COPD: Therapie – Mit oder ohne Kortikosteroide?

25.09.2016 | Medizin

Mit oder ohne Kortikosteroide?

COPD-Patienten profitieren deutlich von einer LAMA/LABA-Kombinationstherapie. Noch ist nicht geklärt, wer darüber hinaus zusätzlich inhalative Kortikosteroide erhalten soll.
Von Marlene Weinzierl

Auf die Frage nach absoluten Zahlen zur Prävalenz der COPD gibt es keine generelle Antwort“, erklärt Univ. Prof. Horst Olschewski von der Abteilung für Pulmonologie der Medizinischen Universität Graz. Laut einem Bericht des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger aus dem Jahr 2012 liegt die Prävalenz in Österreich je nach Untersuchungsmethode und Definitionskriterien zwischen 22 und 48 Prozent.

Vor dem 40. Lebensjahr kommt die Erkrankung kaum vor, ab 55 Jahren hingegen ist ein steiler Anstieg der Inzidenz zu beobachten. „Man kann also davon ausgehen, dass die Zahl der Betroffenen auch in Österreich im Steigen begriffen ist“, meint Priv. Doz. Bernd Lamprecht von der Klinik für Lungenheilkunde am Kepler Universitätsklinikum in Linz. Laut dem Experten liegt die Dunkelziffer bei über 80 Prozent, bei den schweren Stadien (Grad III und IV) bei 50 Prozent. Gründe dafür sind, dass die – oft Nikotin-abhängigen Betroffenen – Arztbesuche vermeiden ebenso wie unzureichende oder falsch durchgeführte Begutachtungen.

Olschewski nennt einen weiteren Grund für die hohe Zahl an Betroffenen: „Bei vielen wird lange Zeit keine genaue Diagnose gestellt.“ Ob die Symptome auf COPD oder eine andere (Atemwegs-)Erkrankung hinweisen, kann oft nicht eindeutig geklärt werden. Häufig kommt es dann zunächst zu anderen Diagnosen wie zum Beispiel vorbestehendes Asthma, eine exogene allergische Alveolitis oder Lungenfibrose. „Nicht selten“ verursacht auch eine Herzinsuffizienz ähnliche Beschwerden wie eine COPD. Lamprecht ergänzt: „Bei jungen Erwachsenen, die Symptome einer schwergradigen COPD zeigen, kann ein erblicher Alpha-1-Antitrypsinmangel die Ursache für die Beschwerden sein.“

Voraussetzung: kumulative Exposition

Da für die Entwicklung einer COPD eine kumulative Schadstoff-Exposition(Tabakrauch, Holzrauch, Staub, Gase, Dämpfe) über einen längeren Zeitraum erforderlich ist, kommt es selten zur Manifestation der Erkrankung vor dem 40. Lebensjahr. Unter Umständen – durch frühzeitigen Tabakkonsum oder gehäuftes Auftreten von kindlichen Infekten – ist es jedoch durchaus möglich, dass bereits ein 30-Jähriger erste Symptome einer COPD zeigt. Weswegen Lamprecht eine starre Altersgrenze für falsch hält. Und weiter: „Ich würde eine COPD vor dem 40. Lebensjahr nicht von vornherein ausschließen.“ Die erste Untersuchung bei Verdacht auf eine COPD ist die Spirometrie; sie stellt derzeit die „wichtigste diagnostische Maßnahme“ dar. Und obwohl es in den Richtlinien vorgesehen ist, wird die Spirometrie im Rahmen der Diagnostik einer COPD zu selten durchgeführt. Demnach hat rund ein Drittel der Österreicher, die sagen, an COPD zu leiden, noch nie einen Lungenfunktionstest absolviert.

„Typisches Merkmal einer COPD ist die Flusslimitierung durch verengte Bronchien. Ist der Befund in dieser Hinsicht auffällig und lässt sich der Verdacht durch eine gezielte Anamnese mit Identifikation von Risikofaktoren erhärten, ist eine Zuweisung an den Pneumologen angezeigt“, erklärt Lamprecht. Weitere diagnostische Maßnahmen sind Bodyplethysmographie, Lungenröntgen sowie Blutgasanalyse. Die moderne bildgebende Diagnostik gewinnt bei COPD immer mehr an Bedeutung. Lamprecht dazu: „Die Computertomographie und in Zukunft wahrscheinlich auch verstärkt die Magnetresonanztomographie machen es möglich, den Anteil der Bronchitis-Komponente und jenen des Lungenemphysems genauer zu quantifizieren, um eine optimale Therapieentscheidung treffen zu können.“

