somit ist die Mastopathie eine der häufigsten Brustdrüsenveränderungen mit einem Häufigkeitsgipfel zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr.

In dieser Altersgruppe wird in der Literatur von einer Prävalenz von etwa 50 Prozent ausgegangen, wobei sich einerseits ein prämenopausaler Gipfel und andererseits ein postmenopausaler Rückgang der mastopathischen Veränderungen zeigt. „Die Prävalenz ist in der Literatur abhängig von der Altersgruppe unterschiedlich angegeben. Dabei treten die Veränderungen zwar eher im gebärfähigen Alter auf, können aber grundsätzlich in jedem Alter entstehen“, erklärt Priv. Doz. Vesna Bjelic-Radisic von der Brustambulanz an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Medizinischen Universität Graz.

Pathogenetisch geht man derzeit von einer hormonellen Dysregulation mit Hyperöstrogenismus aus. Weitere Hormone, die Einfluss auf das Mammaparenchym und dessen bindegewebige Komponenten haben, sind neben Östrogen und Progesteron auch Androgene, Prolaktin, SHBG und Schilddrüsenhormone. „Obwohl diese Erkrankung oft diagnostiziert wird, ist es bis jetzt unklar, warum manche Frauen diese Veränderungen entwickeln und manche nicht“, gibt Bjelic-Radisic zu bedenken. Ebenso seien die Symptome unterschiedlich: von gar nicht vorhanden bis hin zu ausgeprägten Schmerzen und rezidivierenden Entzündungen.

Hauptsymptome

Die Hauptsymptome der Mastopathie sind mehr oder weniger stark ausgeprägte tastbare Veränderungen in der Brust, die als diffuse Verhärtungen wie Stränge und Knötchen oder auch als größere Knoten viele der Betroffenen beunruhigen. „Die oft prämenstrual zunehmenden Symptome wie Zystenbildung, Brustdrüsenverdichtungen und Knotenbildung können die gesamte Brust oder nur ein Segment der Brust umfassen“, sagt Bjelic-Radisic. Bei jeder zehnten Frau findet sich zusätzlich eine zyklusabhängige Mastodynie, die mit Spannungsgefühl, Größenzunahme und Empfindlichkeit der Brust sowie mit Schmerzen, welche bis in die Axilla und den Arm ausstrahlen können, einhergeht. Univ. Prof. Paul Sevelda von der Gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung des Krankenhaus Hietzing in Wien sieht in der Mastopathie an sich keine behandlungswürdige Erkrankung. Treten aber Schmerzen auf, werden die fibrozystischen Veränderungen klinisch relevant. Im Rahmen der mastopathischen Veränderungen kann es in seltenen Fällen auch zu einer Mamillensekretion kommen, die in jedem Fall einer weiteren Abklärung bedarf.

Um eine Abgrenzung und Differentialdiagnose zu Präkanzerosen und malignen Läsionen vornehmen zu können, hat eine Abklärung bei jedem klinischen Verdacht auf Mastopathie zu erfolgen. Bjelic-Radisic dazu: „In der klinischen Praxis wird die Diagnose anhand von typischen Symptomen, klinischer und bildgebender Untersuchung gestellt.“ Vor allem in der Anamnese sucht Bjelic-Radisic nach Risikofaktoren und Symptomen für ein Mammakarzinom in der Eigen- und Familienanamnese; abhängig davon werden in der Folge weitere Untersuchungen wie Sonographie, Mammographie und MR-Mammographie veranlasst. Für Sevelda stellt die Mastopathie zuerst eine Verdachtsdiagnose dar, die sich zwar radiologisch untermauern, aber eigentlich erst histologisch bestätigen lässt. „In vielen Fällen sind die Veränderungen typisch für das klinische Bild einer Mastopathie und die Diagnose muss nicht immer mit einer Biopsie bestätigt werden. Die Biopsie ist zum Ausschluss einer bösartigen Erkrankung beziehungsweise einer Präkanzerose indiziert“, so Bjelic-Radisic.

