Ärz­te­aus­bil­dungs­ord­nung Neu: Geglie­dert, struk­tu­riert und organisiert

25.01.2015 | Politik

Sequen­ti­elle Aus­bil­dung, Aus­bil­dung in Modu­len, neue Aner­ken­nungs­vor­aus­set­zun­gen für Aus­bil­dungs­stät­ten – die gesetz­li­chen Ände­run­gen zur Aus­bil­dung brin­gen einen Struk­tur­wan­del in der ärzt­li­chen Ausbildung.Von Agnes M. Mühlgassner

Die Aus­bil­dung zum All­ge­mein­me­di­zi­ner wird – ebenso wie die Fach­arzt­aus­bil­dung – neu struk­tu­riert. Zu Beginn der ärzt­li­chen Tätig­keit ist eine ver­pflich­tende neun­mo­na­tige Basis­aus­bil­dung sowohl für ange­hende All­ge­mein­me­di­zi­ner als auch für künf­tige Fach­ärzte ver­pflich­tend. In die­ser Zeit sol­len kli­ni­sche Basis­kom­pe­ten­zen in kon­ser­va­ti­ven und chir­ur­gi­schen Fächern sowie in Not­fall­me­di­zin ver­mit­telt werden.

Ent­schei­det man sich für eine Aus­bil­dung zum All­ge­mein­me­di­zi­ner, fol­gen wei­tere 27 Monate Tur­nus im Spi­tal, die fol­gende Auf­tei­lung haben soll:

  • 9 Monate Innere Medizin
  • 3 Monate Kin­der- und Jugendheilkunde
  • 3 Monate Frau­en­heil­kunde und Geburtshilfe
  • 3 Monate Ortho­pä­die und Traumatologie
  • 3 Monate Neurologie
  • 3 Monate Psych­ia­trie und psy­cho­the­ra­peu­ti­sche Medizin
  • 3 Monate aus einem der Wahlfächer: 
    • Haut- und Geschlechtskrankheiten 
    • HNO
    • Augen­heil­kunde und Optometrie 
    • Uro­lo­gie
    • Anäs­the­sie und Intensivmedizin
  • Ver­pflich­tende Absol­vie­rung von Inhal­ten für Der­ma­to­lo­gie und HNO (Umfang und Inhalt wer­den noch festgelegt).

Künf­tig umfasst die Aus­bil­dung zum Arzt für All­ge­mein­me­di­zin 42 Monate. Im Anschluss daran ist näm­lich zusätz­lich eine ver­pflich­tende Lehr­pra­xis von zumin­dest sechs Mona­ten vor­ge­se­hen. Diese soll stu­fen­weise auf ins­ge­samt zwölf Monate aus­ge­baut werden.

Tur­nus­ärzte in Lehrpraxen

Wei­ters gibt es die Mög­lich­keit, wäh­rend der Aus­bil­dung in der Lehr­pra­xis auch in einer Kran­ken­an­stalt Nacht­und Wochen­end­dienste zu leis­ten. Aller­dings sind hier noch einige Fra­gen offen, wie Tho­mas Holz­gru­ber, bereichs­zu­stän­di­ger Jurist und Kam­mer­amts­di­rek­tor der Ärz­te­kam­mer Wien, erklärt. „So muss es hin­sicht­lich des Ein­sat­zes von Tur­nus­ärz­ten in der Lehr­pra­xis noch einen Ver­trag für die Kas­sen­ärzte mit dem Haupt­ver­band geben. Berufs­recht­lich sind Tur­nus­ärzte in die­sem Sta­dium fast am Ende ihrer Aus­bil­dung, was sich auch in der Tätig­keit und der Ver­re­chen­bar­keit wider­spie­geln muss“, so Holz­gru­ber. All das müsse bis 30. Juni 2016 in einem Gesamt­ver­trag zwi­schen dem Haupt­ver­band und der Bun­des­ku­rie nie­der­ge­las­sene Ärzte der ÖÄK noch fest­ge­legt werden.

Die Aus­bil­dung zum Fach­arzt umfasst – im Anschluss an die neun­mo­na­tige Basis­aus­bil­dung – ins­ge­samt wei­tere 63 Monate (das heißt sechs Jahre wie bis­her). Die Aus­bil­dungs­cur­ri­cula der Son­der­fä­cher sind aber unter­schied­lich: So gibt es einen Unter­schied zwi­schen den inter­nis­ti­schen und den chir­ur­gi­schen Fächern: Die Son­der­fach­grund­aus­bil­dung Innere Medi­zin umfasst 27 Monate, jene für Chir­ur­gie 15 Monate.

