PHC: Kein Ersatz für den Hausarzt

10.06.2015 | Politik


Die medizinische Versorgung durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte kann nicht durch PHCs ersetzt werden. Anstelle der vielfach beschworenen Stärkung der Niedergelassenen werden sie mit immer neuen bürokratischen Schikanen konfrontiert – Stichwort Mystery Shopping und Ausweiskontrollen.
Von Agnes M. Mühlgassner

In den Augen von Johannes Steinhart sind Hausärzte „die Heroes unserer Zeit“. Diese Versorgung sei durch Zentren „nicht ersetzbar“, ergänzt der Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der ÖÄK. Wie man sich auch ganz generell fragen müsse, „wie sinnvoll solche Organisationsformen wie PHCs sind“. Daher wurde auch in Wien ein auf fünf Jahre begrenztes Pilotprojekt gestartet. Es könne aber nicht sein, daß man so wie im Regierungsprogramm nur über PHC spricht, den Hausarzt aber „vergisst“. Denn hier konnte ja nur „mühsam“ und nur nach Interventionen erreicht werden, dass der Begriff Hausarzt darin auch tatsächlich vorkommt. Steinhart weiter: „Der Hausarzt wird von der derzeitigen Gesundheitspolitik als Begrifflichkeit ignoriert – um nicht zu sagen: man versucht, ihn auszulöschen.“ Entscheidend sei im niedergelassenen Bereich, dass es hier insgesamt zu einer stärkeren Vernetzung komme – Beispiele sind hier Styriamed.net oder das im Aufbau begriffene pannoniamed.net. PHCs könnten seiner Auffassung nach immer nur in Ergänzung zum klassischen Hausarzt und nie als Ersatz gesehen werden. „Es muss auch weiterhin Einzelordinationen geben für all diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die das wollen.“ Zwar zeigt der Bundeskurienobmann Verständnis dafür, wenn junge Ärztinnen und Ärzte sich eine Tätigkeit in einem PHC vorstellen können und diese auch anstreben. Allerdings müsse der Arzt selbst in der PHC-Struktur gestärkt werden. „Die Letztverantwortung hat immer der Arzt.“ Die von Seiten der Politik andauernd beschworene Stärkung des Hausarztes bemerkt der Kurienobmann nicht. Im Gegenteil: „Die Hausärzte werden mit immer neuen bürokratischen Schikanen konfrontiert – Stichwort Mystery Shopping und verpflichtende Ausweiskontrolle bei der E-Card.“ (Details siehe Kasten). Und weiter: „Man soll aus diesen Heroes der Versorgung im niedergelassenen Bereich nicht Zeroes machen, sie nicht in der Bedeutungslosigkeit versinken lassen.“

Einen Shift ortet der Bundeskurienobmann auch im fachärztlichen Bereich – bedingt durch die Umsetzung der Novelle des KA-AZG. Die Reduktion von Spitälern, der teilweise nur eingeschränkt vorhandene oder auch gänzlich eingestellte Betrieb von Fachambulanzen führt zu einem verstärkten Patientenzustrom zu niedergelassenen Fachärzten. „Es kann daher nicht zu einer Ausdünnung der fachärztlichen Versorgung im niedergelassenen Bereich kommen“, bekräftigt Steinhart. Dies besonders im Hinblick darauf, dass speziell Fachärzte „innovativ“ in Organisationsformen zusammenarbeiten, die man mehr fördern und zulassen sollte.

Mystery Shopping und Ausweiskontrollen:
Mehrkosten und noch längere Wartezeiten

Rund 36.000 Stunden Mehraufwand sind aufgrund der geplanten Ausweiskontrollen bei E-Cards, die im Zuge der Maßnahmen gegen Sozialmissbrauch vorgesehen sind, zu erwarten.

Ausweiskontrollen im Zweifelsfall – das machen Ärzte auch jetzt schon. Allerdings: Wenn sie nun verpflichtend kommen sollen, wie dies im Zuge der von der Regierung geplanten Maßnahmen gegen Sozialmissbrauch vorgesehen ist und zur Gegenfinanzierung der geplanten Steuerreform beitragen sollen, erfordert dies einen enormen zusätzlichen Zeitaufwand. Wird bei den jährlich rund 130 Millionen E-Card-Kontakten nur bei jeder zehnten Person eine Ausweiskontrolle durchgeführt und diese mit zehn Sekunden veranschlagt, bedeutet das rund 36.000 Stunden Mehraufwand in den Ordinationen – oder umgerechnet 4.500 Arbeitstage mehr im niedergelassenen Bereich.

Ein entschiedenes „Nein“ sagt der Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der ÖÄK, Johannes Steinhart, zu diesen Plänen der Bundesregierung. „Damit ist der Ausweis schon fast wichtiger beim Zugang zum Gesundheitswesen als die E-Card“, entrüstet sich Steinhart, der den Widerstand der Sozialversicherung, die E-Card mit einem Foto zu versehen, nicht nachvollziehen kann.

Kein Verständnis hat Steinhart dafür, dass nun künftig „Mystery Shopper“ in den Ordinationen vermeintlichen Sozialmissbrauch aufdecken sollen. „Das Befremdliche dabei ist: Wir sind gegen Sozialbetrug und hier wird aber einer mit einer gefälschten E-Card und vorgegebenen Symptomen kreiert.“ Der Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte sieht dadurch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient „schwer in Bedrängnis“, denn dadurch „erfolgt eine mutwillige Täuschung der Ärzte“. Die Konsequenzen seien absehbar: noch längere Wartezeiten in den Ordinationen und mehr Kosten durch die Forcierung der „Rechtfertigungsmedizin“, wodurch Zeit und Ressourcen, die oft schon jetzt in nur begrenztem Ausmaß zur Verfügung stehen, weiter eingeschränkt werden. Abgesehen davon: Krankmeldungen werden automatisch von der GKK überprüft. „Wozu also dieser zusätzliche bürokratische Aufwand für Ärzte“, ärgert sich Steinhart.

Dazu kommt: Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser stellte dazu im Mai 2015 in Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der freiheitlichen Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch Jenewein fest: „Nach den laufenden Erhebungen des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger kann die Zahl der Missbrauchsfälle (…) tatsächlich als sehr gering – geringer als vor Einführung der e-card – bezeichnet werden. Die Missbrauchsfälle stellen keine erhebliche Belastung der Krankenversicherungsträger dar und haben für die Finanzlage der Versicherungsträger keine reale Bedeutung.“

Siehe dazu auch den Beitrag „Steuerreform oder nur, Tarifreform?“.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2015