Bak­te­ri­elle Endo­kar­di­tis: Geän­der­tes Erregerspektrum

10.03.2015 | Medizin

Die Ursa­che für die hohe Kom­pli­ka­ti­ons- und Sterb­lich­keits­rate der Endo­kar­di­tis liegt in der häu­fig unspe­zi­fi­schen Sym­pto­ma­tik und der oft­mals spät gestell­ten Dia­gnose – dau­ert es doch im Durch­schnitt vier Wochen, bis die rich­tige Dia­gnose gestellt wird. Ebenso ist eine Ver­schie­bung des Erre­ger­spek­trums von Strep­to­kok­ken hin zu Sta­phy­lo­kok­ken zu registrieren.Von Katja Domnanovits

Im Grunde gäbe es bei der Endo­kar­di­tis drei Haupt­kom­pli­ka­tio­nen, sagt Univ. Prof. Tho­mas Bin­der von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin am AKH Wien. Ers­tens die Aus­brei­tung der Ent­zün­dung in die Umge­bung; zwei­tens das Los­rei­ßen einer Vege­ta­tion (Embo­lie) oder die betrof­fene Klappe wird durch die Ent­zün­dung undicht.

Die häu­figste Kom­pli­ka­tion einer infek­tiö­sen Endo­kar­di­tis liegt in der Zer­stö­rung von Herz­klap­pen. Es kann zu embo­li­schen Ereig­nis­sen wie zu einem zere­bra­len Insult, Nie­ren­in­farkt oder einer Pul­mo­n­al­em­bo­lie kom­men – abhän­gig von der befal­le­nen Herz­klappe – oder als ful­mi­nan­teste Kom­pli­ka­tion zum sep­ti­schen Schock mit Multiorganversagen. 

Per­so­nen mit einem ange­bo­re­nen Herz­feh­ler, mit Herz­klap­pen­er­kran­kun­gen bezie­hungs­weise bei Sta­tus post Herz­klap­pen­ope­ra­tion sowie immun­sup­p­ri­mierte Pati­en­ten haben ein höhe­res Risiko, eine bak­te­ri­elle Endo­kar­di­tis zu erlei­den. Das Vor­han­den­sein von zen­tral­ve­nö­sen Kathe­tern, Schritt­ma­cher­son­den und Endo­pro­the­sen kann eben­falls zum Ver­schlep­pen von Kei­men füh­ren; ebenso auch die Ver­wen­dung von unste­ri­len Sprit­zen bei Drogenabusus.

Pati­en­ten, die in die Ordi­na­tion oder Spi­tals­am­bu­lanz mit Fie­ber unkla­rer Ätio­lo­gie kom­men und zu einer Risi­ko­gruppe gehö­ren, müs­sen unbe­dingt einer Endo­kar­di­tis­dia­gnos­tik unter­zo­gen wer­den. In vie­len Fäl­len kann ein patho­lo­gi­sches Herz­ge­räusch aus­kul­tiert wer­den oder es mani­fes­tie­ren sich Haut­lä­sio­nen wie Osler-Knöt­chen, Pete­chien oder Janeway-Läsionen.

Für die Dia­gnose einer Endo­kar­di­tis sol­len eine Ana­mnese, ein kli­ni­scher Sta­tus, eine Labor­un­ter­su­chung, bild­ge­bende Unter­su­chun­gen (TTE/​TEE) sowie ein EKG gemacht wer­den. Die Duke-Kri­te­rien die­nen der Dia­gno­se­stel­lung einer Endokarditis.

Zur Dia­gnose selbst meint Univ. Prof. Robert Krause von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin an der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät: „Es sind min­des­tens drei Paare einer aero­ben und anae­ro­ben Blut­kul­tur not­wen­dig, ins­ge­samt sechs Fla­schen, die zum sel­ben Zeit­punkt und auch an der­sel­ben Ein­stich­stelle gleich­zei­tig abge­nom­men wer­den kön­nen.“ Dabei ist auf eine ord­nungs­ge­mäße Abnahme der Blut­kul­tu­ren zu ach­ten, um eine Kon­ta­mi­na­tion zu ver­mei­den. Krause wei­ter: „Die Endo­kar­di­tis zeigt für gewöhn­lich eine kon­ti­nu­ier­li­chere Bak­te­ri­ämie ver­gli­chen mit Bak­te­ri­ämien durch andere Infek­tio­nen, wie zum Bei­spiel die der Weichteile.“

