Schul­ärzte: Ver­ein­heit­li­chung gefordert

10.06.2015 | Politik

Das der­zei­tige Schul­arzt­we­sen stand im Mit­tel­punkt des 3. Schul­ge­sund­heits­dia­logs von ÖÄK und der Platt­form Eltern­ge­sund­heit. Die gemein­same For­de­rung: ein ein­heit­li­ches Schul­arzt­we­sen.
Von Alex­an­dra Schlömmer

Als größte Her­aus­for­de­run­gen im der­zei­ti­gen Schul­arzt­we­sen wur­den bei der Ver­an­stal­tung Ende Mai in Wien vor allem die Unter­schiede genannt, die sich aus der Tat­sa­che der diver­sen Schul-Erhal­ter erge­ben. Wäh­rend die Schü­ler in den Bun­des­schu­len in der Regel gut ver­sorgt sind, muss sich die schul­ärzt­li­che Tätig­keit im Pflicht­schul­be­reich meist mit der rein schul­ärzt­li­chen Unter­su­chung ein­mal im Jahr begnü­gen. Auch die Kom­mu­ni­ka­tion zwi­schen Eltern und Schul­ärz­ten ist ent­wick­lungs­be­dürf­tig. „Wir brau­chen eine engere Koope­ra­tion aller Betei­lig­ten. Denn die Basis für den Lern­erfolg der Kin­der ist ihre kör­per­li­che, see­li­sche und soziale Gesund­heit“, betont die Schul­ärzte-Refe­ren­tin der ÖÄK, Gud­run Weber. Ihre For­de­rung: Schul­ärzte soll­ten bes­ser als bis­her in Prä­ven­ti­ons­pro­gramme ein­ge­bun­den wer­den. Dazu wäre es aber nötig, das Schul­ärz­te­we­sen bun­des­weit zu ver­ein­heit­li­chen und bei­spiels­weise unter­schied­li­che Rege­lun­gen zu Schul-Imp­fun­gen auf­zu­he­ben. Im Pflicht­schul­be­reich sind die Anwe­sen­heits­zei­ten von Schul­ärz­ten je nach Schul-Erhal­ter in den jewei­li­gen Bun­des­län­dern sehr unter­schied­lich gere­gelt; in den höhe­ren Schu­len des Bun­des dage­gen ziem­lich ein­heit­lich mit einer Arbeits­stunde je 60 Schü­ler pro Woche. Die Chance, im prä­ven­ti­ven Bereich tätig zu wer­den, wird nicht genutzt. So wer­den etwa die zahl­rei­chen Res­sour­cen von Schul­ärz­ten wegen unter­schied­li­cher Rege­lun­gen und Kom­pe­ten­zen nicht abge­ru­fen, obwohl sie sehr hilf­reich sein könn­ten, kri­ti­siert Weber. Auch sam­meln Schul­ärzte schon seit Jah­ren Daten – ohne dass bis­lang eine Aus­wer­tung erfolgte. Weber dazu: „Eine anony­mi­sierte Aus­wer­tung könnte eine große Hilfe bei der Erstel­lung pas­sen­der Prä­ven­ti­ons­pro­gramme für Adi­po­si­tas, Dia­be­tes und Blut­hoch­druck sein. Seit Jah­ren doku­men­tie­ren wir für die Schublade.“

Daten könn­ten hilf­reich sein

Dabei könn­ten diese Daten enorm hilf­reich sein: etwa bei der Ent­wick­lung von Pro­gram­men zur Prä­ven­tion von Lebens­sti­l­er­kran­kun­gen, von denen immer mehr Schü­ler betrof­fen sind wie zum Bei­spiel Adi­po­si­tas, Dia­be­tes oder Blut­hoch­druck. Die For­de­rung nach der Aus­wer­tung der Daten unter­stützt auch die Vor­sit­zende der Platt­form Eltern­ge­sund­heit, Eli­sa­beth Rosen­ber­ger – vor­aus­ge­setzt, dass diese anony­mi­siert und nicht im Kon­nex mit Schü­ler­stamm-Daten gespei­chert und wei­ter­ge­ge­ben werden.

