Biologicals bei Rheumatoider Arthritis: Behandlungsprinzip „Treat to Target“

15.07.2015 | Medizin

Bis zu 60 Prozent aller Patienten mit rheumatoider Arthritis sprechen nicht oder nicht ausreichend auf die klassische Basistherapie an. Grundsätzlich soll vor der Therapie die Krankheitsaktivität abgeklärt werden – und die Behandlung dann dementsprechend erfolgen. Von Verena Kimla

Durchwegs positiv beurteilt Univ. Prof. Ludwig Erlacher von der 2. Medizinischen Abteilung mit Rheumatologie am Kaiser Franz Josef-Spital in Wien den Einsatz von Biologika. „Diese Substanzen sind eine große Innovation in der Rheumatologie und eine wirklich bahnbrechende Errungenschaft der klinischen Forschung. Sie sind eine Bereicherung der Behandlungsmöglichkeiten.“ Univ. Prof. Winfried Graninger von der Abteilung für Rheumatologie und Immunologie von der Medizinischen Universität Graz ergänzt, dass vor dem Einsatz eines Biologikums zunächst abgeklärt werden müsse, ob auch eine Therapie mit Sulfasalazin, Methotrexat oder Leflunomid möglich sei. „Wichtig ist das Prinzip Treat to Target, also das Messen der Krankheitsaktivität und dann die gezielte Behandlung je nach tatsächlicher Aktivität“, führt Graninger weiter aus.

Immer wird zunächst mit konventionellen, lang wirksamen Antirheumatika wie Methotrexat – eventuell in Kombination mit Glukokortikoiden therapiert. Aber: „Etwa 50 bis 60 Prozent der Patienten sprechen nicht oder nicht ausreichend auf die klassische Basistherapie an. Mit Biologika hat man hier weitere wichtige Behandlungsmöglichkeiten“, erklärt Erlacher. Jedoch sinkt bei Nichtansprechen oder nicht optimalem Ansprechen auf das erste Biologikum die Wahrscheinlichkeit, auf ein weiteres anzusprechen.

Obwohl die einzelnen Biologika unterschiedliche Wirkmechanismen haben, weisen sie auf Gruppenebene mehr oder weniger die gleiche Wirksamkeit auf. Kommt es nach einigen Monaten Therapie zu keinem ausreichenden Rückgang der Krankheitsaktivität, soll das Präparat gewechselt werden. Die Applikationsintervalle variieren zwischen wöchentlicher, 14-tätiger und monatlicher subkutaner Injektion, aber auch Infusionspräparate sind verfügbar. Von Vorteil ist, dass die subkutanen Präparate zur Selbstanwendung geeignet sind. Erlacher zur Selbstapplikation: „Die Applikationsvorgabe muss eingehalten und das Behandlungsintervall darf nicht eigenmächtig verkürzt oder verlängert werden. Auch die Kühlkette ist zu beachten.“

Unterschiede gegenüber anderen Therapieansätzen wie zum Beispiel Kombinationstherapien von konventionellen Basistherapien zeigen sich bei Wirkungseintritt und Nebenwirkungsprofil. „Die Wirkung kann sehr rasch innerhalb weniger Tage bis Wochen eintreten. Die häufigsten Nebenwirkungen sind vor allem ein erhöhtes Infektionsrisiko sowie Blutbildveränderungen und erhöhte Leberwerte“, erklärt Erlacher.

Falls während der Therapie Infektionen auftreten, ist ein rasches Handeln wichtig. „Hat der Patient Fieber, ist es wichtig, schnell zu reagieren“, betont Erlacher. Der Patient müsse „sofort“ Kontakt mit dem behandelnden Rheumatologen aufnehmen. Speziell bei Patienten unter Biologika-Behandlung muss bei entsprechend schwerer Infektion auch eine stationäre Aufnahme gewährleistet sein. „Mit der Applikation des Biologikums ist dann sofort zu pausieren“, betont Erlacher.

