Standpunkt – Vize-Präs. Karl Forstner: Realitätsverlust

10.02.2015 | Standpunkt

© AEK für Salzburg

Wechselbäder sollen ja der Gesundheit zuträglich sein. Nicht ganz so sicher bin ich mir, dass die rasch wechselnden ökonomischen Perspektiven für unser Gesundheitssystem von Vorteil sind. Verkündete doch vor kurzem der damalige Hauptverbands-Chef und jetzige Finanzminister Schelling die Sanierung der Sozialversicherung, erfahren wir jetzt von neuen zu erwartenden Defiziten.

Ein wenig drängt sich hier schon der Verdacht auf, dass die durch Sondereffekte erreichte „Sanierung“ der Kassen doch nur ein plakativer Beitrag zum Nachweis der Wirksamkeit der Gesundheitsreform war. Die jetzige Verlustwarnung der Kassen soll nun offensichtlich Partner und Bevölkerung auf „dürre“ Jahre vorbereiten. Solche Botschaften waren noch nie gut, aber jetzt bedeuten sie echte Gefahr für unser Gesundheitssystem.

Angesichts der bereits heute bestehenden Probleme bei der Besetzung von Kassenplanstellen und der nicht weg diskutierbaren demographischen Entwicklung der österreichischen Ärzteschaft zeichnet sich im kommenden Jahrzehnt auch für den extramuralen Bereich eine fatale Entwicklung ab. Und so wird die Sozialversicherung ebenfalls zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich auch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte an den Bedingungen des Arbeitsmarktes orientieren und sich danach entscheiden. Überbordende Bürokratie, Zeitdruck, häufige Bereitschaftsdienste, einengende Honorarkataloge, Inkompatibilität von privaten und familiären Aufgaben mit beruflichen Anforderungen und nicht zuletzt auch die fehlende Einkommensentwicklung nach Marktbedingungen sind wesentliche Faktoren für mangelhafte Attraktivität für die Niederlassung.

Und eines zeigt der „Aufstand“ der Spitalsärzte ganz klar: Die Ärztinnen und Ärzte sind sich der internationalen und nationalen Marktlage bewusst und handeln auch danach. Es ist also höchste Zeit, dass sich die Kassen auch mit diesen Entwicklungen auseinandersetzen und endlich aktiv werden.

Es ist schon richtig, dass die Lage der öffentlichen Haushalte angespannt ist, aber ein Gesundheitssystem ohne Ärzte ist auch schlecht vorstellbar. Wie sehr die Sozialversicherung die Situation verkennt, erschließt sich aus einem jüngst veröffentlichen Rechnungshofbericht. Darin wird nämlich aufgezeigt, dass insbesondere bei bundesweiten Trägern knapp vier Milliarden Euro als Rücklagen „geparkt“ sind. Die Sinnhaftigkeit dieser Sparstrumpfmentalität ist auch für den Rechnungshof nicht ersichtlich.

Noch unverständlicher ist diese Tatsache jedoch angesichts der jetzt unaufschiebbaren Maßnahmen zur Sicherung unseres Gesundheitssystems.

Karl Forstner
1. Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2015