Originalarbeit: Qualität des Überlebens verbessert

10.09.2015 | Medizin


Seit zwei Jahren nimmt der Notarztstützpunkt Innsbruck als erstes und bislang einziges Zentrum außerhalb von Deutschland am German Resuscitation Registry teil. Mit beachtlichen Ergebnissen: In einigen Bereichen wie beispielsweise bei der Telefon-Reanimation durch die Leitstelle liegt Innsbruck an der Spitze.
Von Michael Baubin et al.*

Für alle präklinischen „Tracerdiagnosen“, also das Poly-/Schädelhirn-Trauma, das akute Koronarsyndrom (ACS)/den Myokardinfarkt, den Schlaganfall/Stroke und auch die Reanimation gibt es regionale, nationale oder internationale Datenregister basierend auf konsensuell erstellten, internationalen Behandlungsleitlinien.

Während bei den ersten drei angeführten die jeweilige Initiative aus dem innerklinischen Bereich stammt und präklinische Daten meist eher stiefkindlich als Zusatzinformation zusätzlich registriert werden, wurden Reanimationsregister von Notärzten/Anästhesisten/Präklinikern erstellt und von diesen federführend geleitet. In epidemiologischen Daten wird in Europa eine Häufigkeit von 50 bis 66 Reanimationsbehandlungen pro 100.000 Einwohner und Jahr angegeben. Europaweit geht man von jährlich 230.000, in Österreich von 4.000 Reanimationen aus bei rund 12.000 Menschen, die jedes Jahr einen plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand erleiden.

Reanimation als Surrogat-Marker

Die Reanimation gilt heute als wesentlicher Surrogat-Marker der Notfallmedizin, da nahezu jeder der Teilschritte besonders zeitkritisch ist, die erforderlichen und komplex zusammenhängenden Maßnahmen Leitlinien-basiert sind, die Patienten in mit der Weiterversorgung reanimierter Patienten erfahrene Kliniken (Cardiac Arrest Zentren) gebracht werden sollten etc. Surrogat-Marker können im Sinn einer induktiven Schlussfolgerung von Erfolgen einzelner, klar definierter Patientenversorgungsgruppen auf das Gesamtkollektiv zur Bewertung der Gesamtqualität hergenommen werden. Daraus folgt: Die Erfolgsrate von Reanimationen lässt auf Grund der Komplexität der Faktoren zum Erreichen eines Reanimationserfolgs auf die Qualität der Versorgung aller Notfallpatienten schließen.

Bedeutung von Registern

Besonders in der Notfallmedizin ist der Stellenwert von Studien aus einzelnen Zentren nur sehr begrenzt und Multicenter-Studien sind sehr aufwändig und kostspielig. Heute liegt die Zukunft für neue Wissensgenerierung in Registerdaten. Bei der Teilnahme an Registern erhält jedes einzelne Zentrum durch offizielle Jahres- und Monatsberichte Benchmarks und somit einen direkten Informationsgewinn im Sinn einer eigenen Stärken- und Schwächenanalyse.

In zahlreichen europäischen Ländern und Regionen werden standardisiert Daten aus präklinischen und/oder innerklinischen Reanimationen gesammelt und ausgewertet. Schweden mit seinem mehr als 25 Jahre alten CPR-Register gehört dabei zu den ältesten, das Deutsche Reanimationsregister (German Resuscitation Registry GRR)® der Deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin zu den jüngeren, aber mit mittlerweile über 64.000 Datensätzen zu den größten Registern. Speziell in den skandinavischen Ländern ist der Umgang mit persönlichen beziehungsweise medizinischen Daten wesentlich unkomplizierter als in Mitteleuropa. Auf Initiative des European Resuscitation Council (ERC) wurden die europäischen landesweiten oder regionalen CPR-Register in den Datenverbund European Registry on Cardiac Arrest (EuReCa) zusammengeschlossen. Eine besondere Initiative war EuReCaONE, die prospektive Einmonats-Untersuchung von Reanimationen im Oktober 2014 aus 29 Ländern. Ergebnisse werden Ende 2015 erwartet.

Umsetzung von konkreten Ergebnissen

Aus EuReCa-Analysen wurde offensichtlich, dass die Ersthelferrate in Europa massiv variiert. Sie liegt beispielsweise in Deutschland bei 15 Prozent; ebenso auch in Andalusien, während sie hingegen in Dänemark, Schweden oder im Norden der Niederlande bei 60 Prozent liegt. Dies führte zu einigen Aktivitäten: Die deutsche „Woche der Wiederbelebung“ (www.einlebenretten.de) wurde ausgerufen, ebenso der europäische Restart-a-Heart-Day (www.restartaheart.eu) sowie die europäische prospektive Ein-Monats-CPR-Beobachtungsstudie EuReCa-ONE (www.eureca-one.eu), an der auch Österreich mit acht Notarzt-Zentren teilnahm, gestartet.

Vor rund 20 Jahren überlebte mit circa zehn Prozent etwa der gleich hohe Prozentsatz von Patienten nach außerklinischer Reanimation – 20 Prozent davon mit einer CPC 1-2. Heute überleben in den meisten Regionen prozentuell gleich viele Patienten wie früher – jedoch 80 Prozent von ihnen mit CPC 1-2. Die Qualität des Überlebens hat sich also verbessert, nicht jedoch die Quantität.

