Pilot­pro­jekt Lehr­pra­xis Vor­arl­berg: Viel Begeis­te­rung und Engagement

10.11.2015 | Politik

Eine erste interne Eva­lu­ie­rung des Lehr­pra­xis­pro­jekts in Vor­arl­berg zeigt höchste Zufrie­den­heit bei Lehr­prak­ti­kan­ten und Lehr­pra­xis­in­ha­bern. Ver­bes­se­run­gen for­dert der Bre­gen­zer All­ge­mein­me­di­zi­ner und VGAM-Prä­si­dent Tho­mas Jung­blut bei den der­zeit strik­ten Rege­lun­gen für die Aus­wahl auf bei­den Sei­ten.Von Agnes M. Mühlgassner

Beim ers­ten Zusam­men­tref­fen aller Lehr­pra­xis-Inha­ber und aller Lehr­prak­ti­kan­ten war viel Begeis­te­rung und gro­ßes Enga­ge­ment aller zu sehen“, berich­tet Tho­mas Jung­blut, der eine Ordi­na­tion für All­ge­mein­me­di­zin in Bre­genz betreibt und schon seit 2007 immer wie­der Lehr­prak­ti­kan­ten aus­bil­det. Die­ses erfreu­li­che Resü­mee hat für Jung­blut inso­fern eine beson­ders große Bedeu­tung, da er sich noch genau an die Schwie­rig­kei­ten und Wider­stände, mit denen man vor dem Start die­ses Pilot­pro­jekts zu kämp­fen hatte, erin­nern kann. Spe­zi­ell von Sei­ten der Lan­des­re­gie­rung hätte er oft und oft zu hören bekom­men, dass es dafür kein Geld gebe – und ohne­hin eine För­de­rung des Minis­te­ri­ums exis­tiere. Jedoch waren die För­der­töpfe für die Lehr­pra­xis immer schon lange vor Jah­res­ende aus­ge­schöpft. 2013 war allen Betei­lig­ten klar: So kann es nicht weitergehen.

In der Folge hät­ten dann einige Fak­to­ren dazu bei­getra­gen, dass es mit dem Pilot­pro­jekt rascher vor­wärts ging als ursprüng­lich ange­nom­men. So erklärte der zustän­dige Lan­des­rat Chris­tian Bern­hard, dass man ein Lehr­pra­xis-Pro­jekt brau­che. Im Land­tag wie­derum stell­ten die Grü­nen einen Antrag: „Sicher­stel­lung der haus­arzt­ba­sie­ren­den medi­zi­ni­schen Pri­mär­ver­sor­gung – Ver­län­ge­rung und Finan­zie­rung von Lehr­pra­xen“ für die Ein­füh­rung von Lehr­pra­xen, um die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung im Land zu ver­bes­sern. Und last but not least machte auch vor Vor­arl­berg eine Ent­wick­lung nicht Halt, die mitt­ler­weile schon ganz Öster­reich erfasst hat: Stel­len im nie­der­ge­las­se­nen Bereich konn­ten nicht mehr nach­be­setzt wer­den. „All das zusam­men hat schließ­lich zu einem Umden­ken geführt“, sagt Jungblut.

