Kur: Subventionierter Quasi-Urlaub?

10.09.2015 | Politik


Mitten im Sommer hat der Chef des Hauptverbandes, Peter McDonald, eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Kuren und deren Beliebtheit bei den Österreichern ausgelöst.
Von Agnes M. Mühlgassner

In einem Interview mit einem österreichischen Nachrichtenmagazin hatte Hauptverbandschef Peter McDonald die Kur u.a. als „subventionierten Quasi-Urlaub“ bezeichnet. Und weiter: „Wir wollen weg vom alten Kurgedanken der Adelszeit und hin zu stärkerer Gesundheitsvorsorge.“ In der daraufhin aufgeflammten Diskussion rund um die Sinnhaftigkeit der Kuren und deren Beliebtheit bei Frau und Herrn Österreicher wurde McDonald nicht müde zu betonen, dass es ihm nicht um die Abschaffung der Kur, sondern vielmehr um ihre Neuausrichtung gehe, im Zuge dessen die Eigenverantwortung jedes Einzelnen für seine Gesundheit mehr in den Mittelpunkt rücken sollte. Um’s Geld geht es – so nebenbei bemerkt – auch noch. Kostet doch eine Kur – laut McDonald – rund 1.900 Euro. Laut Angaben der Sozialversicherung wurden 2014 insgesamt 121.866 Kuraufenthalte bewilligt; zum Vergleich: 2005 waren es 117.548. Einen Höchststand gab es 2011 mit 135.695 Kuraufenthalten. Insgesamt lag die Zahl der Einweisungen im Jahr 2005 bei 206.497 (Medizinische Rehabilitation, Medizinische Rehabilitation als Gesundheitsvorsorge, Kuraufenthalte sowie Erholungs-, Genesungs- und Landaufenthalte); hier ist eine Steigerung auf insgesamt 270.941 im Jahr 2014 zu verzeichnen. Mehr als verdoppelt hat sich in diesem Zeitraum die Anzahl der medizinischen Rehabilitationen von 41.054 (2005) auf 84.190 (2014). Dies ist vermutlich einerseits auf die Streichung der Invaliditätspensionen bei gleichzeitig obligater Rehabilitation und andererseits auf den – demografisch bedingten – starken Anstieg etwa bei Hüftendoprothesen und Knieprothesen zurückzuführen.

Invaliditätspensionen

Schaut man sich nun die Altersentwicklung bei der Invaliditäts-/Berufsunfähigkeitspension an, zeigt sich folgendes Bild: Das Durchschnittsalter bei der Zuerkennung betrug 1980 bei Männern 58,5 Jahre beziehungsweise 58 Jahre bei Frauen; 2014 lag es bei Männern bei 60,6 Jahren; bei Frauen bei 58,5 Jahren. Während bei den Arbeitern Erkrankungen des Bewegungsapparates mit 29,9 Prozent nur knapp (28,3 Prozent) vor psychiatrischen Erkrankungen rangieren, dominieren diese bei Angestellten ganz klar mit 41,4 Prozent als Ursache für eine Invaliditätspension. Krankheiten des Bewegungsapparates stehen mit 17,7 Prozent an zweiter Stelle. Auf den Plätzen folgen Herz-/Kreislauferkrankungen (12,8 Prozent bei Arbeitern; 9,7 Prozent bei Angestellten), Krebs (zehn beziehungsweise 12,6 Prozent), Krankheiten des Nervensystems (3,9 beziehungsweise 5,8) sowie sonstige Ursachen (15,1 beziehungsweise 12,8 Prozent).

Die Pauschalverdächtigung bei nur wenigen Missbrauchsfällen – das ist es, was ÖÄK-Präsident Artur Wechselberger bei der Diskussion rund um die Kur am meisten stört. Auch, dass die Sozialversicherung „eine Systemdiskussion“ beginne mit dem Ziel, zu sparen, missfällt ihm. „Österreich investiert ohnehin zu wenig Geld in die Prävention. Deswegen ist die Spardiskussion der falsche Ansatz“, so Wechselberger. Prävention sei speziell bei chronischen Erkrankungen, psychischen Beeinträchtigungen, aber auch bei Übergewicht sowie bei Herz-/Kreislaufproblemen notwendig. Seine Forderung lautet daher: „Die Kur muss gestärkt werden.“ So sollte es etwa selbstverständlich sein, dass der Erfolg einer Kur nach einem gewissen Zeitraum – nach einem halben Jahr oder einem Jahr – auch überprüft werde.

Dem Missbrauch könnte die Sozialversicherung selbst einen Riegel vorschieben, betont Wechselberger. Schließlich würden die Kur-Anträge von den Chefärzten der Sozialversicherung geprüft, bevor sie bewilligt werden. Als schweres Versäumnis betrachtet der Kammerpräsident, dass die Sozialversicherungen die Kuren bisher nicht evaluiert hätten.

Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser wiederum ärgert an der Debatte um die Kuraufenthalte, „dass da als Sommerthema eine Schwarze-Schafe-Diskussion aufgezogen wird“, wie sie der Tageszeitung „Standard“ gegenüber erklärte. Irritiert von der durch „Neid und die Privilegiendebatte“ geprägte Diskussion rund um die Kur zeigte sich ÖGB-Präsident Erich Foglar. Dies sei populistisch und nicht zielführend. Es gehe um sinnvolle und nachhaltige Veränderungen, auch im Bewusstsein der Menschen, und zwar in Richtung Verantwortungsförderung. Unbestritten ist für Foglar, dass es die Kur weiter geben soll: „Wir brauchen sie dringend.“

Pilotprojekt der PVA

Unter dem Motto „Gesundheitsvorsorge aktiv“ bietet die PVA seit 1. Jänner 2014 im Rahmen eines Pilotprojektes ein Kurprogramm bei Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates an. Dabei erhalten die Patienten ein therapeutisches Basismodul mit einem erhöhten Anteil an aktiven Therapieformen. Ergänzt wird das Ganze durch ein spezifisches Modul, das jeweils individuell dem Bedarf angepasst ist und einen Schwerpunkt im Bereich Bewegung, Ernährung oder mentale Gesundheit aufweist. Zielgruppe dieses Pilotprojektes sind 30- bis 55-Jährige, die erstmals ein Heilverfahren beantragen. Für 2015 veranschlagt die PVA – sie betreibt in Österreich 18 Gesundheitseinrichtungen – die Ausgaben für Gesundheitsvorsorge und Rehabilitation mit 952,5 Millionen Euro.


Zitiert: Peter McDonald

„Wir wollen ohnehin das Konzept Kur wegbringen vom subventionierten Quasi-Urlaub.“
„Rund um die Jahrhundertwende fuhren vornehmlich Adelige für ein paar Wochen auf Sommerfrische. Später hat die Sozialversicherung dieses Adelsprivileg allen Österreichern ermöglicht.“
„Dieses Konzept der alten Kur ist sicher nicht mehr zeitgemäß.“
„Wir wollen die Kur nicht abschaffen. Wir wollen sie modernisieren, weiterentwickeln.“
„Wir wollen weg vom alten Kurgedanken der Adelszeit und hin zu stärkerer Gesundheitsvorsorge, die Menschen ermöglicht, länger gesund zu leben und zu arbeiten.“
„In der Kur neu sollen die Menschen Handlungsanleitungen für den Alltag mitbekommen. Das halte ich für die Zukunft und nicht eine dreiwöchige Auszeit.“
„In Österreich haben wir eine sehr ausgeprägte Vollkasko-Mentalität. Mit der Gesundheit wird schlechter umgegangen wie mit einem Auto.“


Im Gespräch: Wolfgang Foisner

„Es gibt Verbesserungspotential“

Dass es sich bei der Kur um einen subventionierten Quasi-Urlaub handelt, dagegen verwehrt sich der Referent für Kurärzte in der ÖÄK und ärztlicher Leiter des Kurzentrums Bad Hofgastein, Wolfgang Foisner, im Gespräch mit der ÖÄZ.

ÖÄZ: Ist die Kur tatsächlich ein subventionierter Quasi-Urlaub?
Foisner: Diese Bezeichnung ist unzutreffend, da ein sehr großer Anteil der Patientinnen und Patienten die Kur wirklich notwendig hat und davon auch profitiert. Ich glaube, dass das eine sehr pointierte Aussage ist, die in den Medien viel Aufruhr erzeugt hat und so das Sommerloch etwas gefüllt hat.

Wie viele Kurgäste sehen ihre Kur eher als subventionierten Urlaub oder soziale Kontaktbörse?
Einer von 100.

Ist die Kur in ihrer jetzigen Struktur noch zeitgemäß? Welche Änderungen sind Ihrer Ansicht nach sinnvoll und notwendig?
Die Struktur der Kur ist zeitgemäß, so wie sie in den letzten Jahren adaptiert wurde. Natürlich gäbe es Verbesserungspotential. Das ist einerseits aber eine Frage der Organisation und andererseits hängt das auch von der Investitionsbereitschaft der Sozialversicherungsträger ab, das muss ich leider auch sagen. Mögliche Änderungen, die sehr sinnvoll wären, sind: noch mehr Patientenschulungen mit aktiver und passiver Gestaltung wie etwa Vorträgen, eine noch intensivere Einschulung in die Selbsthilfe bei den Beschwerden, die zur Kur geführt haben und auch Nachbetreuung am Wohn- beziehungsweise Arbeitsort.

Also war das Ganze eher nur ein medialer Wirbel?
Wenn man beginnt, über diese Änderungen jetzt zumindest zu diskutieren, dann war die ganze Sache nicht umsonst.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2015