Stand­punkt – Vize-Präs. Johan­nes Stein­hart: Der Wunderwuzzi-Arzt

15.07.2015 | Standpunkt

© Zeitler

Immer­hin: Nach zwei Jah­ren war es auch den Ver­ant­wort­li­chen im Haupt­ver­band klar, dass beim Ein­la­dungs­sys­tem für das Brust­krebs­früh­erken­nungs-Pro­gramm Opti­mie­rungs­be­darf besteht. Die dra­ma­ti­schen Fre­quenz­ein­brü­che bei den Teil­neh­mer­zah­len waren ein mehr als kla­rer Beweis dafür, wel­chen Stel­len­wert die Emp­feh­lung des Haus­arz­tes und Gynä­ko­lo­gen hat, der das Ver­trauen der Pati­en­tin­nen genießt.

Rund zwei Jahre sind wir mitt­ler­weile auch mit dem Haupt­ver­band in Gesprä­chen bezüg­lich drin­gend not­wen­di­ger Adap­tie­run­gen bei der Vor­sor­ge­un­ter­su­chung: Ein Call- und Recall-Sys­tem, E‑Learning sowie Pläne zur Eva­lu­ie­rung der Daten lie­gen zur Umset­zung bereit – doch es tut sich nichts. Müh­sam ist in die­sem Zusam­men­hang nur ein Hilfs­aus­druck, der beschreibt, wie zäh hier der Moder­ni­sie­rungs­pro­zess vor­an­schrei­tet. Dass sich das Hono­rar auf dem Stand von 1995 befin­det, ist nahezu unglaub­lich – aber lei­der wahr.

Und doch gibt es Bewe­gung im Sys­tem: Alle Kraft vor­aus für ein PHC-Gesetz – die­ses Motto könnte man hin­ter den Anstren­gun­gen, die hier von allen Sei­ten bei der Umset­zung unter­nom­men wer­den, ver­mu­ten. Dabei gibt es bereits gute gesamt­ver­trag­li­che Lösun­gen und gestar­tete Pilot­pro­jekte. Wozu also ein Gesetz? Etwa um die Gesamt­ver­träge auszuhebeln?

Etwas Ande­res kann ich mir aller­dings sehr gut vor­stel­len: einen adäqua­ten Finan­zie­rungs­schub im nie­der­ge­las­se­nen Bereich. Geld für ein zeit­ge­mä­ßes Hono­rie­rungs­sys­tem für nie­der­ge­las­sene All­ge­mein­me­di­zi­ner und Fach­ärzte; Geld, um die schon jetzt vor­han­de­nen und bes­tens funk­tio­nie­ren­den vir­tu­el­len und tat­säch­li­chen Netz­werke und Grup­pen­pra­xen zu för­dern und aus­zu­bauen. Geld, um end­lich die Lehr­pra­xen auf eine solide finan­zi­elle Basis zu stel­len. Und natür­lich auch Maß­nah­men, die den Ärz­tin­nen und Ärz­ten wie­der Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten in ihrem Beruf bie­ten und sie nicht noch wei­ter mit Büro­kra­tie und Kon­troll­maß­nah­men behindern.

Aber nein, die Gesund­heits­pla­ner in die­sem Staat haben ande­res vor: Gegen den Wil­len aller Betei­lig­ten – Ärzte wie Pati­en­ten – sol­len völ­lig neue Ver­sor­gungs­ein­hei­ten aus dem Boden gestampft wer­den. Und das, obwohl die Men­schen in Umfra­gen beto­nen, wie wich­tig ihnen die per­sön­li­che, wohn­ort­nahe Betreu­ung des Haus­arz­tes ist. Selbst der Haupt­ver­bands­chef hat kürz­lich beim 4. Tag der All­ge­mein­me­di­zin die Gesprächs­me­di­zin als außer­or­dent­lich wich­tig bezeich­net. Warum geschieht hier dann nichts?

Dar­auf zu hof­fen, dass die Ärz­tin­nen und Ärzte, wenn sie in PHCs tätig sind, die Wun­der­wuz­zis der Nation sind, ist blau­äu­gig. PHCs sind keine flä­chen­de­ckende Lösung für sys­tem­im­ma­nente Pro­bleme. Die nach­hal­tige Stär­kung unse­rer nie­der­ge­las­se­nen Ärzte sehr wohl!

Johan­nes Stein­hart
3. Vize-Prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärztekammer

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 13–14 /​15.07.2015