Das deutsche Reanimationsregister (German Resuscitation Registry: GRR; www.reanimationsregister.de), eine Initiative der deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin (DGAI), besteht seit sieben Jahren. Aktuell sind mehr als 140 Notarztsysteme und mehr als 100 innerklinische Zentren angemeldet. Einmal im Jahr findet ein Treffen aller teilnehmenden Personen und Institutionen statt. Einmal jährlich erhält jedes Zentrum einen ausführlichen schriftlichen Jahresbericht mit einem Vergleich zu allen anderen Zentren und den eigenen Eingaben aus dem Vorjahr. Der Jahresbeitrag liegt je nach Versorgungsgröße des Zentrums zwischen 500 und 1.000 Euro.

Gemäß den Vorgaben des Utstein-Style-Protokolls gliedern sich die Inhalte in die Datensätze „Erstversorgung“ inklusive Logistik, „klinische Weiterversorgung“ und „Langzeitverlauf“ mit 30-Tage- und Zwölf-Monate-Überleben sowie der Überlebensqualität; mit 1.1.2015 kam das Modul „Telefonreanimation“ hinzu. Basis der Notarzt-Daten ist der minimale Notarztdatensatz auf der Basis MIND3 beziehungsweise in Österreich MIND3-A. Die Einspeisung der regional erfassten Daten erfolgt entweder direkt über das Internet oder aber durch Übermittlung der zuvor lokal gespeicherten Daten über eine Schnittstelle zum Datenimport.

Notarztstützpunkt Innsbruck

Der Notarztstützpunkt Innsbruck nimmt seit zwei Jahren als erstes und bislang einziges Zentrum außerhalb von Deutschland am German Resuscitation Registry teil; die Finanzierung erfolgt durch das Land Tirol. Erstmalig liegt für das Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) Innsbruck der Bericht für 2014 vor. Darin wurden die 119 eingegebenen Innsbrucker Datensätze – Reanimationen und Todesfeststellungen – mit 7.223 Datensätzen aus 110 deutschen Notarztstandorten beziehungsweise mit insgesamt 40.052 Datensätzen auch aus früheren Jahren verglichen. Aufgenommen wurden alle Patienten mit jeglicher Reanimations-relevanten Thoraxkompression.

Die Dateneingabe am Notarztstützpunkt Innsbruck erfolgt durch Studenten im Rahmen ihrer Diplomarbeiten auf der Basis der Notarztdokumentation, der Leitstellendaten und des innerklinischen Therapieverlaufs. Ein Zusatzprotokoll für nicht im Notarztprotokoll vorgesehene Daten wurde erstellt und ein positives Votum der Ethikkommission eingeholt. In Zukunft und nach Umsetzung des Tiroler CarPC-Projektes sollen die Datensätze automatisch ins Reanimationsregister eingespeist werden.

Details der Auswertung

Im Jahr 2014 wurden 119 Notarzt-Patienten reanimiert; bei 47 (39,5 Prozent) konnte der Kreislauf wieder in Gang gebracht werden (Return of Spontaneous Circulation – ROSC). 25 Patienten (21 Prozent) konnten die Klinik lebend verlassen; 16 von ihnen (64 beziehungsweise 13 Prozent) in einem guten neurologischen Zustand. Im Vergleich mit 110 deutschen Notarztstützpunkten liegen die Leitstelle Tirol, das Innsbrucker Rettungs- und Notarztsystem und die Universitätsklinik/Landeskrankenhaus Innsbruck ganz vorne: Inzidenz-PCR begonnen; CPR vor Eintreffen Rettungsdienst und Telefonreanimation durch die Leitstelle; Inzidenz Ereignis überlebt, Return of spontaneous circulation bei Aufnahme sowie 30 Tage überlebt. Diese Ergebnisse unterstreichen den Erfolg jahrelanger Bemühungen von engagierten Ersthelfern, der Leitstelle Tirol, des Rettungs- und Notarztdienstes Innsbruck, der MZA (Medizinzentrum Anichstraße)-Notaufnahme des Landeskrankenhauses/Universitätskliniken Innsbruck und auch der weiteren innerklinischen Versorgung.

Als Gründe für den Innsbrucker Erfolg können angeführt werden:

  • Ersthelferreanimation: strukturierte und standardisierte Leitstellen-angewiesene Reanimation – „Telefon-CPR“;
  • Call-to-arrival Intervall: 92 Prozent der Einsatzorte konnten innerhalb von acht Minuten nach dem Eingang des Notrufes durch das erste Rettungsmittel erreicht werden;
  • Lokalisation des Notarztstützpunktes an der Klinik – im Zentrum des Einsatzgebietes;
  • Zielort: nur eine Klink als angefahrenes Klinikum mit allen Möglichkeiten: PCI, Kühlung, ECMO (Extracorporale Membranoxygenierung), Neurologie;
  • Notarztbesetzung: ausschließlich Anästhesisten als Notärzte – eingebunden in die Ausbildungs-Rotation der Klinik.

Fazit

Die Teilnahme an einem Reanimationsregister ist für die Qualitätssicherung jedes größeren Notarztstützpunktes und für innerklinische Notfallsysteme sehr zu empfehlen. Mittel- bis langfristig ist die Errichtung eines eigenen Österreichischen Reanimationsregisters anzustreben.

Literatur bei den Verfassern

*) Univ. Prof. Dr. Michael Baubin, Dr. Eva Pitschmann, Dr. Maximilian Mörtl, Dr. Adolf Schinnerl im Namen der Notärzte des NEF Innsbruck

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2015