Humor in der Psychotherapie: Ergänzung mit diagnostischer Funktion

25.03.2015 | Medizin

Die therapeutische Beziehung ist ein zentraler Punkt für die Wirkung der Psychotherapie. Diese Beziehung kann durch Humor gefestigt werden, da dadurch Nähe entstehen kann. Viele Aspekte, wie Humor in der Psychotherapie eingesetzt werden kann, lassen sich auch auf andere Fachrichtungen übertragen.
Von Verena Isak

Das „Salz in der Suppe“ – so beschreibt Univ. Prof. Barbara Wild, Chefärztin der Fliedner Klinik Stuttgart, wie sie Humor in der Psychotherapie einsetzt. „Ziel ist dabei nicht, den Patienten zu bespaßen, sondern ein Spielfeld zu erschaffen“, stellt die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie klar. Vielmehr geht es für sie darum, ein offenes Ohr für humorvolle Äußerungen zu haben und Humor punktuell einzusetzen. „Die Witze müssen zum Patienten passen, sodass man mit dem Patienten lacht“, betont sie. Und weiter: „Auf keinen Fall sollte das Lachen in der Therapie erzwungen werden oder die Witze zur Selbstdarstellung des Therapeuten dienen.“

Wenn Humor jedoch zu früh eingesetzt wird, kann der Patient das Gefühl bekommen, dass er mit seinen Problemen nicht ernst genommen wird. „Wichtig ist, zuerst eine gute Beziehung zum Patienten aufzubauen“, rät Wild. Die therapeutische Beziehung ist ein zentraler Aspekt für die Wirkung der Psychotherapie. Diese Beziehung kann durch Humor gefestigt werden, da dadurch Nähe entstehen kann und der Therapeut als Rollenmodell angesehen werden kann. „Durch das Mitlachen mit dem Patienten kann ich signalisieren, dass trotz Depressionen oder Angststörungen auch andere Facetten des Patienten wahrgenommen werden“, weiß die Expertin.

Witz ist jedoch nicht gleich Witz. Macht der Patient zum Beispiel selbstentwertende Witze, ist das für sie ein Grund, einzuschreiten, um an diesem negativen Humor zu arbeiten. Auch darauf, dass ein Patient nicht nur Scherze macht, um so von seinen eigentlichen Problemen abzulenken, muss geachtet werden. „Bei Alkoholikern ist daher Humor mit Vorsicht einzusetzen, da sie oft witzeln, um Dinge unter den Teppich zu kehren“, nennt sie ein Beispiel.

Ein Witz kann auch diagnostische Funktion haben, indem man darauf achtet, worüber der Klient lacht. „Man kann über Dinge lachen, zu denen man eine mittlere emotionale Distanz hat, über Themen, die einem nahe gehen, hingegen nicht“, erklärt sie. „Oft kann man auch nach der Aggression hinter dem Witz suchen.“

Wie sie aus der Praxis weiß, hat „Humor auch häufig etwas Bildhaftes“. So hätte sich etwa ein Patient durch seine eigenen Handlungen immer wieder in Schwierigkeiten gebracht. Sie zeigte ihm dann ein Bild, auf dem eine Pistole auf den eigenen Fuß gerichtet war. Somit hatte der Patient ein Bild zu seinem Problem, das es ihm auch ermöglichte, seine Situation aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und auch benennen zu können. „Bilder können beim Verstehen helfen und als Kurzschluss zwischen Problem und Lösung fungieren. Man kann so eine andere Perspektive und Distanz zu einem Problem gewinnen“, erklärt sie.

Auch aus Patientensicht ist Humor – richtig eingesetzt – ein Benefit in der Therapie, indem etwa durch Witze das Eis zum Schmelzen gebracht werden kann und es so dem Patienten manchmal erst möglich wird, über Schwieriges zu sprechen. „Patienten lernen so, trotz einer Depression auch wieder mal Witze machen zu dürfen“, sagt Wild. Für den Patienten hat Humor außerdem auch Probecharakter. Man kann sich so etwas vorwagen und sehen, wie auf das soeben Gesagte reagiert wird, hat aber immer noch die Möglichkeit, die getätigte Aussage als „nicht ernst gemeint“ widerrufen zu können.

Doch nicht in jeder Situation beziehungsweise bei jedem Patienten kann Humor gleich oder überhaupt eingesetzt werden. So etwa ist ein Witz bei aufgewühlten Patienten fehl am Platz. Wer an Schizophrenie leidet, kann Witze häufig nicht verstehen, so Wild.

Humor in der Allgemeinmedizin

Humor kann jedoch auch in anderen Fachrichtungen im Gespräch mit Patienten eingesetzt werden. „Vor allem beim Allgemeinmediziner spielt Humor eine größere Rolle und gehört zum Alltag“, sagt sie. „Auch hier ist es wichtig, dass man mit dem Patienten lacht und Humor – wenn möglich – bildlich gestaltet.“ Gerard van Swieten, der Leibarzt von Maria Theresia, hatte diese mehrmals – erfolglos – aufgefordert, Diät zu halten. Schließlich wies er die Diener an, das gesamte Essen in einen Kübel zu leeren und gut umzurühren. Diesen Kübel präsentierte er Maria Theresia mit den Worten: „Um zu zeigen, wie es in Euer Majestät Magen jetzt aussieht!“ Erst nach diesem bildlichen Vergleich habe sie begriffen, dass sie abnehmen müsse.

Zwar ist der Stellenwert von Humor in der Arzt-Patienten-Beziehung in den letzten Jahren gestiegen und mehr thematisiert worden, doch Wild sieht dennoch noch Ausbaubedarf bei dessen Einsatz. „Es wäre wünschenswert, wenn auf Humor in der Arzt-Patienten-Beziehung bereits im Studium mehr eingegangen wird. Studierende lernen zwar ärztliche Gesprächsführung, doch Humor als Teil des Gesprächs wird oft vernachlässigt“, sagt sie.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2015