Für die Prä­si­den­tin der Gesell­schaft der Schul­ärz­tin­nen und Schul­ärzte Öster­reichs (GSÖ), Judith Gla­zer, ist der Aus­tausch zwi­schen Eltern und Schul­ärz­ten außer­or­dent­lich wich­tig. So kön­nen Schul­ärzte spe­zi­ell bei akut oder chro­nisch erkrank­ten Kin­dern ein Bin­de­glied zwi­schen Eltern und Schule dar­stel­len. Gleich­zei­tig soll­ten Schul­ärzte aber auch stär­ker zur Früh­erken­nung und Prä­ven­tion von Krank­hei­ten ein­ge­setzt wer­den, wie dies etwa bei der aktu­el­len Kam­pa­gne der Gesell­schaft der Schul­ärz­tin­nen und Schul­ärzte Öster­reichs „Mie­ses Bauch­ge­fühl?“ erfolgt, bei der es um Darm­er­kran­kun­gen gehe.

Ein For­schungs­pro­jekt des Lud­wig Boltz­mann Insti­tuts Health Pro­mo­tion Rese­arch, das im Jahr 2014 durch­ge­führt wurde, befasste sich mit der Abstim­mung und Zusam­men­ar­beit der der­zei­ti­gen Unter­stüt­zungs­sys­teme in, für und um die öster­rei­chi­schen Schu­len. Dar­un­ter ver­steht man Schul­psy­cho­lo­gie, Schü­ler- und Bil­dungs­be­ra­tung, Bera­tungs-/Be­treu­ungs­leh­rer/­Psy­ch­ago­gen, Schul­ärzte, Sozi­al­ar­beit und Jugend­coa­ching. Im Rah­men des Pro­jekts wur­den ins­ge­samt 26 Inter­views mit Exper­ten aus den Minis­te­rien und Län­dern geführt. Fazit: Die Ver­tre­ter der Unter­stüt­zungs­sys­teme wün­schen sich vor allem die medi­zi­ni­sche (Weiter-)Versorgung von Schü­lern mit chro­ni­schen Erkran­kun­gen oder auch nach einem sta­tio­nä­ren Aufenthalt.

Die Wün­sche der Eltern an den Schul­arzt fasste die Vor­sit­zende der Platt­form Eltern­ge­sund­heit, Eve­line Brem, zusam­men. Der Wunsch der Eltern: Der Schul­arzt solle der kom­pe­tente Part­ner und Bera­ter für die Gesund­heit der Kin­der sein. Oft wüss­ten die Eltern jedoch nicht über deren Auf­ga­ben und Kom­pe­ten­zen Bescheid. Die Schul­ärzte wie­derum fin­den sich oft in einem Span­nungs­feld zwi­schen ihrem eigent­li­chen Auf­ga­ben­be­reich und den Eltern, wenn sie ein Kind mit gesund­heit­li­chen Pro­ble­men vor sich haben. „Wenn etwas nicht okay ist, und die Eltern das als kom­pro­mit­tie­rend emp­fin­den, ist das schwie­rig“, weiß Weber aus Erfah­rung. Man­che Eltern möch­ten nicht, dass ihr Kind von einem frem­den Arzt unter­sucht wird – sie möch­ten gerne den Arzt ihres Ver­trau­ens für ihr Kind selbst aus­wäh­len. Manch­mal man­gelt es ein­fach auch nur an Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mög­lich­kei­ten und der Erreich­bar­keit. Laut Weber hänge es auch sehr stark von der Bereit­schaft der Schul­lei­tung ab, inwie­fern über die Tätig­keit der Schul­ärzte infor­miert wird, ob sie zu Eltern­aben­den, Klas­sen­fo­ren und Hel­fer­kon­fe­ren­zen ein­ge­la­den wer­den oder etwa einen spe­zi­el­len Inter­net­auf­tritt auf der Home­page der Schule haben. Weber sieht hier „vor allem die Schu­len gefor­dert, ent­spre­chende Res­sour­cen zur Ver­fü­gung zu stel­len und Schul­ärzte stär­ker in diverse Gesund­heits­för­de­rungs­pro­gramme einzubinden“.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 11 /​10.06.2015