Bei der Fach­arzt­aus­bil­dung Innere Medi­zin folgt eine wei­tere Auf­tei­lung: Nach den 27 Mona­ten Son­der­fach­grund­aus­bil­dung kann man sich dann für die wei­te­ren 36 Monate ent­we­der für All­ge­meine Innere Medi­zin ent­schei­den oder aber in die­sen 36 Mona­ten modul­ar­tig einen oder meh­rere Schwer­punkte set­zen. So wird es künf­tig etwa den Fach­arzt für Innere Medi­zin und Kar­dio­lo­gie geben oder den Fach­arzt für Innere Medi­zin und Nephrolo­gie und viele mehr. Bei den chir­ur­gi­schen Fächern sieht die wei­tere Aus­bil­dung wie folgt aus: Nach der 15-mona­ti­gen Son­der­fach­aus­bil­dung kom­men wei­tere 48 Monate Schwer­punkt­aus­bil­dung in Herz‑, Gefäß‑, Kinder‑, Tho­rax- oder All­ge­mein­chir­ur­gie. Gefäß­chir­ur­gie wird ein neues Son­der­fach; die All­ge­mein­chir­ur­gie und die Vis­ze­ral­chir­ur­gie wer­den zusam­men­ge­führt. Sowohl bei der Fach­arzt­aus­bil­dung der inter­nis­ti­schen Fächer als auch bei den chir­ur­gi­schen Fächern wird es künf­tig keine Gegen­fä­cher, Wahl­fä­cher oder Neben­fä­cher mehr geben. 

In allen ande­ren Son­der­fä­chern folgt auf 36 Monate Grund­aus­bil­dung im jewei­li­gen Son­der­fach eine Schwer­punkt­aus­bil­dung. Diese umfasst 27 Monate, in denen drei Module (aus sie­ben) im Umfang von jeweils neun Mona­ten absol­viert wer­den sol­len. Grund­sätz­lich soll es pro Fach sechs Module und ein wis­sen­schaft­li­ches Modul geben, aus denen gewählt wer­den kann. Die Module wer­den der­zeit von den Fächern erarbeitet.

Aus­wir­kun­gen auf Ausbildungsstätten

Für die Aus­bil­dungs­stät­ten bedeu­tet das, dass alle – Kran­ken­haus­ab­tei­lun­gen, Lehr­pra­xen und auch Lehr­grup­pen­pra­xen – neu aner­kannt wer­den müs­sen, und zwar sowohl für die Aus­bil­dung zur All­ge­mein­me­di­zin als auch für die Fach­arzt­aus­bil­dung. Holz­gru­ber dazu: „Hier wird es auch zusätz­li­che Aner­ken­nungs­vor­aus­set­zun­gen geben. So muss ein schrift­li­ches Aus­bil­dungs­kon­zept vor­ge­legt wer­den, ein Nach­weis über die Durch­füh­rung der in §15 Abs.5 GuKG genann­ten Tätig­kei­ten durch den Pfle­ge­dienst und es müs­sen den jun­gen Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen auch Aus­bil­dungs­pläne vor­ge­legt wer­den, wie es inter­na­tio­nal bereits üblich ist.“ De facto bedeu­tet das eine Ent­las­tung der Tur­nus­ärzte. Die Aner­ken­nung der Aus­bil­dungs­stät­ten ist für sie­ben Jahre befris­tet; dann ist eine Re-Zer­ti­fi­zie­rung erforderlich.

Über­gangs­be­stim­mun­gen

Die Novelle zum Ärz­te­ge­setz ist mit 1. Jän­ner 2015 in Kraft getre­ten; die aus­bil­dungs­recht­li­chen Ände­run­gen tre­ten aller­dings erst mit 1. Juni in Kraft.

Kon­kret heißt das: Erst mit 1. Juni 2015 kann mit der Aus­bil­dung „Neu“ (sowohl zum All­ge­mein­me­di­zi­ner als auch zum Fach­arzt) begon­nen wer­den. Alle Aus­bil­dun­gen, die vor dem 31. Mai 2015 begon­nen wur­den, kön­nen nach der der­zeit gel­ten­den Ärz­te­aus­bil­dungs­ord­nung abge­schlos­sen werden.

