PHC: „Konzept zerstört Einzelarzt“

10.10.2015 | Politik

Heftige Kritik am geplanten Konzept für Primary Health Care übte Erwin Rasinger, Gesundheitssprecher der ÖVP, kürzlich vor Journalisten. Er sieht dadurch die wohnortnahe Versorgung und Einzelärzte akut gefährdet.
Von Marion Huber

Das ist der zweite schwere Fehler der Gesundheitsministerin nach Mystery Shopping“, kritisierte Erwin Rasinger, Gesundheitssprecher der ÖVP, vor Journalisten das Vorpreschen von Sabine Oberhauser in Sachen Primary Health Care. Vor der Präsentation des Konzepts im Sommer sei mit ihm, Rasinger, „keine Zeile“ verhandelt worden. Und auch die Ärztekammer fühle sich seiner Ansicht nach zu Recht „in die Ecke gestellt“.

„Ich habe nichts gegen freiwillige Modelle“, betonte Rasinger; das neue PHC-Konzept sei aber ein „reines Machtpapier zulasten der Ärzte“. Geplant sei ein loser Gesamtvertrag, der – so das Konzept – „nur mehr die Grundzüge“ regelt. Der Einzelvertrag zwischen Sozialversicherung und den Betreibern der Primärversorgungseinheit dagegen wird demnach „wesentlich wichtiger“. Rasinger dazu: „Alle Macht soll in den Einzelverträgen liegen, von denen jeder einzelne anders ausgestaltet sein kann. Der Arzt wird somit der meist ökonomischen Sichtweise der Kassen völlig ausgeliefert. Das geht so nicht.“

Dem vorliegenden Konzept zufolge soll die Planung der Stellen in Primärversorgungseinheiten im Regionalen Strukturplan Gesundheit (RSG) und nicht im Stellenplan erfolgen; der Beschluss ergeht durch die Landeszielsteuerungskommission. Auch sollen die Arztstellen in PHCEinheiten auf die bestehende Stellenplanung angerechnet werden. Damit ist die Nachbesetzung von Arztordinationen nur mehr schwer möglich.

In erster Linie sorge sich Rasinger auch um den ärztlichen Nachwuchs: „Junge Einzelärzte haben dann keine Chance mehr.“ Er argumentiert vor allem mit dem Aufwand, der mit der Gründung einer Primärversorgungseinheit verbunden ist: das Zusammenfinden des Teams, die Gründung der Einheit als „eigene Rechtspersönlichkeit“, die Klärung von Haftung und Gewinnaufteilung, das Erstellen eines Organisationskonzepts, der finanzielle Aufwand etc. Ein Aufwand, den viele Ärzte – vor allem die jungen – nicht auf sich nehmen könnten, so Rasinger.

Arztketten mit Gewinninteresse

„Damit wird Tür und Tor geöffnet für PHC-Zentren in der Hand von großen Geldgebern, die ein rein wirtschaftliches Gewinninteresse haben – quasi Billa-Arztketten“, erklärte er und fügte hinzu: „Das lehne ich entschieden ab.“ Die „Zentren-Logik“ komme aus England und Finnland, wo das Modell laut Rasinger zu langen Wartezeiten und hohen Kosten geführt habe. In der Schweiz oder Deutschland dagegen, wo die Strukturen viel eher mit Österreich vergleichbar sind, setze man auf den Hausarzt. So wurde in der Schweiz zum Beispiel die Hausarztmedizin 2014 sogar per Volksabstimmung in die Verfassung aufgenommen. Und auch im deutschen Baden-Württemberg etwa hat man den Hausarzt durch ein freiwilliges Modell aufgewertet.

In Österreich dagegen würden Hausärzte „seit 30 Jahren stiefmütterlich behandelt“, kritisierte Rasinger. Ihm fehlt nach wie vor die Aufwertung der Hausärzte insgesamt, wie sie im Regierungsprogramm festgeschrieben ist – Stichworte: bessere Honorare, Hausapotheken-Frage, Leistungskatalog etc. „Dabei sind freiberufliche Hausärzte, sei es in Gruppenpraxen oder Einzelordinationen, das Rückgrat der österreichischen Gesundheitsversorgung.“ Durch PHC-Zentren aber gebe es im städtischen Bereich dann keine wohnortnahe Versorgung in Gehnähe mehr, wo die Patienten immer von demselben, vertrauten Hausarzt behandelt werden. Deshalb werde Rasinger dem Konzept in der vorliegenden Version nicht zustimmen: „Es stärkt nicht den Hausarzt, es zerstört den Einzelarzt.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2015