Europäischer Kardiologenkongress (ESC) 2016: ein Überblick

25.09.2016 | Medizin


Rund 30.000 Experten aus aller Welt haben von 27. bis 31. August 2016 am Kongress der European Society of Cardiology (ESC) in Rom teilgenommen. Zu neun Themenschwerpunkten wurden hunderte Studien präsentiert.

Bewegung halbiert Herz-Kreislauf-Mortalität

Moderate körperliche Aktivität reduziert bei Menschen über 65 Jahren die Herz-Kreislauf-Mortalität um mehr als 50 Prozent, die Risken eines akuten Ereignisses um mehr als 30 Prozent. Das zeigen Daten der finnischen National FINRISK Study mit fast 2.500 Teilnehmern und einer Laufzeit über zwölf Jahren bis zum Jahr 2014. Es wurden Fragebögen über körperliche Aktivitäten und anderes Gesundheits-bezogenes Verhalten sowie klinische Daten (Blutdruck, Gewicht und Körpergröße) und Laborwerte einschließlich Cholesterin erhoben. Dazu Riitta Antikainen von der University Oulu: „Der Schutzeffekt durch körperliche Freizeitaktivitäten ist dosisabhängig, mit anderen Worten: je mehr man macht, desto besser.“

Moderater Alkoholkonsum schützt nicht

Niedriger bis moderater Alkoholkonsum hat keine positive Wirkung auf die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit. Zu diesem Ergebnis kommen eine mehr als 20 Jahre laufende dänische Studie mit fast 19.000 Krankenschwestern („The danish nurses‘ cohort study“) sowie eine Studie aus Israel und den USA. In der CASCADE-Studie wurde die Wirkung von moderatem Alkoholkonsum auf das Fortschreiten der Carotis-Atherosklerose bei Patienten mit gut kontrolliertem Diabetes mellitus Typ 2 untersucht. Drei Probandengruppen erhielten über zwei Jahre hindurch entweder täglich 150 Milliliter Mineralwasser, Weißwein oder Rotwein. Zu Studienbeginn und nach zwei Jahren wurden das Gesamt-Plaque-Volumen der Carotis und das Gefäßwandvolumen mittels 3D-Ultraschall gemessen. Die durchschnittlichen Werte veränderten sich in der Gesamtgruppe nicht signifikant.

Myokardinfarkt: nur ein Entzündungsmarker für Prognose

Die Bestimmung von nur einem systemischen Entzündungsmarker – C-reaktives Protein (CRP), Leukozyten-Konzentration oder Fibrinogen – reicht aus, um die Herzmuskel-Schädigung und damit die  Prognose von Patienten nach einem akuten Herzinfarkt (STEMI) abzuschätzen. Das ergab eine Studie mit 111 konsekutiven Patienten mit STEMI von Forschern um Univ. Prof. Martin Reindl von der Universitätsklinik für Innere Medizin III in Innsbruck. Für die Bestimmung der Herzmuskel-Schädigung wurde innerhalb einer Woche sowie vier Monate nach Infarkt ein MRT des Herzens durchgeführt. Ergebnis: Die Wertigkeit der einzelnen Entzündungsmarker ist äquivalent; eine Kombination der Entzündungsmarker mit dem kardialen Troponin T führte zu keiner signifikanten Steigerung der prognostischen Vorhersage. Reindl dazu: „Ist eine serielle Bestimmung des hochsensitiven Troponin T möglich, kann auf die Analyse der systemischen Entzündungsmarker verzichtet werden.“

Nach Herz-OP: Risikomarker hypoxische Hepatitis

Die Entwicklung einer Schockleber ist bei Patienten mit extrakorporaler Membranoxygenierung (ECMO) nach einer Herzoperation ein starker Prädiktor für das 30-Tages- und Langzeit-Überleben. Das fanden Wiener Forscher um Priv. Doz. Klaus Distelmaier und Priv. Doz. Georg Goliasch heraus. Sie untersuchten 240 Patienten, die nach einer Herzoperation eine extrakorporale Membranoxygenierung erhielten. Bei 35 Patienten (15 Prozent) wurde eine Schockleber identifiziert. In einer mittleren Beobachtungszeit von 37 Monaten verstarben 156 der Patienten (65 Prozent). Die Entwicklung einer hypoxischen Hepatitis war unabhängig von vorbestehenden Lebererkrankungen. Fazit der Studie: Da die Bestimmung der Leberenzyme kostengünstig ist, hat das Screening nach einer Schockleber hohes Potential, im klinischen Alltag unmittelbar Anwendung zu finden.

Männer mit niedrigem Testosteron: höheres Diabetes-Risiko

Männer mit niedrigen Testosteron-Spiegeln haben ein höheres Risiko, an Diabetes mellitus zu erkranken. Das ist das Ergebnis einer Studie vom Universitären Herz-Zentrum Hamburg und dem Nationalen Institut für Gesundheit und Wohlfahrt in Helsinki. Dafür wurden die Testosteron-Werte von 3.810 Männern und 3.896 Frauen erhoben. Nach einer Beobachtungszeit von rund 13,8 Jahren waren 7,8 Prozent der Untersuchten an Diabetes mellitus erkrankt. Die Testosteronwerte der Männer lagen zu Studienbeginn bei 17,12 nmol/L; bei den späteren Diabetes-Patienten waren sie mit 15,61 nmol/L deutlich niedriger. Bei Frauen gab es keinen signifikanten Unterschied.

BMI: kein Einfluss auf Cholesterin-Wert

Ein hoher Body-Mass-Index (BMI) hat keinen Einfluss auf das LDL-Cholesterin – das ergab die internationale DYSIS-Studie (Dyslipidemia International Study), für die mehr als 50.000 Patienten in 30 Ländern untersucht wurden. Die Autoren analysierten u.a. den Zusammenhang zwischen BMI, LDL- sowie HDL-Cholesterin und Triglyceriden. Eine Schlussfolgerung von Körpergewicht oder BMI auf Cholesterin ist demnach nicht möglich. Der Einfluss auf HDL-Cholesterin und Triglyceride sei zwar statistisch signifikant; aber bei zwei bis drei Prozent in der Realität eher gering.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2016