  • Der­zeit bestehende Aus­bil­dungs­be­rech­ti­gun­gen blei­ben für das Absol­vie­ren nach der der­zeit gül­ti­gen Ärz­te­aus­bil­dungs­ord­nung aufrecht.
  • Ein Wech­sel in die „neue“ Aus­bil­dungs­form ist mög­lich. Holz­gru­ber dazu: „Die Anrech­nung bis­he­ri­ger Aus­bil­dungs­zei­ten ist mög­lich. Die Details dazu wer­den noch in der Ärz­te­aus­bil­dungs­ord­nung geregelt.“
  • Die Zahl der Aus­bil­dungs­stel­len ver­dop­pelt sich nicht („alte“ und „neue“ Ausbildung)

Tätig­kei­ten laut §15 Abs.5 GuKG

Der mit­ver­ant­wort­li­che Tätig­keits­be­reich
umfasst ins­be­son­dere:

  • Ver­ab­rei­chung von Arzneimitteln;
  • Vor­be­rei­tung und Ver­ab­rei­chung von sub­ku­ta­nen, intra­mus­ku­lä­ren und intra­ve­nö­sen Injektionen;
  • Vor­be­rei­tung und Anschluss von Infu­sio­nen bei lie­gen­dem Gefäß­zu­gang, aus­ge­nom­men Transfusionen;
  • Blut­ent­nahme aus der Vene und aus den Kapillaren;
  • Set­zen von trans­urethr­a­len Bla­sen­ka­the­tern zur Harn­ab­lei­tung, Instil­la­tion und Spülung;
  • Durch­füh­rung von Darmeinläufen;
  • Legen von Magensonden.

Neuer Aus­bil­dungs-Weg

Warum modu­lare Aus­bil­dung? Wieso wur­den Wahl‑, Gegen­fä­cher und Spe­zia­li­sie­run­gen abge­schafft? Peter Nie­der­mo­ser, Prä­si­dent des Wis­sen­schaft­li­chen Bei­rats der Öster­rei­chi­schen Aka­de­mie der Ärzte, und Mar­tin Wehr­schütz, Vor­sit­zen­der des Bil­dungs­aus­schus­ses der ÖÄK, ant­wor­ten auf diese und andere Fra­gen von Agnes M. Mühlgassner.

ÖÄZ: Worin sehen Sie die gro­ßen Errun­gen­schaf­ten der neuen Ärz­te­aus­bil­dungs­ord­nung?
Nie­der­mo­ser: Die große Errun­gen­schaft sehe ich vor allem in der Aus­bil­dung zum Arzt eines Son­der­fa­ches, weil das modu­lare Sys­tem den täg­li­chen Aus­bil­dungs­be­trieb bes­ser dar­stellt. Man kann nicht mehr alles in einer sechs­jäh­ri­gen Fach­arzt­aus­bil­dung ler­nen. Es geht viel­mehr um eine fach­spe­zi­fi­sche Son­der­fach­aus­bil­dung und auf die­ser Basis kann man sich in so man­chen Sach­be­reich vertiefen.

ÖÄZ: Warum wur­den Wahl­fä­cher, Gegen­fä­cher und Spe­zia­li­sie­run­gen abge­schafft?
Wehr­schütz: Viele bestehende Addi­tiv­fä­cher sind zu Son­der­fä­chern gewor­den. Durch den Weg­fall der Gegen­fä­cher wird das Haupt­au­gen­merk auf das jewei­lige Son­der­fach gelegt. Auch künf­tig wird es Spe­zia­li­sie­run­gen geben.

ÖÄZ: In wel­chen Berei­chen gibt es noch Opti­mie­rungs­po­ten­tial?
Nie­der­mo­ser: Bei der Aus­bil­dung zum Arzt für All­ge­mein­me­di­zin muss­ten wir Kom­pro­misse ein­ge­hen. Der wich­tigste Punkt ist jedoch, dass im Ärz­te­ge­setz steht, dass die Dauer der Lehr­pra­xis im Lauf der nächs- ten Jahre aus­ge­wei­tet wer­den kann. Natür­lich muss die Finan­zie­rung der Lehr­pra­xis noch abge­si­chert wer­den. Die Poli­tik muss hier end­lich Geld in die Hand neh­men, sonst wird man sich als jun­ger Arzt nicht für diese Aus­bil­dung inter­es­sie­ren und nicht die­sen Weg gehen, wenn man nicht weiß, wie die Bezah­lung wäh­rend der Lehr­pra­xis aus­schaut. Wich­tig ist ein­mal, dass es jetzt sechs Monate Lehr­pra­xis ver­pflich­tend gibt. Diese Lehr­pra­xis muss kor­rekt bezahlt wer­den. Hier hat die Poli­tik noch etwas zu tun.