Auch ein ausreichender Impfschutz muss gewährleistet sein, wie Graninger ausführt: „Schutzimpfungen mit Totimpfstoffen wie zum Beispiel FSME und Influenza sind grundsätzlich auch während der Therapie mit einem Biologikum erlaubt. Lebendimpfstoffe wie Gelbfieber und Masern-Mumps-Röteln dürfen nicht vorgenommen werden. Besonders empfehlenswert ist die Impfung mit dem Totimpfstoff gegen Pneumokokken, um vor Lungenentzündung geschützt zu sein.“ Ideal wäre es, wenn Patienten mit rheumatischen Erkrankungen schon vor der Therapie mit einem Biologikum geimpft sind, ergänzt Erlacher.

Generell sollten alle Patienten, bei denen der Verdacht auf Vorliegen einer rheumatoiden Arthritis besteht, zu einem Rheumatologen überwiesen werden. Erlacher dazu: „Hier ist eine enge Kooperation wichtig.“ Regelmäßige Kontrollen zur Überprüfung des Therapieerfolges sind sinnvoll.


Rheumatoide Arthritis

Bei der rheumatoiden Arthritis handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die sich durch Entzündungen und damit einhergehende Schmerzen vor allem der kleinen Finger- und Zehengelenke sowie typischerweise symmetrische Synovitis der stammfernen Gelenke äußert. Häufig schwellen die entzündeten Gelenke an und sind erwärmt und gerötet. Meist bessern sich die Symptome geringfügig im Laufe des Tages.

Jedoch führt nicht allein die entzündliche Reaktion durch Angriff des Gelenkknorpels durch körpereigene Substanzen zum komplexen klinischen Bild der rheumatoiden Arthritis, sondern vielmehr die Kombination von drei verschiedenen Mechanismen: immunologische Synovitis, die Schmerz, Schwellung und die typische Morgensteifheit verursacht; destruktive Prozesse, durch die es zur Zerstörung der betroffenen Gelenke kommt und allgemeine Folgen ständiger Entzündung zum Beispiel vermehrte Atherosklerosen.

Bei rheumatoider Arthritis kommt es im Gelenk durch das Zusammenspiel von genetischer Disposition, Umwelteinflüssen und bisher unbekannten Faktoren zur Expression von inflammatorischen Zytokinen, Rezeptoren, Chemokinen und Enzymen, die wiederum zur Produktion von Tumornekrosefaktor (TNF-α) und Interleukin 1 und 6 führen. Da TNF-α auch für die Aktivierung von Osteoklasten verantwortlich ist, wird im betroffenen Gelenk Knochen und Knorpel abgebaut; unter dem Einfluss von Zytokinen kommt es zur Pannusbildung an der Synovialis.

Behandlungsrichtlinien

Grundsätzlich werden in der medikamentösen Therapie der rheumatoiden Arthritis folgende Hauptgruppen von Wirkstoffen eingesetzt: Analgetika, nichtsteroidale Antiphlogistika, Glukokortikide und Basistherapeutika: langwirksame Antirheumatika oder auch DMARD (disease modifying antirheumatic drugs) wie Methotrexat, Leflunomid oder Sulfasalazin. Die mittlerweile große Gruppe der Biologika – Arzneistoffe, die mit Hilfe von gentechnologisch veränderten Organismen unter hohem Produktionsaufwand hergestellt werden – sind dabei neuere Therapeutika, die beispielsweise gegen TNF-α, IL-1, IL-6 sowie gegen B-Zellen und die T-Zell-Aktivierung gerichtet sind.


Therapie mit Biologika: was zu beachten ist
• Applikationsintervalle einhalten
• Bei Fieber/Infektionen während der Behandlung sofort mit behandelndem Facharzt sprechen, nicht zuwarten!
• Richtige Lagerung (Kühlkette)
• Regelmäßige Kontrolle beim Facharzt für Rheumatologie


Kontraindikationen im Überblick
• Akute Infektionen
• Latente Infektionen wie Tuberkulose (vor Beginn der Behandlung auszuschließen)
• Lebendimpfstoffe

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2015