Gerhart Frankl: Die Freiheit der Berge

10.03.2016 | Horizonte

Wie er seine Phantasien von Bergen und den Alpen auf Papier gezaubert hat, zeichnet den österreichischen Maler Gerhart Frankl aus. Mit seinen Landschaftsdarstellungen und Ansichten von Wien steht er zurzeit im Fokus einer Ausstellung im Belvedere in Wien. Von Marion Huber

Die „Meisterwerke im Fokus“ – eine Ausstellungsreihe des Belvedere Wien – sind diesmal den abwechslungsreichen Arbeiten des österreichischen Malers Gerhart Frankl gewidmet. Spannend ist sein Werk vor allem durch die stilistischen und thematischen Sprünge. Einer seiner künstlerischen Höhepunkte bleibt dabei die immaterielle Darstellung der Alpen in seinen späten Schaffensjahren. Nicht umsonst ist die Entwicklung in seiner Landschaftsdarstellung hin zu formauflösenden Bergphantasien einer der Schwerpunkte der aktuellen Ausstellung im Oberen Belvedere.

„Die eigentliche Undarstellbarkeit der Monumentalität, der Masse, der Erhabenheit und der Weite der Alpen wie auch des Lichts im Gebirge, die die Malerei an ihre Grenzen bringt, löste Frankl durch Enthebung des Gegenständlichen hin zum Formauflösenden, Gestaltlosen, fast Transzendenten“ – so beschreibt die Kuratorin der Ausstellung, Kerstin Jesse, die beeindruckenden Berg- und Alpendarstellungen von Frankl. Mit einer selbst entwickelten Mischtechnik aus Pastell, Gouache und teilweise auch Kohle gelingt es Frankl auf seine ganz eigene Weise, persönliche Erlebnisse in den Bergen auf Papier oder Leinwand zu bannen. In ausgewogenen, hellen Farben, in unterschiedlichen Blau-, Grün- und Brauntönen zaubert er seine Bergphantasien aus den Ost- und Westalpen oder den Dolomiten. Bunt und in ausgeprägten Erdtönen erstrahlt etwa die „Landschaft in Tunis“ (1923). Ungefähr zwei Drittel seiner Werke malt Frankl auf Papier.

Die Ansichten der Alpen und landschaftliche Motive finden sich schon sehr früh im Schaffen von Frankl und kehren über sein gesamtes Werk immer wieder. Das Entfliehen vom Alltag, die Unbefangenheit und das damit verbundene Freiheitsgefühl – alles Gründe und Eindrücke, die die Berge für Frankl zu einem Ort der Sehnsucht und des Rückzugs machen. Naheliegend, dass es eine seiner Leidenschaften ist, in die Berge wandern und Bergsteigen zu gehen oder mit dem Motorrad kurvige Bergstraßen zu befahren.

Frühe Schaffensjahre

In seinen frühen Schaffensjahren unternimmt Frankl auch zahlreiche Studienreisen, die ihn nach Nordafrika, Frankreich, Italien, Holland und Deutschland führen. Für ihn ist das eine Gelegenheit, sein malerisches Talent an der Natur sowie an den Vorbildern der Alten Meister in den Museen weiterzuentwickeln. Es sind in erster Linie die Werke von Paul Cézanne, die sein weiteres Schaffen nachhaltig beeinflussen. Neben Cézanne zählen aber auch keine Geringeren als die Alten Meister wie Tizian oder Rubens zu seinen großen Vorbildern. So abwechslungsreich sein Schaffen ist, ist es auch von expressionistischen und kubistischen Elementen sowie durch abstrakte und naturgetreue Studien geprägt.

Aufgrund seiner jüdischen Wurzeln flieht Frankl mit seiner Ehefrau im Juli 1938 nach London. Als sie 1947 nach Wien zurückkehren, finden sie im Unteren Belvedere ein Zuhause. Weil Frankl auch in der dort ansässigen Restaurierwerkstatt tätig wird, entwickelt sich eine sehr enge Beziehung zum Belvedere: Das Haus wird nicht nur sein wichtigster Bezugspunkt, sondern auch eine Inspiration für sein Schaffen. So ist es nicht verwunderlich, dass genau zu dieser Zeit seine Belvedere-Serie entsteht. Die Werkserie aus den Jahren 1947 bis 1949 zeigt Frankls Auseinandersetzung mit dem barocken Areal rund um die beiden Schlösser und dem Blick über Wien. In den sechs Leinwänden und mehr als 40 Studien, Zeichnungen und Aquarellen herrschen der Blick über Wien und skulpturale Motive vor. Auch kubistisch-konstruktivistische Elemente prägen die Serie und erreichen im Gemälde „Wien III“ einen Höhepunkt. Natürlich finden auch diese Arbeiten Platz in der aktuellen Ausstellung.

Weil Frankl keine dauerhafte Anstellung in Wien findet, wandert das Ehepaar im Jänner 1949 erneut nach England aus. Frankl bekommt schließlich 1950 die englische Staatsbürgerschaft. Die österreichische legt er aber nicht zurück, weil er mit dem Gedanken spielt, irgendwann nach Wien zurückzukehren. Seine letzte Werkgruppe 1964/65 ist der Bildzyklus „In Memoriam“: Realistisch, dramatisch und bedrückend verarbeitet er darin die Gräuel der nationalsozialistischen Konzentrationslager, in denen auch seine Eltern ums Leben gekommen sind.

Der Wunsch von Frankl, endgültig nach Wien zurückzukommen, erfüllt sich nur bedingt: Als er im Juni 1965 zu Verhandlungen über eine Professur an der Akademie der bildenden Künste nach Wien eingeladen wird, verstirbt er hier unerwartet an einem Herzinfarkt. Mit der Ausstellung „Meisterwerke im Fokus“ kehrt Gerhart Frankl nun mit seinem Werk zurück nach Wien.

Meisterwerke im Fokus

Seit 2009 organisiert das Belvedere die Ausstellungsserie „Meisterwerke im Fokus“. Zwei Mal im Jahr werden spezielle Aspekte der österreichischen Kunstgeschichte in den Vordergrund gerückt; dabei sind es thematische Schwerpunkte, einzelne Künstlerpersönlichkeiten oder herausragende Meisterwerke aus der Sammlung, auf die der Fokus gerichtet wird. Die nächste Ausstellung dieser Reihe wird ab 11. Mai 2016 dem Künstler der Wiener Secession Max Kurzweil gewidmet sein; ab 1. November folgt die Malerin Tina Blau.

„Gerhart Frankl – Rastlos“

Bis 3. April 2016
Oberes Belvedere

Prinz Eugen-Straße 27,
1030 Wien
www.belvedere.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2016