ÖÄZ: Gibt es noch wei­tere unge­klärte Fra­gen?
Wehr­schütz: Bei den Spe­zia­li­sie­run­gen ist noch offen, wel­che ein­ge­führt wer­den sol­len, wel­che davon fach­über­grei­fend und wel­che fach­spe­zi­fisch sein wer­den. Das wird noch in Abstim­mung mit den wis­sen­schaft­li­chen Fach­ge­sell­schaf­ten und dem Minis­te­rium zu klä­ren sein.

ÖÄZ: Für die Ver­län­ge­rung der Aus­bil­dung zum All­ge­mein­me­di­zi­ner gibt es nicht nur Zustim­mung.
Nie­der­mo­ser: Die All­ge­mein­me­di­zin ist ein sehr brei­tes Fach, das am Land die Grund­ver­sor­gung bie­ten muss. Daher ist es wich­tig, dass man in vie­len Berei­chen ein brei­tes Grund­wis­sen hat. Das erfor­dert eine Aus­wei­tung des Fächer­ka­nons und natür­lich auch mehr Zeit. Klar ist aber auch, dass dann die Aus­bil­dung in den Spi­tä­lern bes­ser struk­tu­riert wer­den muss. Fla­scherl anhän­gen und Venf­lo­nate müs­sen dann Geschichte sein.

ÖÄZ: Stich­wort Ras­ter­zeug­nisse: Wie wird gewähr­leis­tet, dass die darin vor­ge­se­he­nen Inhalte auch tat­säch­lich absol­viert wer­den?
Wehr­schütz: Wir glau­ben, dass durch den modu­la­ren Auf­bau der Ärz­te­aus­bil­dungs­ord­nung und die ein­ge­führ­ten Richt­zah­len auch die Über­prü­fung der Inhalte bes­ser mög­lich wird. Durch eine begrenzte Modul­wahl – alles in der not­wen­di­gen Tiefe in einer Aus­bil­dung ist heute unmög­lich – wird die Aus­bil­dungs­qua­li­tät eine Stei­ge­rung erfahren.

ÖÄZ: Im Fächer­ka­non der Aus­bil­dung zum All­ge­mein­me­di­zi­ner feh­len HNO und Der­ma­to­lo­gie. Warum?
Nie­der­mo­ser: Das ist ein Kom­pro­miss, den wir schlie­ßen muss­ten, um der For­de­rung der Aus­bil­dungs­dauer auch ent­spre­chend nach­zu­kom­men. Aber HNO und Der­ma­to­lo­gie sind künf­tig Wahl­pflicht­fä­cher. Pro­ble­ma­tisch ist auch, dass es nicht aus­rei­chend viele HNO- und Derma-Abtei­lun­gen gibt, wo die Aus­bil­dung absol­viert wer­den kann.

ÖÄZ: Kann die neue Sys­te­ma­tik auch im inter­na­tio­na­len Ver­gleich bestehen?
Wehr­schütz: Davon bin ich über­zeugt. Mit der jet­zi­gen Sys­te­ma­tik ist die Ärz­te­aus­bil­dungs­ord­nung nicht nur nach außen hin klar kom­mu­ni­zier­bar, son­dern sie kann auch den betrof­fe­nen Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen ver­ständ­lich gemacht wer­den. Ganz gene­rell soll dadurch die Aus­bil­dungs­qua­li­tät geho­ben wer­den. Das ist entscheidend.

ÖÄZ: War es schwer, diese Eini­gung zu erzie­len?
Nie­der­mo­ser: Es war jeden­falls sehr auf­wän­dig. Ich glaube aber, dass es uns gelun­gen ist, Cur­ri­cula zu ent­wi­ckeln, die rea­li­täts­be­zo­gen sind, die Hand und Fuß haben. Dafür möchte ich mich bei allen wis­sen­schaft­li­chen Gesell­schaf­ten, bei den Bun­des­fach­grup­pen und auch bei vie­len All­ge­mein­me­di­zi­nern sowie Fach­ärz­ten der Son­der­fä­cher, die mit­ge­ar­bei­tet haben, bedan­ken. Eines möchte ich aber ganz beson­ders her­vor­he­ben: die her­vor­ra­gende Zusam­men­ar­beit mit dem Ministerium.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 1–2 /​25.01.2015