Stand­punkt – Vize-Präs. Harald Mayer: Wenn Ärzte managen

10.06.2015 | Standpunkt

© Zeitler

Jedes Unter­neh­men, das an der Spitze einen Mana­ger mit ent­spre­chen­der Exper­tise hat, wird kaum jemals die­sen Ent­schluss in Frage stel­len. Ver­ei­nen sich auf diese Weise in kon­ge­nia­ler Weise doch zwei Dinge: Fach­wis­sen und Managementwissen.

Anders in der Medi­zin. Hier hat man sich vor etli­chen Jah­ren dazu ent­schlos­sen, an der Spitze von Kran­ken­häu­sern die kol­le­giale Füh­rung zu eta­blie­ren – nicht ahnend, wel­che Fol­gen das nach sich zie­hen sollte. War die­ses Kon­zept von der grund­sätz­li­chen Über­le­gung her anfangs noch für viele bestechend, hat sich die­ses Trio aus Medi­zin, Pflege und Öko­no­mie mitt­ler­weile selbst ad absur­dum geführt. Der öko­no­mi­sche Spar­druck in Gesund­heits­we­sen und Staat hat dazu geführt, dass Ent­schei­dun­gen zuneh­mend aus wirt­schaft­li­chen Über­le­gun­gen getrof­fen wer­den. Und wenn Betriebs­wirte die Ober­hand gewin­nen, gerät die Medi­zin zwangs­läu­fig ins Hintertreffen.

Wenn Ärzte füh­ren und die Letzt­ent­schei­dung in Kran­ken­häu­sern tref­fen, ste­hen andere Kri­te­rien im Vor­der­grund: Dann geht es um das Wohl des Pati­en­ten. Ärzte ver­ste­hen auf­grund ihres Fach­wis­sens viele Pro­zesse bes­ser und kön­nen somit auch die Fol­gen einer weit­rei­chen­den Ent­schei­dung nicht nur im ein­zel­nen Krank­heits­fall, son­dern auch für die Orga­ni­sa­tion „Kran­ken­haus“ ins­ge­samt bes­ser abschät­zen. Das ist einem Nicht-Medi­zi­ner nicht mög­lich. Natur­ge­mäß ist auch die Gesprächs­ba­sis eine ganz andere: Ein Arzt muss einem ande­ren Arzt in einer Füh­rungs­po­si­tion nicht erst lange erklä­ren, worum es geht. Da Öko­no­men zwangs­läu­fig der medi­zi­ni­sche Aspekt bei der Ent­schei­dungs­fin­dung fehlt, sind deren Ent­schei­dun­gen von ande­ren Kri­te­rien dominiert.

Dass Ärzte in Kran­ken­häu­sern die bes­se­ren Mana­ger sind, konnte mitt­ler­weile auch in Stu­dien nach­ge­wie­sen wer­den. So hat etwa eine McK­in­sey-Stu­die erge­ben, dass rein ärzt­li­che Füh­rung die Qua­li­tät der Ver­sor­gung erhöht und auch eine höhere Pati­en­ten­zu­frie­den­heit mit sich bringt – noch dazu mit bes­se­ren wirt­schaft­li­chen Ergebnissen.

Cli­ni­cal Lea­der­ship ist nicht nur in Öster­reich, son­dern auch inter­na­tio­nal ein Thema. So haben die drei größ­ten euro­päi­schen Spi­tals­ärz­te­or­ga­ni­sa­tio­nen, die rund eine Mil­lion Spi­tals­ärzte ver­tre­ten, bei ihrer Tagung Anfang Mai in Wien eine Reso­lu­tion zu die­sem Thema ver­ab­schie­det. Darin wird u.a. die For­de­rung erho­ben, dass Ärzte die Füh­rungs­rolle in Kran­ken­häu­sern ein­neh­men sollen.

Spe­zi­ell bei Füh­rungs­kräf­ten an der Spitze eines Spi­tals ist die Exper­tise unver­zicht­bar. Denn gerade die Kom­bi­na­tion von ärzt­li­chem Wis­sen mit Manage­ment macht es aus. Das ist es, wor­auf es ankommt. Des­we­gen müs­sen in Zukunft auch wie­der mehr Ärzte als Füh­rungs­kräfte an die Spitze von Krankenhäusern.

Harald Mayer
2. Vize-Prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärztekammer

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 11 /​10.06.2015