Kom­men­tar – Dr. Lukas Stär­ker: Repu­blik Öster­reich: 100-Jahre-Ser­vice notwendig

25.03.2015 | Politik

Finanz­skan­dal, Hypo Bank-Desas­ter, Mil­lio­nen-Ver­luste bei Ter­min-Opti­ons­ge­schäf­ten, Kon­troll­ver­sa­gen – das sind nur einige der Ereig­nisse in letz­ter Zeit, die die Erfolgs­ge­schichte der Repu­blik Öster­reich trü­ben. Diese Vor­fälle zei­gen gleich­zei­tig mas­sive Defi­zite in diver­sen Struk­tu­ren, Geset­zen und Abläu­fen auf. Um Der­ar­ti­ges abzu­stel­len und Öster­reich gleich­zei­tig fit für die Zukunft zu machen, ist ein „Ser­vice“ unse­rer Repu­blik erforderlich.Von Lukas Stärker*

„Repu­bliks­mo­tor“ stottert

Seit gerau­mer Zeit bekom­men wir über die Medien frei Haus gelie­fert, was in unse­rem Land so alles nicht recht funk­tio­niert. Städte ver­spe­ku­lie­ren sich, Bun­des­län­der ver­schul­den sich, der Bund über­nimmt eine Bank zu nächt­li­cher Stunde – agiert jah­re­lang nicht – von staat­li­chen Kon­troll­in­stan­zen hört man eben­falls nichts und wir Steu­er­zah­ler müs­sen dann dafür bezah­len. Die dafür ver­ant­wort­li­chen Poli­ti­ker kom­men unge­scho­ren davon bezie­hungs­weise wer­den von Rich­tern auch noch frei­ge­spro­chen, da sie nicht ver­stan­den haben, was pro­ble­ma­tisch ist, wenn man etwa Orts­ta­feln ver­setzt – was würde wohl pas­sie­ren, wenn das ein ein­fa­cher Staats­bür­ger macht? Oder wenn jemand pri­vat agie­ren würde wie ein Bür­ger­meis­ter, der frei­mü­tig ein­ge­steht, das, was er unter­schrie­ben und wozu er sich ver­pflich­tet hat, ent­we­der nicht gele­sen oder nicht ver­stan­den zu haben? Was würde uns die Bank wohl nach der Unter­schrift unter ein im Nach­hin­ein ver­lust­rei­ches Ter­min-Opti­ons­ge­schäft sagen, wenn wir den ein­ge­tre­te­nen Ver­lust nicht tra­gen wol­len? Der­ar­tige Urteile kon­di­tio­nie­ren wohl ein­deu­tig in die fal­sche Richtung.

Glei­cher­ma­ßen sind auch ver­häng­nis­volle ein­stim­mige Land­tags­be­schlüsse zu Las­ten der Steu­er­zah­ler offen­bar unge­straft mög­lich. „Wir beken­nen uns zur Hypo Alpe Adria Bank und sind des­halb auch bereit, die Haf­tung für die­ses Unter­neh­men wei­ter­hin von Sei­ten des Lan­des zu über­neh­men,“ heißt es wort­wört­lich auf Seite 87 im Pro­to­koll der Sit­zung des Kärnt­ner Land­ta­ges vom 22. April 2004 (nach­zu­le­sen unter http://www.ktn.gv.at/7552_DE-29._Prot‑2._LTG_22.4.2004). Die Ant­wort der Steu­er­zah­ler dar­auf kann wohl nur sein: Dann sol­len sich die, die das beschlos­sen haben, ihrer Ver­ant­wor­tung stel­len und daran hal­ten. Warum gilt das plötz­lich nicht mehr? Inter­es­sant wäre es auch, zu erfah­ren, wel­che der Poli­ti­ker, die dies mit­be­schlos­sen haben, heute noch als „Volks­ver­tre­ter“ tätig sind. Oder wo ist die im Zuge des Salz­bur­ger Finanz­skan­dels von der Poli­tik ver­spro­chene öster­reich­weit ein­heit­li­che gesetz­li­che Schul­den­bremse für Bund, Län­der und Gemein­den? Wie kann es sein, dass so ein Thema sang- und klang­los einschläft?

Wie kann es sein, dass eine Gebiets­kör­per­schaft zu Las­ten ande­rer Gebiets­kör­per­schaf­ten oder zu Las­ten von Steu­er­zah­lern Geld aus­gibt und Haf­tun­gen ein­ge­hen kann, ohne dass die Zah­ler dar­auf Ein­fluss neh­men bezie­hungs­weise dies stop­pen können?

