Standpunkt – Vize-Präs. Johannes Steinhart: Und täglich grüßt das Murmeltier

25.04.2014 | Standpunkt

© Gregor Zeitler

Es entspricht nicht dem Zeitgeist, bei weitreichenden Entscheidungen, die ein System grundlegend ändern und auch eine Vielzahl von Menschen betreffen, die in diesem System agierenden Personen – die vermutlich am meisten davon verstehen –, einzubeziehen.

Über die Gründe für dieses Handeln lässt sich spekulieren: etwa um keine langwierigen Diskussionen aufkommen zu lassen; oder um die Umsetzung dieser neuen Ideen, die irgendwelche Planer fern jeglicher Realität entworfen haben, nicht zu gefährden; oder damit vermeintliche oder tatsächliche Schwächen dieses neuen Systems nicht gleich in der Planungsphase offensichtlich werden und das große Ganze zum Scheitern bringen, noch bevor es richtig begonnen hat.

Änderungen das Gesundheitswesen betreffend haben noch zusätzliche Besonderheiten. In Österreich werden Ärztinnen und Ärzte zwar in Arbeitskreise zu verschiedensten Themen eingeladen, haben dann aber dort oft nur Alibi-Funktion. Etwa dann, wenn in Gremien mit zweistelliger Teilnehmerzahl die Ärztekammer mit gerade einmal einer Stimme vertreten ist – meist ohne Veto-Möglichkeit. Oder eine andere politische Realität: Im Primary Health Care Board, in dem es um die künftige Versorgung im niedergelassenen Bereich geht, sind mittlerweile Vertreter aller möglichen Institutionen eingebunden. Ohne hier irgendjemandem zu nahe treten zu wollen: Die Intention, mit den verschiedensten Gruppierungen in Dialog zu treten, ist ja an sich zu begrüßen und diesen Dialog werden wir auch gerne führen. Nur wenn es darum geht, wie künftig die Arbeit und der Arbeitsalltag von uns niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten aussehen soll: Darüber möchten wir selbst entscheiden. Es gibt schon zu viele in der Medizin, die eigentlich nichts von Medizin verstehen, aber bestimmen wollen, wie Medizin zu funktionieren hat.

Und genauso realitätsfern sieht dann auch das Ergebnis dieser Planer aus. Denn das, was als Primary Health Care-Planung auf dem Tisch liegt, könnte sich zum Abgesang auf die Patienten-nahe und Wohnortnahe freie Arztwahl entwickeln. Denn der Verdacht liegt nahe, dass Primary Health Care Zentrenbildung bedeuten könnte und die niedergelassene Fachärzteversorgung ausdünnen will.

Das Brustkrebsfrüherkennungsprogramm ist ein Beispiel für zentralistische – misslungene – Planungsvorstellungen. Ja, wir Ärzte waren in die Planungen eingebunden und haben von Anfang an darauf aufmerksam gemacht, dass die Frauen lieber einem Ratschlag ihres betreuenden Arztes folgen als einer anonymen Einladung. Die Einsicht, dass es vielleicht möglicherweise doch keine gute Idee war, die direkte ärztliche Zuweisung abzuschaffen, fehlt den anderen Systempartnern noch.

Wenn Primary Health Care ebenso daneben geht wie das Brustkrebsfrüherkennungsprogramm, wird das damit angestrebte Ziel, die Spitalsambulanzen zu entlasten, unerreichbar sein. Nicht nur das: Man hätte dann ein bislang gut funktionierendes Versorgungssystem im niedergelassenen Bereich mutwillig zerstört.

Und es ist wie im Film: Wir fangen bei jeder Gesundheitsreform immer wieder von vorne an – täglich grüßt das Murmeltier…

Johannes Steinhart
3. Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2014