Die zweite Säule der Endo­kar­di­tis-Dia­gnos­tik stellt die Echo­kar­dio­gra­phie dar – sowohl transtho­ra­kal (TTE) als auch trans­ö­so­pha­geal (TEE). Mit­tels TEE wird nach oszil­lie­ren­den Struk­tu­ren an Klap­pen, Abs­zes­sen, Klap­pen­de­his­zen­zen sowie neu auf­ge­tre­te­nen oder aggra­vier­ten Klap­pen­in­suf­fi­zi­en­zen gesucht.

Hohe Mor­bi­di­tät

Wenn auch die bak­te­ri­elle Endo­kar­di­tis mit 1,7 bis 6,2 Fällen/100.000 Per­so­nen pro Jahr zwar keine sehr häu­fige Erkran­kung dar­stellt, hat sie jedoch auf­grund der hohen Mor­bi­di­tät und Mor­ta­li­tät beson­dere Bedeu­tung. 20 bis 40 Pro­zent der Betrof­fe­nen erlei­den eine mani­feste neu­ro­lo­gi­sche Kom­pli­ka­tion. Die Mor­ta­li­tät beträgt 20 bis 25 Pro­zent; bei Pati­en­ten mit Klap­pen­pro­the­sen sogar 23 bis 60 Pro­zent. Die Ursa­che für die hohe Kom­pli­ka­ti­ons- und Sterb­lich­keits­rate liegt in der häu­fig unspe­zi­fi­schen Sym­pto­ma­tik und der oft­mals spät gestell­ten Dia­gnose – dau­ert es doch im Durch­schnitt vier Wochen, bis die rich­tige Dia­gnose gestellt wird.

Zur unspe­zi­fi­schen Sym­pto­ma­tik zäh­len Fie­ber, Arthr­al­gien, Anämie, Nacht­schweiß, Tachy­kar­die, Abge­schla­gen­heit, Sple­no­me­ga­lie, Haut­ver­än­de­run­gen und mög­li­cher­weise auch bereits Zei­chen der Herz­in­suf­fi­zi­enz. Bei der mil­de­ren, chro­ni­fi­zier­ten Form (Endo­kar­di­tis lenta) kann das Feh­len von Fie­ber oft fehl­ge­deu­tet wer­den. Die Pati­en­ten kla­gen in die­sem Fall manch­mal ledig­lich über Mat­tig­keit und ver­mehr­tes Schwit­zen. In den letz­ten Jah­ren ist es dar­über hin­aus zu einer Ver­schie­bung des Erre­ger­spek­trums von Strep­to­kok­ken hin zu Sta­phy­lo­kok­ken gekom­men. Am häu­figs­ten wer­den Sta­phy­lo­kok­kus aureus, koagu­lase-nega­tive Sta­phy­lo­kok­ken, Strep­to­kok­kus viridans und bovis, aber auch Ente­ro­kok­ken und MRSA (methi­cil­lin­re­sis­ten­ter Sta­phy­lo­kok­kus aureus) als Erre­ger iden­ti­fi­ziert. Der zeit­li­che und kli­ni­sche Ver­lauf der Erkran­kung, die Kom­pli­ka­ti­ons­rate sowie die Mor­ta­li­tät hän­gen von der Viru­lenz des Erre­gers ab. Wäh­rend die Infek­tion mit Strep­to­kok­kus viridans eher sub­akut ver­läuft, han­delt es sich bei einer durch Sta­phy­lo­kok­kus aureus ver­ur­sach­ten Endo­kar­di­tis meist um ein hoch aku­tes Krankheitsbild. 

Je nach Pro­gre­di­enz und der Wahr­schein­lich­keit für das Auf­tre­ten von Kom­pli­ka­tio­nen soll ein frü­hest­mög­li­cher The­ra­pie­be­ginn erfol­gen. „Der Beginn einer anti­bio­ti­schen The­ra­pie ist abhän­gig von den Duke-Kri­te­rien. So muss eine anti­bio­ti­sche The­ra­pie natür­lich auch bei noch nicht vor­han­de­nem Blut­kul­tur-Ergeb­nis begon­nen wer­den, wenn durch andere Duke-Kri­te­rien die Dia­gnose einer Endo­kar­di­tis gesi­chert oder wahr­schein­lich gemacht wer­den kann“, betont Krause. Ebenso müs­sen poten­ti­elle Infek­ti­ons­quel­len – wie zum Bei­spiel zen­tral­ve­nöse Kathe­ter – umge­hend ent­fernt werden.

