Epistaxis: Seltene Ursachen abklären

15.07.2015 | Medizin

Nasenbluten ist in der überwiegenden Zahl der Fälle harmlos; Tumore sind eher selten die Ursache dafür. Allerdings können einige antiinflammatorische Pharmaka sowie Antikoagulantien mit häufigerem Nasenbluten einhergehen; ebenso auch die Verwendung von nasalen Steroiden. Bei ausgeprägter oder rezidivierender Epistaxis gilt es, seltene Ursachen zu hinterfragen.
Von Irene Mlekusch

Rund 60 Prozent der Allgemeinbevölkerung erleben zumindest einmal im Leben eine Epistaxis-Episode; nur zehn Prozent der Betroffenen suchen ärztlichen Rat. Die Altersgipfel liegen dabei einerseits im Kindesalter zwischen drei und acht Jahren sowie beim Erwachsenen zwischen 45 und 65 Jahren. Univ. Prof. Andreas Temmel vom Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Wien macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass epidemiologische Studien zur wahren Inzidenz bei Kindern derzeit nicht vorhanden sind.

Unabhängig vom Alter der Patienten sind bis zu 90 Prozent der Blutungen lokale, anteriore Blutungen im Bereich des Lokus Kiesselbach. „Die häufigsten Ursachen sind lokale Entzündungen wie beispielsweise ein Naseneingangsekzem oder Trockenheit durch Rhinitis oder ein Trauma verursacht durch Nasenbohren oder Sturz“, so Temmel. Die nasale Besiedelung mit Staphylococcus aureus scheint eine entscheidende Rolle der Epistaxis im Kindesalter zu spielen. Tuberkulose, Streptococcus pyogenes, kongenitale Syphilis oder Diphterie sind vergleichsweise seltene Ursachen für Nasenbluten bei Kindern. Dagegen zeigen 25 Prozent der an Dengue-Fieber erkrankten Kinder spontanes Nasenbluten. Vor allem in Verbindung mit fauligem Geruch sollte bei Kindern an einen Fremdkörper in der Nase gedacht werden. Nach chirurgischen Eingriffen wie beispielsweise Septumplastik, Rhinoplastie oder Nasennebenhöhlenoperationen kann es ebenfalls bis zu zwei Wochen postoperativ zu Nasenbluten kommen. Nasotracheale Intubationen, Magensonden oder auch ein Barotrauma können außerdem verantwortlich für Epistaxis sein. „Wie so oft sind die häufigen Ursachen eigentlich harmlos. Allerdings gilt es, die seltenen Ursachen herauszufinden“, sagt Temmel.

Tumore sind eher selten der Grund für Nasenbluten bei Erwachsenen und Kindern. Trotzdem verursachen Neoplasmen der Nasenhöhle normalerweise unilaterale Symptome wie Epistaxis, übelriechenden Nasenausfluss, nasale Obstruktion oder Veränderungen im Geruchssinn. „Bei jungen Männern zwischen 16 und 20 Jahren mit starkem Nasenbluten kann in seltenen Fällen ein juveniles Nasen-Rachenfibrom zu Grunde liegen“, berichtet Univ. Prof. Wolfgang Gstöttner, Universitätsklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde am AKH Wien. Zu den gutartigen Veränderungen, die mit Nasenbluten einhergehen können, zählen pyogene Granulome, invertierte Papillome oder Hämangiome. Maligne Neoplasmen im Nasenrachenbereich sind vor allem bei Kindern sehr selten Ursprung einer Epistaxis; bei Erwachsenen muss an Melanome, Rhabdomyosarkome und nasopharyngeale Karzinome gedacht werden.

Meist selbstlimitierend

Der Großteil der anterioren Nasenblutungen ist selbstlimitierend; posteriore Epistaxis kann dagegen zu einer signifikanten Hämorrhagie führen. Der Ursprung einer posterioren Blutung liegt meist in den Ästen der A. sphenopalatina, kann aber auch direkt aus der Carotis kommen. Wiederkehrende posteriore Blutungen oder massive Hämorrhagien können auf ein Aneurysma der A. carotis hinweisen, welches wiederum als Pseudoaneurysma im Zusammenhang mit Eingriffen im Kopf- und Nackenbereich oder einem Trauma stehen kann. Im Kindesalter treten posteriore Nasenblutungen – wenn überhaupt – dann nur in Verbindung mit schwerwiegenden nasalen Traumen auf.

Temmel verweist darauf, dass Epistaxis außer einer gravierenden Lokalerkrankung auch ein Zeichen für eine systemische Erkrankung sein kann. Im Falle einer systemischen Erkrankung stellt das Nasenbluten nur selten die einzige Manifestation dar. „Beim Erwachsenen ist die Hypertonie eine häufige Ursache für Nasenbluten“, so Gstöttner. Ein eindeutiger Zusammenhang konnte allerdings in Studien nicht immer dargestellt werden, sodass bisher nicht ausreichend geklärt werden konnte, ob die Hypertonie ursächlich für Nasenbluten ist oder ob sich Blutungsepisoden bei hohem Blutdruck lediglich verlängern.

