Eisensubstitution bei Mangel: Niedrige Dosen: besser verträglich

10.05.2015 | Medizin

Die orale Verabreichung von Eisen ist Standard bei der Behandlung des leichten Eisenmangels – allerdings in möglichst niedrigen Dosen mit 50mg/Tag. Höhere Dosen führen nicht zu einer höheren Resorptionsrate, sondern vielmehr zu häufigeren Unverträglichkeiten.

Von Eisenmangel betroffen sind etwa 20 Prozent der Senioren über dem 70. Lebensjahr und 20 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter, die unter starker Menses leiden“, erklärt Univ. Prof. Christoph Gasche, Universitätsklinik für Innere Medizin III am Wiener AKH. Bei 25 bis 95 Prozent der Männer und postmenopausalen Frauen mit Eisenmangel-Anämie wird ein gastrointestinaler Blutverlust festgestellt. „An den Universitätskliniken ist es nicht machbar, diese Patientenzahlen zu versorgen, das ist Aufgabe der niedergelassenen Kollegen und von medizinischen Kompetenzzentren“, betont Gasche. Der Hausarzt spielt mit der Erstellung der Anamnese eine wesentliche Rolle. Der niedergelassene Internist wiederum ist für die Basisdiagnostik und die differentialdiagnostische Weichenstellung wichtig. „Beide sind auch in der Therapiebegleitung wie bei Verlaufskontrollen, Überprüfung des Therapieerfolgs sowie erforderlichen weiteren Therapien unerlässlich, wenngleich die Therapie mit modernen iv.-Eisenpräparaten durch Teams erfolgen sollte, die auch anaphylaktische Infusionsreaktionen sicher behandeln können“, ergänzt Univ. Prof. Heinz Zoller von der Universitätsklinik für Innere Medizin II der MedUni Innsbruck.

Bei der Ursachenforschung für den Eisenmangel beziehungsweise für die Eisenmangel-Anämie muss eine Vielzahl von Erkrankungen in Betracht gezogen werden: jene, die mit einer gestörten Eisenaufnahme einhergehen sowie jene mit chronischem Blutverlust. So führen Autoimmungastritis und spezielle Helicobacter-pylori-Stämme bei bestimmten Patienten dazu, dass Eisen schlecht aus der Nahrung aufgenommen beziehungsweise extrahiert wird. Zöliakie beziehungsweise Glutensensitivität führen – wenn sie nicht diätetisch berücksichtigt werden – ebenfalls zum Eisenmangel. Weiters kann jede chronische Entzündung oder Tumorerkrankung – insbesondere im fortgeschrittenen Stadium – über die Ausschüttung des Peptids Hepcidin zu einer gestörten Eisenresorption führen.

Wenn auch bei Verlustsyndromen zunächst erst an einen Tumor oder Polypen gedacht wird, sind doch 95 Prozent aller Ursachen nicht-neoplastisch. Die bei weitem größte Gruppe stellen Angiodysplasien im Dünndarm bei älteren Patienten – meist mit kardialen Erkrankungen – dar. Weitere Blutungsursachen sind Sodbrennen und Refluxerkrankung, spezielle Formen einer großen Hiatushernie mit erosiven Veränderungen auf Grund von Durchblutungsstörungen der Magenwand, chronisch entzündliche Darmerkrankungen (M. Crohn, Colitis ulcerosa) sowie die ischämische Kolitis – klassischerweise nach einer Anastomosenoperation. Auch alle Formen der erosiven und ulzerösen Magen- und Zwölffingerdarm-Erkrankungen (Gastritis, Ulcus ventrikuli und Ulcus duodeni) können zum Blutverlust führen. „Sie sind meist medikamentös induziert, jedoch durch den Einsatz von Magenschutz seltener geworden. Viel häufiger treten heute Geschwüre und erosive Veränderungen im Dünn- und Dickdarm, sogenannte NSAR-Kolitis, auf“, berichtet Gasche. Patienten mit Varizen und Blutungen, die durch Hämorrhoiden verursacht sind, können ebenfalls eine Blutungsanämie entwickeln. Außerdem muss an Sonderformen von neoplastischen Erkrankungen (beispielsweise Peutz-Jeghers-Syndrom) oder an Angiodysplasien (beispielsweise Morbus Osler) gedacht werden.

Diagnostik: zunächst nicht-invasiv

Zunächst erfolgt eine nicht-invasive Diagnostik. Bei Frauen kann so eine Anämie infolge starker Menstruationsblutung ausgeschlossen werden. „Zuerst muss der Patient gezielt nach dunklem Stuhlgang gefragt werden. So lässt sich die overte Blutung (Hämatochezie, Meläna) von der okkulten Blutung mit unverändertem makroskopischen Stuhlunterscheiden“, empfiehlt Zoller. Daneben sind laborchemische Untersuchungen (Eisenstatus und Blutbild) erforderlich. Als Standard haben sich auch Antikörpertests auf Zöliakie und Autoimmungastritis, ein Atem- oder Stuhltest auf H. pylori sowie ein Okkult-Bluttest etabliert. Können Zöliakie, Autoimmungastritis und H. pylori als Ursachen ausgeschlossen werden, ist eine Resorptionsstörung eher unwahrscheinlich. „Sowohl bei positivem als auch bei negativem Befund des Okkult-Bluttests muss bei Patienten über 50 Jahren eine Endoskopie durchgeführt werden, insbesondere um Karzinome des unteren Gastrointestinaltrakts auszuschließen“, lautet die Empfehlung von Zoller. Im Rahmen der Differentialdiagnose werden weiters das C-reaktive Protein (CRP) und Calprotectin im Stuhl bestimmt. „Sind die Entzündungsmarker erhöht, kann man davon ausgehen, dass das Eisen schlecht resorbiert wird“, so Gasche.