Dass bei sol­chen Vor­komm­nis­sen und einem der­art salop­pen Umgang mit Steu­er­gel­dern irgend­wann das Geld knapp wird, ist evident.

Wei­ters fragt man sich nach diver­sen poli­ti­schen Zuru­fen an die Regie­rung: Wer ist die eigent­li­che Regie­rung die­ses Lan­des? Wie ist es mög­lich, dass die Lan­des­po­li­tik via soge­nann­tem „Kon­sul­ta­ti­ons­me­cha­nis­mus“ die Bun­des­ge­setz­ge­bung lahm­le­gen und den Bund so zu Geld­zah­lun­gen zwin­gen kann? Haben wir eigent­lich einen Bun­des­ge­setz­ge­ber oder lau­ter Lan­des­po­li­ti­ker im Parlament?

Wozu brau­chen wir bei­spiels­weise mehr als 30 Dienst­rechte und zehn Kran­ken­an­stal­ten­ge­setze, die sich selbst­ver­ständ­lich in Details unter­schei­den (müs­sen)? Warum sind Abläufe, Regeln und Ver­pflich­tun­gen, die für jeden von uns völ­lig selbst­ver­ständ­lich sind, im poli­ti­schen Bereich obso­let oder wer­den gar geleugnet?

Wer hat das Gesamt­in­ter­esse unse­res Lan­des im Auge? Vor rund 40 Jah­ren hat der dama­lige Bun­des­prä­si­dent Rudolf Kirch­schlä­ger die Tro­cken­le­gung der sau­ren Wie­sen gefor­dert. Was würde er wohl ange­sichts der heu­ti­gen Situa­tion sagen?

Lösung: 100-Jahr-Ser­vice

Als Lösung bie­tet sich ein „gro­ßes Ser­vice“ für unser Öster­reich an. Dabei gilt es, die locker gewor­de­nen Schrau­ben fest­zu­zie­hen, defekte Teile aus­zu­tau­schen und man­ches zeit­ge­mäß neu zu bauen. Als Bezeich­nung für die­ses wirk­li­che Reform­pro­jekt bie­tet sich – knapp vor dem 100. Geburts­tag unse­rer Repu­blik Öster­reich – ein „100-Jahr-Ser­vice“ an.

Dabei wäre ratio­nal und kri­tisch u.a. zu hin­ter­fra­gen und zu lösen:

  • Wo soll der Staat agie­ren und wo soll er sich heraushalten?
  • Wie­viel Frei­heit soll der Staat den Bür­gern lassen?
  • Wie­viel an Steu­ern und Bei­trä­gen darf und soll der Staat den Bür­gern abknöp­fen? Dies ist gerade im Hin­blick auf die aktu­elle Dis­kus­sion über eine „Steu­er­re­form“ aktu­ell. Die Men­schen im Mit­tel­al­ter stöhn­ten über das Zehent (zehn Pro­zent). Mitt­ler­weile sind wir – siehe Lohn­ne­ben­kos­ten – beim neun­bis zehn­fa­chen Zehent angelangt.
  • Wie­viele Ent­schei­dungs- und Ver­wal­tungs­ebe­nen brau­chen wir anno 2015?
  • Was erle­digt man sinn­vol­ler­weise auf wel­cher Ebene?
  • Wie­viele Gesetze, Rege­lun­gen, Ver­ord­nun­gen braucht es wirklich?
  • Was kann man vereinfachen?
  • Wo gibt es Dop­pel­glei­sig­kei­ten und wie kön­nen sie besei­tigt werden?
  • Wel­che Infra­struk­tur ist wo nötig?
  • Wie för­dert man den Gesamt­zu­sam­men­halt gegen Einzelgruppeninteressen?
  • Wie kön­nen wir Öster­reich – vor allem in den Berei­chen Gesund­heit, Sozia­les, Bil­dung, Infra­struk­tur – fit für die Zukunft machen?

Fazit

Die Ana­lyse ist bekannt, die Lösun­gen auch. Nun braucht es nur noch jeman­den, der dies im Sinne unse­res Lan­des und sei­ner Bür­ge­rin­nen und Bür­ger end­lich umsetzt. Mein Appell an die Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­ker: Nun seid Ihr am Zug!

*) Dr. Lukas Stär­ker ist Kam­mer­amts­di­rek­tor der ÖÄK

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 6 /​25.03.2015