Dass die fibrozystischen Veränderungen der Brust nicht grundsätzlich als Krankheit zu werten sind, zeigten Studien, in denen bei bis zu 90 Prozent der Frauen in den entsprechenden Altersgruppen mastopathische Veränderungen festgestellt werden konnten. Aus diagnostischen und prognostischen Gründen setzte sich die Klassifikation nach Prechtel in drei Mastopathiegrade durch. Etwa 70 bis 75 Prozent der mastopathischen Veränderungen sind diesen Kriterien entsprechend der nichtproliferierenden Mastopathie, auch als fibrozystische Mastopathie oder Mastopathie Grad I bezeichnet, zuzuordnen. Weitere 20 bis 25 Prozent der Veränderungen zählen zur proliferierenden Mastopathie ohne Zellatypien als Mastopathie Grad II. In diesem Stadium können sich begleitend zur Mastopathie intraduktale Papillome und disseminierte Papillomatosen ebenso finden wie eine sklerosierende Adenose, eine radiäre Narbe oder lobuläre Hyperplasie. Bei rund fünf Prozent liegt eine proliferierende Mastopathie mit Zellatypien oder Mastopathie Grad III vor. In diesem Stadium ist die Differenzierung zwischen atypisch duktaler (ADH) und atypisch lobulärer Epithelhyperplasie (ALH) relevant, da die ADH mit einem etwas höheren Entartungsrisiko als die ALH einhergeht.

Beide Experten sehen in den häufigen fibrozystischen mastopathischen Veränderungen kein erhöhtes Risiko in Bezug auf ein Mammakarzinom. „Sonderfälle stellen die proliferativen Brusterkrankungen wie die einfache und atypische Hyperplasie und die Adenose dar, die oft bei Frauen mit Mastopathie diagnostiziert werden,“ merkt Bjelic-Radisic an und macht auf das 1,5- bis zweifach erhöhte Mammakarzinomrisiko bei epithelialer Hyperplasie und Adenose, sowie das vier- bis fünffach erhöhte Risiko bei der atypischen Form aufmerksam. „Diese Veränderungen sind noch immer gutartig, gehören aber nicht mehr zum klassischen Bild einer Mastopathie und sind mit einem höheren Risiko an Mammakarzinom zu erkranken assoziiert“, erklärt Bjelic-Radisic.

Mastopathie bei Diabetes mellitus

Eine Sonderform der Mastopathie findet sich bei Frauen und Männern mit langbestehendem Diabetes mellitus Typ I, seltener bei Typ II. Im Rahmen der diabetischen Mastopathie treten knotige, nicht schmerzhafte Veränderungen an der Brust auf, entweder einzeln, multifokal oder bilateral. „Histologisch handelt es sich um entzündliche Veränderungen der Ducti, Lobuli mit Lymphozytenanreicherung, begleitet von einer Vaskulitis und unterschiedlich stark ausgeprägter Fibrose“, beschreibt Bjelic-Radisic die zwar seltenen, aber differentialdiagnostisch durchaus wertvollen Veränderungen bei Diabetikern. Die Notwendigkeit für eine chirurgische Therapie sieht Bjelic-Radisic nicht: „Im Gegenteil: Eine chirurgische Intervention kann zur Exacerbation der Erkrankung nach Exzision führen.“ Somit ist die Therapie ähnlich Symptom-orientiert wie bei einer nicht-diabetischen Mastopathie.

Nach der Abklärung stellt die Beratung und Aufklärung der Betroffenen einen wesentlichen therapeutischen Schritt dar. Zur symptomatischen Behandlung der begleitenden Mastodynie empfiehlt Sevelda physikalische Maßnahmen wie Wärmeapplikation. Auch die lokale Applikation von Gestagen-haltigen Gelen kann zur Schmerzlinderung führen. „Beim Vorliegen von Zysten, die schmerzhaft sind, kann eine Punktion zur Entlastung durchgeführt werden“, weiß Bjelic-Radisic und rät bei einer weiterhin vorhandenen Füllung der Zyste zu einer histologischen Abklärung. Reicht die Einnahme von Tamoxifen zur Schmerzreduktion nicht aus, kann eine orale hormonelle Behandlung erwogen werden. Bjelic-Radisic verdeutlicht, dass eine einheitliche Empfehlung in Bezug auf Kontrollen und Behandlung bei Mastopathie kaum möglich ist und von den Symptomen sowie den erhobenen Befunden abhängt.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2016