Zu den inhalativen Substanzen, die derzeit bei der Standardtherapie der stabilen COPD eingesetzt werden, zählen die lang wirksamen Anticholinergika (LAMA) und die lang wirksamen Betasympathomimetika (LABA). „Die größten Erfolge sehen wir derzeit bei der Kombinationstherapie der beiden“, erklärt Lamprecht. Dabei finden sich LAMA und LABA zusammen in einem Inhalator. Nach der Anwendung kommt es zur maximalen Bronchodilatation; die Beschwerdesymptomatik – allen voran Dyspnoe – wird reduziert, die Lungenfunktion sowie die Lebensqualität insgesamt nachweislich verbessert. Laut dem Experten zeigen weitere Daten, dass die Kombination von LAMA und LABA auch in der Lage ist, die prognostisch gefürchteten COPD-Exazerbationen zu reduzieren. Der große Erfolg dieser Kombinationstherapie in Österreich sei auch darauf zurückzuführen, dass „trotz verstärkter positiver Effekte es nicht vermehrt zu Nebenwirkungen kommt“, unterstreicht Olschewski.

Die zweite Säule der medikamentösen Therapie bilden antiinflammatorische Präparate, die vor allem bei häufigen Exazerbationen eingesetzt werden. Dazu zählen hauptsächlich inhalatives Kortikosteroid (ICS) sowie das oral verabreichte Roflumilast. „Dieses verursacht im Vergleich zu inhalativen Medikamenten allerdings deutlich mehr Nebenwirkungen“, gibt Olschewski zu bedenken.

Die Wahl der Therapie

„Welche Therapiekombination gewählt wird, hängt im Wesentlichen vom Stadium der Erkrankung, von der Symptomatik des Patienten, vom Risiko für Exazerbationen und ein wenig auch von Biomarkern ab“, erklärt Lamprecht. Aktuell wird intensiv über Eosinophile als Biomarker diskutiert – und zwar deshalb, weil man sich bei Eosinophilie am ehesten einen Benefit von einer Kortison-Therapie erwartet. „Weiters lässt sich dadurch auch feststellen, ob die Erkrankung auch Charakteristika von Asthma beinhaltet, das sehr häufig mit einer Eosinophilie einhergeht“, führt Lamprecht weiter aus. Der Biomarker ist somit auch ein möglicher Baustein bei der Abgrenzung des Phänotyps „ACOS“. „Patienten mit dem sogenannten Asthma-COPD-Overlap-Syndrom sollten eine andere Behandlung als klassische COPDPatienten erhalten“, wie Lamprecht betont. Diese Patientengruppe profitiere am ehesten von einer Therapie mit einem inhalativen Kortikoid.

Stellenwert der LABA/ICS-Kombination

In den vergangenen Jahren hat es immer wieder Diskussionen über den Stellenwert einer LABA/ICS-Kombinationstherapie gegeben. Lamprecht dazu: „Der Effekt einer LAMA/LABA-Kombinationstherapie ist ausgeprägt und unbestritten. Noch nicht vollständig geklärt ist, welche Patientengruppe zusätzlich auch von einer inhalativen Kortikosteroidtherapie profitiert. „In Österreich gibt es demnach Korrekturbedarf bei der überdurchschnittlichen Versorgung von COPD-Patienten mit inhalativen Kortikosteroiden“, konstatiert Lamprecht – auch wenn bereits ein vorsichtiger Trend zur Reduktion von inhalativen Kortikosteroiden zu erkennen sei.

Bei einer schweren COPD stehen für die Therapie kurz wirksame Anticholinergika (SAMA) und Beta-2-Agonisten (SABA) zur Verfügung, die als reine Bedarfs- und Notfallmedikamente rasche Hilfe gewährleisten sollen. Menschen, die an COPD leiden, empfiehlt Lamprecht darüber hinaus, sich gegen Influenza und Pneumokokken impfen zu lassen, um zusätzliche Komplikationen zu vermeiden. Einen „hohen Stellenwert“ (Lamprecht) hat auch die pneumologische Rehabilitation, die nachweislich die Leistungsfähigkeit verbessern und Symptome der Krankheit reduzieren kann.

Über die Therapietreue der Patienten gibt es „keine zuverlässigen Angaben“, sagt Olschewski. Geht man jedoch von der Zahl der verkauften Medikamente aus, könne man daraus schließen, dass „ein großer Teil der Verordnungen offenbar niemals wiederholt wird und eine fehlende oder nur kurzfristig vorhandene Compliance der Patienten zeigt“.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2016