Ausbildungs-Reform: In der Zielgeraden

10.06.2015 | Politik

In Zusammenarbeit mit den Bundesfachgruppen und wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist es der ÖÄK gelungen, in kürzester Zeit Ausbildungsinhalte für alle Fächer der Medizin zu erstellen. Sie sollen bei der Vollversammlung der ÖÄK Ende Juni beschlossen werden.
Von Agnes M. Mühlgassner

Es war ein Mega-Projekt, das nun nach rund zwei Jahren intensivster Zusammenarbeit finalisiert werden kann. Ziel der neuen Ärzte-Ausbildung war unter anderem die Einführung einer ähnlichen Systematik, wie sie bereits in anderen europäischen Staaten existiert; ebenso auch die Neugestaltung der Rasterzeugnisse, die künftig die Ausbildungsrealität abbilden. Neu ist auch die verpflichtende Lehrpraxis – allerdings nicht in dem von der ÖÄK geforderten Ausmaß von zwölf Monaten, sondern lediglich sechs Monaten. Es war eine enorme Leistung, dass die KEF- (Kenntnisse, Erfahrungen, Fertigkeiten) und RZ-(Rasterzeugnisse) Verordnung in so kurzer Zeit fertig gestellt wurde – was auf den enormen Einsatz der ÖÄK, der Bundesfachgruppen und der eingebundenen wissenschaftlichen Fachgesellschaften zurückzuführen ist. Zufrieden damit, dass die KEF- und RZ-Verordnung nun zur Beschlussfassung fertig ist, sind Peter Niedermoser, Präsident des wissenschaftlichen Beirats der Österreichischen Akademie der Ärzte und auch Martin Wehrschütz, Vorsitzender des Bildungsausschusses der ÖÄK. Man gehe damit auf die „Notwendigkeit einer modernen Ausbildung ein“, sagt etwa Niedermoser. Wehrschütz wiederum betont, dass „durch diesen Ausbildungsrahmen mehr Transparenz und Qualität“ in die ärztliche Ausbildung gebracht werde.

So ist künftig sowohl für Allgemeinmediziner als auch für Fachärzte eine neunmonatige Basisausbildung verpflichtend; die Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin umfasst künftig 42 Monate. Die Kritik, wonach der Turnus damit verlängert wird, kann Niedermoser nicht nachvollziehen. „Wir haben den Turnus auf ein internationales Niveau angehoben und auch die erforderlichen Inhalte gemäß den Vorstellungen der Bundessektion Turnusärzte umgesetzt.“ Was für ihn in diesem Zusammenhang unabdingbar ist: Dass nicht-ärztliche Tätigkeiten zu anderen Berufsgruppen verlagert werden – und damit „die Umsetzung des mitverantwortlichen Tätigkeitsbereiches erfolgt, die längst überfällig ist.“

Auch Martin Wehrschütz sieht in der 42-monatigen Ausbildung zum Allgemeinmediziner die Möglichkeit „einer substantiellen qualitativen Verbesserung der Ausbildung, zumal die jungen Kolleginnen und Kollegen sich intensiv in die Patientenbehandlung vertiefen können. Wesentliche Tätigkeiten in der Stationsarbeit werden an die Pflege, wo diese auch hingehören, delegiert.“ Die Lehrpraxis ist integrativer Bestandteil der neuen Ausbildung und wurde seit Langem von der Bundessektion Turnusärzte gefordert. „Jetzt setze ich diese Forderung um“, betont Wehrschütz. Auf Finanzierungsfragen angesprochen, verweist er auf das positive „Vorarlberger Modell“, bei dem sich Bund, Länder und Sozialversicherung an der Finanzierung beteiligen. Generell fordert Wehrschütz alle Landesärztekammern auf, die Qualität der Ausbildung mit Nachdruck zu überprüfen und einzufordern.

Große Projekte seien immer ein Kompromiss, sagt Niedermoser. Auch in diesem Fall, wo sich Länder, Sozialversicherung, ÖÄK und Gesundheitsministerium schließlich doch geeinigt hätten. Noch im April dieses Jahres hatte es nicht so ausgesehen, als könnte alles planmäßig über die Bühne gehen. Die Finanzreferenten von Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg hatten den Konsultationsmechanismus in Gang gesetzt. Als Begründung führten sie die durch die (von der Gesundheitsministerin zu erlassenden) Ärzte-Ausbildungs-Ordnung neu verursachten Mehrkosten an.

Hier wurde beispielsweise das Führen von Logbüchern genannt (sie sind bereits seit 2003 vorgesehen) sowie Mehrkosten durch Supervision und Evaluierungsgespräche (beides war schon in der Ärzte-Ausbildungs-Ordnung 2006 vorgesehen). Ob tatsächlich ein höherer finanzieller Aufwand verursacht wird, „damit muss sich die Politik auseinandersetzen. Der Konsultationsmechanismus ist nicht unser Thema“, unterstreicht Niedermoser. „Uns ist es um die inhaltliche Gestaltung gegangen.“ So müssten zum Beispiel die Rasterzeugnisse das widerspiegeln, was in der Ausbildung tatsächlich vermittelt werde.