Laut den Gui­de­lines der Euro­pean Society of Car­dio­logy unter­schei­det man bei der Dauer der Anti­biose zwi­schen nati­ven Herz­klap­pen und Herz­klap­pen­pro­the­sen. Dem­zu­folge ist bei einer Sta­phy­lo­kok­ken-Endo­kar­di­tis und beim Befall von nati­ven Klap­pen Flu­clo­xa­cil­lin in Kom­bi­na­tion mit Gen­ta­micin für vier bis sechs Wochen vor­ge­se­hen. Bei einer durch MRSA ver­ur­sach­ten Endo­kar­di­tis wird Van­co­my­cin anstelle von Flu­clo­xa­cil­lin für vier bis sechs Wochen ver­ab­reicht. Bei einem bestehen­den Klap­pen­er­satz wird in den ESC-Gui­de­lines zusätz­lich Rif­am­pi­cin emp­foh­len; die Anti­biose erfolgt für sechs Wochen. Bei einer Strep­to­kok­ken-Endo­kar­di­tis wird Peni­cil­lin G oder Amoxi­cil­lin über vier Wochen gege­ben oder als zwei­wö­chige Behand­lung in Kom­bi­na­tion mit Gen­ta­micin. Ceft­ria­xon stellt die Alter­na­tive bei Peni­cil­lin-All­er­gie dar. Den Aus­sa­gen von Krause zufolge ist die anti­bio­ti­sche The­ra­pie mit Gen­ta­micin auf­grund der Neph­ro­to­xi­zi­tät und des feh­len­den Bene­fits bei Endo­kar­dit­i­den, die durch Sta­phy­lo­kok­kus aureus ver­ur­sacht sind, obso­let. „Gen­ta­micin wird im Falle einer Ente­ro­kok­ken-Endo­kar­di­tis und bei Endo­kar­dit­i­den ohne Keim­nach­weis mit oder ohne Klap­pen­pro­these ver­wen­det“, führt er wei­ter aus.

Eine chir­ur­gi­sche Inter­ven­tion bezie­hungs­weise ein Klap­pen­er­satz kom­men dann in Frage, wenn

  • trotz Anti­biose die Zei­chen der Herz­in­suf­fi­zi­enz persistieren;
  • es echo­kar­dio­gra­phisch zu einer hämo­dy­na­misch wirk­sa­men Steno­sie­rung der Klappe kommt und damit ein kar­dio­ge­ner Schock droht;
  • die Infek­tion nicht mit kon­ser­va­ti­ven Maß­nah­men zu beherr­schen ist bezie­hungs­weise ein hohes Risiko für embo­li­sche Ereig­nisse besteht. Die­ses wird anhand der Größe der Vege­ta­tion in der trans­ö­so­pha­gea­len Echo­kar­dio­gra­phie gemessen.

Bin­der dazu: „An eine frühe chir­ur­gi­sche Inter­ven­tion muss dann gedacht wer­den, wenn die Ent­zün­dung anders nicht zu beherr­schen ist, wenn der Pati­ent hämo­dy­na­misch insta­bil wird, prin­zi­pi­ell beim Auf­tre­ten aller Art von Kom­pli­ka­tio­nen, vor allem bei Pati­en­ten mit Prothesen-Endokarditis.“

Eine anti­bio­ti­sche Pro­phy­laxe ist laut ESC-Gui­de­lines nur dann not­wen­dig, wenn die Betrof­fe­nen ein hohes Endo­kar­di­tis-Risiko auf­wei­sen – also bei Herz­klap­pen­er­satz, Herz­klap­pen­re­pair, St.p. Endo­kar­di­tis sowie bei Pati­en­ten mit kon­ge­ni­talen Herz­feh­lern. Die Pro­phy­laxe besteht in der ein­ma­li­gen Gabe von 2G Amoxi­cil­lin oder Ampi­cil­lin bezie­hungs­weise bei Peni­cil­lin-All­er­gie in 600mg Clindamycin.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 5 /​10.03.2015