kurz & informativ: Medizinische Kurzmeldungen

15.08.2015 | Medizin

Narkolepsie nach H1N1-Impfung: Virusbedingt

Ein Virus-Protein, das dem Hypocretin-Rezeptor im Gehirn ähnelt, ist dafür verantwortlich, dass nach der Impfung gegen H1N1 mit Pandemrix® europaweit vermehrt Narkolepsie-Fälle registriert wurden. Beim ebenfalls eingesetzten Impfstoff Focetria® war die Narkolepsie-Häufigkeit nicht erhöht. Bei weniger als einem von 10.000 Menschen, die sich in der Grippesaison 2009/2010 gegen H1N1 mit Pandemrix® impfen ließen, sei anschließend eine Narkolepsie registriert worden. Auch in China waren bei der H1N1-Grippewelle mehr Narkolepsie-Fälle registriert worden – allerdings bei nicht-geimpften Menschen, die an H1N1 erkrankt waren. Das deutete darauf hin, dass das Virus Ursache der Erkrankung sein könnte. Die Wissenschafter um Lawrence Steinman von der Stanford University (Kalifornien) verglichen die Zusammensetzung von Pandemrix® mit der von Focetria® und fanden ein Virus-Protein, das in Pandemrix® in größeren Mengen enthalten ist und in seiner Struktur stark dem Rezeptor für Hypocretin ähnelt. In Blutproben von 20 finnischen Patienten, die nach der Pandemrix®-Impfung eine Narkolepsie entwickelt hatten, fanden die Forscher Antikörper, die nicht nur an das H1N1-Virus binden, sondern auch an den Hypocretin-Rezeptor. Diese Antikörper würden bei Menschen mit bestimmten Erbgutmerkmalen von dem Virus-Protein aktiviert und attackierten die Hypocretin-Rezeptoren im Gehirn, die für das Schlafverhalten wichtig sind. Das Ergebnis weise laut den Wissenschaftern darauf hin, dass das Risiko, eine Narkolepsie zu entwickeln, bei einer H1N1-Erkrankung höher sei als nach einer Impfung mit Pandemrix®. Es seien aber weitere Studien nötig, um den Mechanismus zu bestätigen.
APA/Science Translational Medicine


Stress sabotiert Selbstkontrolle

Stress kann das Gehirn dazu bringen, die Selbstkontrolle bei einer Entscheidung herabzusetzen. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher um Todd Hare von der Universität Zürich, nachdem sie 29 Teilnehmer im Labor in moderaten Stress versetzten: Eine Hand musste drei Minuten lang in Eiswasser getaucht werden. Anschließend mussten sie im MRI aus zwei Fotos mit Speisen wählen: eines war schmackhaft, aber ungesund; das andere gesund, aber weniger verlockend. Die Kontrollgruppe hielt die Hand drei Minuten in lauwarmes Wasser. Ergebnis: Die durch Eiswasser gestressten Probanden wählten mit größerer Wahrscheinlichkeit die ungesunde Speise aus als die Kontrollpersonen. Im MRI waren die neuronalen Verbindungsmuster bei den Gestressten in der Amygdala, dem Striatum und den für die Entscheidungsfindung wichtigen Arealen in der Gehirnrinde verändert; Cortisol spielte nur bei einigen diesen Veränderungen eine Rolle.
APA/Neuron

Zuhören unterstützt Erinnerung

Wer aufmerksam zuhört, erinnert sich in Gesprächen über schon tagelang zurückliegende Ereignisse an zusätzliche Details. Die Rolle des Zuhörers führt zu einer Auffrischung von nur noch fragmentarisch vorhandenen Erinnerungen, wie Karl-Heinz Bäuml von der Universität Regensburg erklärte. In drei Studien mussten sich die insgesamt 128 Teilnehmer Listen mit verschiedenen Begriffen merken. Es folgten Gespräche mit anderen Teilnehmern; anschließend wurden die Begriffe abgefragt.
APA/Cognition

Schwere psychische Folgen durch Atomkatastrophen

In Fukushima leiden 14,6 Prozent der Erwachsenen nach dem Reaktorunglück im März 2011 an Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen – damit ist die Rate fast fünf Mal so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung. Koichi Tanigawa von der Fukushima Medical University führt dies auch darauf zurück, dass die Evakuierung recht chaotisch abgelaufen ist und die Betroffenen nur unzureichend über die gesundheitlichen Gefahren informiert wurden. Das Fazit der Forscher: Die Gesundheitsdienste müssten „verlässlich kommunizieren“, dass bei den meisten Atomunfällen nur sehr wenige Menschen einer lebensbedrohlichen Dosis von Radioaktivität ausgesetzt sind. Auch müssten mentale Erkrankungen derjenigen, die ihre Häuser verlassen mussten, beobachtet und behandelt werden.
APA/The Lancet


MS: Neues Medikament halbiert Schubrate

Die Behandlung mit dem neuen monoklonalen Antikörper Ocrelizumab reduziert die Schubrate bei schubförmiger Multipler Sklerose im Vergleich zu Beta-Interferon um die Hälfte. Der humanisierte monoklonale Antikörper bindet selektiv und gezielt ausschließlich an B-Zellen mit dem CD20-Oberflächenmerkmal, ohne eine Immunsuppression hervorzurufen. Im MRT konnte auch eine Verringerung der Zahl der Entzündungsherde im Gehirn nachgewiesen werden. Die Daten stammen aus zwei groß angelegten internationalen Wirksamkeitsstudien (OPERA I und OPERA II). Beta-Interferon und Glatirameracetat reduzieren die Schubrate bei MS jeweils um etwa 30 Prozent. In Österreich leiden rund 12.500 Menschen an Multipler Sklerose.
APA


MERS-Antikörper entwickelt

Einem internationales Forscherteam unter Leitung des Schweizers Antonio Lanzavecchia von der Universita della Svizzera Italiana ist es gelungen, aus dem Blut eines an MERS Erkrankten innerhalb von vier Monaten Antikörper zu isolieren, zu testen und in großen Mengen zu produzieren. Der neue MERS-Antikörper konnte nicht nur Mäuse von der Infektion heilen; er zeigte seine Wirksamkeit auch gegen weitere Virusstämme. Am Middle East Respiratory Syndrome (MERS) sind seit seiner Entdeckung 2013 weltweit rund 1.300 Menschen erkrankt; rund 500 sind daran gestorben.
APA/PNAS

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2015