Rasche Eini­gung

Wieso man die Ver­ein­ba­rung zwi­schen Bund, Land, GKK und Ärz­te­kam­mer zusam­men­ge­bracht hat? Chris­tian Bern­hard sei hin­ter dem Pro­jekt gestan­den und auch die GKK habe sich „über­zeu­gen las­sen“, weiß Jung­blut. Die Vor­arl­ber­ger Kran­ken­haus­be­triebs­ge­sell­schaft (KHBG) hätte man rasch ins Boot holen kön­nen ebenso wie die VGAM (Vor­arl­ber­ger Gesell­schaft für All­ge­mein­me­di­zin), deren Prä­si­dent Jung­blut ist. „Auf aus­drück­li­chen Wunsch der Ärz­te­kam­mer haben wir dann auch die fach­li­che Beglei­tung des Pro­jekts über­nom­men“. Start für das Pilot­pro­jekt war im Som­mer 2014: Man einigte sich auf eine gemein­same Finan­zie­rung der Lehr­pra­xis für zwei­mal sechs Monate und drei­mal zwölf Monate. Ins­ge­samt wer­den die Kos­ten mit rund 270.000 Euro ver­an­schlagt. Den größ­ten Anteil über­nimmt Vor­arl­berg mit 100.000 Euro (37 Pro­zent). 80.000 Euro kom­men vom Bund (30 Pro­zent); je 45.000 Euro (16,5 Pro­zent) kom­men aus dem Reform­pool der Gesamt­ver­gü­tung der Vor­arl­ber­ger GKK sowie von den Lehr­pra­xis­in­ha­bern. Als „hef­tig“ beschreibt Jung­blut die dama­lige Dis­kus­sion über die tat­säch­li­che Dauer der Lehr­pra­xis. Vor allem das Minis­te­rium hätte sich hier als Brem­ser erwie­sen, wäh­rend hin­ge­gen VGAM und auch die Ver­tre­ter der Ärz­te­kam­mer sich „vehe­men­test“ für eine „min­des­tens“ zwölf­mo­na­tige Lehr­pra­xis aus­ge­spro­chen hät­ten. Begrün­dung: die Kom­ple­xi­tät der Allgemeinmedizin.

Mit einer Son­der­bei­lage im „Arzt im Ländle“ im August 2014 wur­den allen Inter­es­sier­ten infor­miert. Wobei: Mit den Richt­li­nien für die Aus­wahl in die Lehr­pra­xis hat man wohl etwas übers Ziel geschos­sen. Jung­blut bezeich­net sie als „aus­ge­prägt über­re­gu­liert“. Die Lehr­prak­ti­kan­ten, die sich dar­auf­hin gemel­det hat­ten, wur­den vom Kran­ken­haus dem jewei­li­gen Lehr­pra­xis-Inha­ber zuge­teilt – ein ers­ter Kri­tik­punkt von Tho­mas Jung­blut: „Nor­ma­ler­weise sucht sich ein Prak­ti­kant sei­nen Leh­rer aus“. Diese strikte Zutei­lung etwa hätte es auch mit sich gebracht, dass eine Paa­rung über­haupt nicht har­mo­nierte – und des­we­gen auch vor­zei­tig auf­ge­löst wurde.

Jedoch gibt es auch auf Sei­ten der Lehr­pra­xis­in­ha­ber strenge Selek­ti­ons­kri­te­rien. „Zu strenge“, wie Jung­blut sagt. Eines der Kri­te­rien lau­tet: Man müsse über­durch­schnitt­lich spar­sam ein. In den Augen des VGAM-Prä­si­den­ten ist dies einer der Haupt­kri­tik­punkte an dem Pro­jekt: „Der Schwer­punkt in der Lehr­pra­xis muss auf einer guten Ver­mitt­lung der Lehr­in­halte lie­gen. Die Öko­no­mie ist wich­tig, aber sekun­där.“ Auch sei es schwie­rig gewe­sen, All­ge­mein­me­di­zi­ner für die­ses Pro­jekt zu gewin­nen. Warum? „Viele, die gut gehende Pra­xen haben, woll­ten sich die­sen über­trie­be­nen For­ma­lis­mus nicht antun“. Die For­de­rung von Jung­blut: Die Regu­la­rien müs­sen ver­ein­facht werden.

Und auch mit der Mär, dass sich Lehr­pra­xis­in­ha­ber viel Arbeit durch Lehr­prak­ti­kan­ten erspa­ren, räumt er auf. „Die Unter­richts­zeit bleibt immer gleich: am Anfang bei der Ver­mitt­lung der ein­fa­chen Dinge, spä­ter eben­so­viel für die kom­ple­xen Dinge.“

Wäh­rend also die interne Eva­lua­tion schon ange­lau­fen ist, lässt die externe durch das Minis­te­rium noch auf sich war­ten. Und noch in einem ande­ren Bereich ist man wie­der einen Schritt vor­aus: Die Semi­nare für Lehr­pra­xis­lei­ter sind im Anlaufen.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 21 /​10.11.2015