Sowohl bei Verdacht auf eine gastrointestinale Blutung als auch bei Resorptionsstörungen, sollte eine kombinierte Gastro-/Koloskopie durchgeführt werden. Lässt sich keine Blutungsursache finden, kann eine Kapselendoskopie in einem spezialisierten Zentrum weiterhelfen. Dazu Gasche: „Hier wird nochmal nachendoskopiert. Denn meist finden sich in der Gastro- und Koloskopie doppelt so viele Läsionen wie nach der Erst-Endoskopie im niedergelassenen Bereich“, schildert Gasche. Ist die Blutungsquelle mittels Kapselendoskopie identifiziert, wird die Blutung im Rahmen der Enteroskopie gestillt. Ergibt die Kapselendoskopie ebenfalls kein diagnostisches Substrat, sind schichtgebende Verfahren (Darmsonographie, CT und MR) angezeigt. Damit können seltene Blutungsquellen (beispielsweise gastrointestinale Stromatumore) identifiziert werden. „Der Blutverlust ist ab einem latenten Eisenmangel therapiepflichtig, selbst bei normalem Hämoglobin-Wert“, betont Zoller. Der Grund: Bei Kindern können Wachstumsverzögerungen und kognitive Defizite auftreten, aber auch Erwachsene zeigen nach der Therapie eine verbesserte Leistungsfähigkeit.

Standard: orale Therapie

Standard in der Behandlung des leichten Eisenmangels ist die orale Applikation, speziell wenn keine Aufnahmestörung sondern ein Verlustsyndrom die Ursache darstellt. „Es sollten möglichst niedrige Dosen – maximal 100mg/Tag, meist reichen 50mg/Tag – gegeben werden. Zu hohe Dosen führen zu keiner höheren Resorptionsrate, vielmehr ist mit häufigeren Unverträglichkeiten zu rechnen“, weiß Gasche. Für die Therapie steht in Österreich eine Vielzahl an Präparaten zur Verfügung. Die meisten weisen eine Slow-release-Formulierung auf. „Diese Präparate sind zu meiden, da sich die Tabletten erst im Dünndarm auflösen, das therapeutische Eisen schließlich im Dickdarm landet und dort nicht mehr resorbiert werden kann“, macht Gasche aufmerksam. Die iv.-Applikation wiederum ist grundsätzlich nur dann indiziert, wenn die orale Eisentherapie nicht wirksam ist oder nicht toleriert wird oder der Patient nahe an der Transfusionsgrenze liegt (Hb < 10 g/dl). Zoller sieht hier einen Paradigmenwechsel: „Durch die modernen iv.-Eisenpräparate ist eine hohe Dosierung mit schnellerem Ansprechen und geringeren gastrointestinalen Nebenwirkungen möglich – das gilt besonders für Patienten mit Eisenresorptionsstörungen.“ Gasche ergänzt: „Auch hier ist in Österreich eine Reihe von Präparaten verfügbar, die zumeist sicher sind. Problematisch sind Dextran-haltige Präparate oder das in Österreich nicht zugelassene Eisen-Gluconat.“ Ein vieldiskutiertes Thema ist nach wie vor der Inhalt eines 2013 veröffentlichten Rote-Hand-Briefes der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) mit verschärften Empfehlungen für die Verabreichung von Eisen-Infusionen. Eisen soll demnach iv. nur unter Reanimationsbereitschaft appliziert werden. Gasche pflichtet der Empfehlung bei: „Diese relevanten Infusionen sind vergleichbar mit einer Biologika- oder Chemotherapie und sollen daher nur von versierten Ärzten in speziellen Zentren durchgeführt werden.“ Bei richtiger Anwendung liege die Nebenwirkungsrate bei etwa einem Prozent. Gasche weiter: „Diese meist harmlosen adversen Events können leicht abgefedert werden. Dennoch muss immer Reanimationsbereitschaft bestehen.“ Zoller verfolgt einen pragmatischen Ansatz: „Jeder Hausarzt, der eine Impfung durchführt, muss auch eine entsprechende Reanimationsausrüstung zur Verfügung haben, um einen anaphylaktischen Schock zu behandeln. Dennoch schließe ich mich der EMA-Empfehlung an, dass iv.-Eisen von Ärzten appliziert werden soll, die Erfahrung mit der Gabe sowie der Handhabung von Notfallsituationen haben – das muss jedoch nicht notwendigerweise in einem Zentrum sein.“
EM

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 9 / 10.05.2015