Vorbereitung auf Spitals-Alltag

Martin Wehrschütz beurteilt die verpflichtende neunmonatige Basisausbildung als positiv. „Das ist ein guter Einstieg für alle Kolleginnen und Kollegen, die von der Universität kommen. Eine breite Anrechenbarkeit von bereits geleisteten Spitalsmonaten stellt sicher, dass die jungen Kolleginnen und Kollegen, die bereits im System sind, nicht zweimal das Gleiche machen müssen und so die Basisausbildung auch für jene als erfüllt gilt. Wie jede Reform muss laut Wehrschütz auch diese evaluiert werden. Er plädiert deshalb, eine solche in sechs Jahren durchzuführen. Zwei Begutachtungsphasen, in denen Fachgesellschaften, die Delegierten der ÖÄK, das Gesundheitsministerium und auch die Ländervertreter eingebunden waren, folgten zu den Ausbildungsinhalten, die dann automatisch Inhalt der Rasterzeugnisse werden. Mehr als 700 Stellungnahmen langten ein, die laut Wehrschütz „alle“ analysiert und „nach Möglichkeit“ auch in die Rasterzeugnisse eingearbeitet wurden. Insgesamt umfasst der Katalog der Ausbildungsinhalte die gesamte Medizin – mit einem Umfang von rund 700 Seiten.

Dass man nun mit der Ärzte-Ausbildungs-Reform sowie der KEF- und RZVerordnung fertig ist, bezeichnet Stefan Kastner als „relativ“ – ist er als Vorsitzender der Ausbildungskommission nun für die Umsetzung verantwortlich. Oder wie er es formuliert: „Das Ende der Reform ist der Anfang der Umsetzung.“ So muss die ÖÄK mehr als 1.400 Ausbildungsstätten für die Facharzt-Ausbildung genehmigen, damit ab 1. März 2016 Ärztinnen und Ärzte eine Facharzt-Ausbildung nach der neuen Ärzte-Ausbildungs-Ordnung beginnen können. Zusätzlich müssen noch „mehrere Hunderte“ Ausbildungsstätten für die Ausbildung zum Allgemeinmediziner genehmigt werden. Bisher bewilligte Ausbildungsstätten gelten nur mehr für Ausbildungen nach der Ärzte-Ausbildungs-Ordnung 2006 und nur für Ärzte, die eine Ausbildung bereits vor dem 31.5.2015 begonnen haben. Als „extrem wichtig“ bezeichnet Stefan Kastner in diesem Zusammenhang die Ausbildungsstätten-Applikation, die es demnächst geben soll. Dabei handelt es sich um ein elektronisches Verzeichnis, das ab 1. Juli 2015 von der ÖÄK eingerichtet und von den Rechtsträgern mit Namen von Ausbildungskandidaten befüllt wird. So hat man einerseits einen Überblick über die besetzten Ausbildungsstellen pro Fach; andererseits ist auch klar ersichtlich, wer eine Ausbildungsstelle innehat. „Dadurch entsteht Rechtssicherheit für den Arzt“, wie Kastner betont.

Insgesamt habe er in den zwei Jahren, in denen die Ausbildungsreform erstellt wurde, von einer „Unzahl“ von Kollegen Feedback erhalten – „meist positiv“, sagt Stefan Kastner. Durch den Wegfall der Gegenfächer werde man künftig mehr Ausbildungszeit im Hauptfach absolvieren; und man habe „realistische Rasterzeugnisse“ erstellt, hebt er einige positive Aspekte hervor. Sein Appell: Das Positive an der Veränderung zu sehen und das Beste daraus machen. Denn: „Damit haben wir auch die Chance, unsere Ausbildung an deutsch-europäische Ausbildungen anzupassen.“

Ärztliche Ausbildung

Das Ärztegesetz regelt grundsätzliche Fragen der Ärzte Ausbildung. Im Ärztegesetz ist normiert, dass das Gesundheitsministerium dazu nähere Details in einer eigenen Verordnung, der Ärzte-Ausbildungsordnung (ÄAO), zu erlassen hat. Die gesetzliche Grundlage für die Neuregelung der ärztlichen Ausbildung wurde im Rahmen einer Novelle des Ärztegesetzes im vergangenen Herbst vom Nationalrat beschlossen (BGBl I 2014/82).

Die Ärzte-Ausbildungsordnung 2015 wurde mit 1. Juni 2015 in Kraft gesetzt. Darin sind die grundsätzliche Ausbildungsstruktur und die Dauer der Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin sowie zum Facharzt festgelegt.

Aufgrund des Ärztegesetzes hat die Österreichische Ärztekammer im übertragenen Wirkungsbereich die KEF-(Kenntnisse, Erfahrungen, Fertigkeiten) und RZ-(Rasterzeugnisse)-Verordnung zu erlassen. Darin sind die konkreten Inhalte der Ausbildung sowie der Rasterzeugnisse enthalten. Die KEF- und RZ-Verordnung 2015 soll bei der Vollversammlung der ÖÄK im Juni beschlossen werden.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2015