Im Kindesalter wiederum nimmt die Hypertonie laut Temmel eine untergeordnete Rolle ein. Störungen der Blutgerinnung und andere hämatologische Erkrankungen äußern sich dagegen bei Kindern und Erwachsenen öfter mit begleitendem Nasenbluten. Wiederkehrende, häufige spontane Epistaxis, die verlängert und unter Umständen schwer zu kontrollieren ist, könnte ein erster Hinweis auf eine Gerinnungsstörung sein. „Hämophilie, ein Mangel an Gerinnungsfaktoren, oder eine Thrombopenie, zum Beispiel im Rahmen einer Leukämie, sollten bedacht und abgeklärt werden“, rät Temmel und empfiehlt vor allem bei Kindern nach blauen Flecken zu fragen. Da Personen mit Blutgruppe 0 eine geringere Expression des von Willebrand-Faktors aufweisen und somit eine relative Blutungstendenz zeigen, kann das Vorliegen der Blutgruppe 0 einigen Studien zufolge als Risikofaktor für Epistaxis angesehen werden. 90 Prozent aller Patienten mit hereditärer hämorrhagischer Teleangiektasie werden bereits bis zum zwölften Lebensjahr mit Nasenbluten vorstellig. Der Schweregrad der nasalen Blutungen nimmt mit dem Alter zu; fragile Läsionen bluten unter Behandlung meist mehr als ohne. „Diffuse Blutungen an mehreren Stellen weisen eher auf eine Gerinnungsstörung hin. Spritzende Blutungen aus der Nase gehen daher eher mit Hochdruck einher“, erklärt Gstöttner.

Weitere systemische Ursachen für Nasenbluten sind inflammatorische Erkrankungen wie die Wegener‘sche Granulomatose. Weitere mögliche Ursachen sind Leberinsuffizienz, rheumatische Erkrankungen, Diabetes mellitus und chronisch obstruktive Lungenerkrankungen. Physiologisch kann Nasenbluten im Rahmen von körperlicher Aktivität oder hormonell während der Schwangerschaft, Menstruation, Pubertät oder Menopause verstärkt auftreten. In der Literatur wird geraten, bei Kindern unter zwei Jahren, die Nasenbluten haben, auch an die Möglichkeit einer Misshandlung zu denken. Temmel kann sich in seiner langjährigen Praxis an keinen derartigen Fall erinnern; er rät daher, eher an eine systemische Erkrankung zu denken, da Nasenbluten bei unter Zweijährigen extrem selten ist.

Gstöttner rät, in jedem Fall die eingenommenen Medikamente zu hinterfragen, da einige antiinflammatorische Pharmaka sowie Antikoagulantien mit häufigerem Nasenbluten einhergehen können. „Thrombo-Ass, Aspirin, Plavix, Marcoumar und auch die neuen oralen Antikoagulantien sollten bei rezidivierendem oder verstärktem Nasenbluten nach Rücksprache mit dem Internisten reduziert werden“, ergänzt Gstöttner. Auch der Einsatz von nasalen Steroiden kann zu einer Zunahme von anterioren Nasenblutungen führen.

Kommt ein Patient mit Nasenbluten, ist es – unabhängig vom Alter – hilfreich, ihn zu beruhigen und als Sofortmaßnahme die Nasenflügel kontinuierlich für zehn Minuten zuzudrücken. Davor sollte die Nase nach Möglichkeit durch Schnäuzen von Blut und Gerinnseln gereinigt werden. Ergänzt werden sollte diese Vorgangsweise mit kalten Umschlägen im Nacken, wobei der Kopf eher nach vorne geneigt werden sollte, um zu verhindern, dass das Blut an der Rachenhinterwand abläuft. „Eine Blutungsursache im Bereich des Lokus Kiesselbach kann auch mit dem Otoskop gesehen werden. Ist dieser trocken, so ist eine andere Ursache in Erwägung zu ziehen“, führt Temmel weiter aus. Zur adäquaten Beurteilung der Blutungsquelle ist ein nasales Spekulum oder eine Nasenendoskopie notwendig. Auch rezidivierende Blutungen bedürfen einer eingehenden Begutachtung; Verödungen können nach Abklärung der Ursache bei diesen Patienten das Problem dauerhaft lösen.

Temmel gibt zu bedenken, dass sogar abschwellende Sprays oder Naseneinlagen manchmal eine Herausforderung bei Kindern darstellen. „Nahezu alle Maßnahmen, die in der Nase gesetzt werden, können beim Erwachsenen in Lokalanästhesie durchgeführt werden. Vor allem bei Kindern unter sechs Jahren ist manchmal eine Kurznarkose notwendig.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2015