20 Jahre „Recht der Medizin“: Von der Staatsarzneykunde zum Medizinrecht

25.03.2014 | Politik

Mit der Etablierung des Medizinrechts wurde 1994 auch die Fachzeitschrift „Recht der Medizin“ gegründet. Bis heute ist sie die einzige Zeitschrift in Österreich mit dieser thematischen Spezialisierung.Von Marion Huber

Die Etablierung des Faches „Medizinrecht“ habe sich auch in der Gründung der Fachzeitschrift „Recht der Medizin“ im Jahr 1994 ausgedrückt, wie Univ. Prof. Christian Kopetzki von der Abteilung Medizinrecht des Instituts für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien bei der Jubiläumsveranstaltung anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Zeitschrift Anfang März in Wien erklärte. Es sei damals eine „glückliche Initiative“ der ÖÄK, des Bundesministeriums für Gesundheit, der Universitäten und des Manz-Verlags gewesen. Kopetzki – er ist promovierter Jurist und Mediziner – weiter: „Und bis heute ist sie die einzige Zeitschrift in Österreich mit dieser thematischen Spezialisierung.“

Wenn die Entwicklung des Faches auch auf wenige Jahrzehnte fokussiert sei, seine Wurzeln gebe es schon seit etwa 200 Jahren. Die Staatsarzneykunde mit den beiden Säulen „Gerichtliche Arzneikunde“ und „Medizinische Polizey“ sei eine Schnittstellenkunde zwischen Medizin und Verwaltung gewesen. „Medizinische Polizey meinte damals die Abwehr von Gefahren – und das ist ja auch Kern des Medizinrechts“, erklärte der Experte. Die Grenzen zwischen den Fächern waren fließend; viele Autoren – so etwa Johann Peter Frank als einer der führenden Autoren auf dem Gebiet – seien aus der Medizin gekommen.

Weil die Hygiene sich unter dem Druck der Verwissenschaftlichung der Medizin zu einem strikten medizinischen Sonderfach entwickelte, sei das Fach „Medizinische Polizey“ im 19. Jahrhundert „quasi den Bach hinuntergegangen“, so Kopetzki weiter. Nicht-medizinische Aspekte wurden ausgegrenzt: „Der normative Teil ist zur Sanitätsgesetzkunde verkommen und wurde zu einer Sammlung von Erlässen ohne Anspruch von wissenschaftlicher Systematisierung.“

Erst um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert folgte ein neuer Impuls; aus der zivil- und strafrechtlichen Judikatur entwickelte sich ein „neuer wissenschaftlicher Beschäftigungsstrang“ (Kopetzki) mit dem, was heute als Medizinrecht bekannt ist. Das erkläre auch, warum arztrechtliche Fragen zunächst sehr stark vom Haftungsrecht dominiert waren und es kaum positiv-rechtliche Normen gab. „Dann trat im 20. Jahrhundert der Gesetzgeber immer mehr auf den Plan und positivierte viele Aspekte.“ Krankenanstaltenrecht, Arzneimittel- und Medizinprodukterecht, Fortpflanzungsmedizinrecht… im Kern spiele sich in Österreich – im Gegensatz zu anderen Ländern wie etwa Deutschland – der Großteil im Verwaltungsrecht ab. „Österreich hat da einen eigenen Weg“, sagte Kopetzki.

Begriff Medizinrecht etabliert

Ab den 1970er und 1980er Jahren sei schließlich der Einfluss des internationalen und EU-Rechts zu spüren – und um diese Zeit seien auch die Begrifflichkeiten entstanden, führte der Jurist weiter aus. „Das Wort ‚Medizinrecht‘ ist eine Schöpfung der 80er/90er Jahre und hat sich etwa zeitgleich in den meisten Rechtsordnungen etabliert.“ Damit wurde der Begriff „Arztrecht“ als Überbegriff weitgehend abgelöst. Es sei aber kein bloßer Zufall, dass heute „Medizinrecht“ heißt, was früher „Arztrecht“ genannt wurde. Was auf den ersten Blick wie ein simpler verbaler Austausch scheine, habe durchaus auch eine symbolische Bedeutung: „Weg von der einseitigen Perspektive und der Fokussierung auf den Arzt hin zu einer neutralen Bezeichnung.“

Im Vordergrund des Arztrechts stand nicht das subjektive Recht des Arztes sondern die Pflichten des Arztes als Angehörigen eines freien Berufs gegenüber dem Patienten, erklärte Univ. Prof. Erwin Bernat vom Institut für Zivilrecht, Ausländisches und Internationales Privatrecht an der Karl-Franzens-Universität Graz. Die Arzt-zentrierte Beurteilung des Arzt-Patienten-Verhältnisses sei heute weitgehend einer Patienten-zentrierten Beurteilung dieser Rechtsbeziehung gewichen – durch die Patientenrechtebewegung und etwa § 5a KAKuG (BGBl 1993/801) sowie die sogenannte Patientencharta. „Die Patientencharta hat das geltende Recht aber nicht bereichert. Sie sagt nicht mehr als was bereits geltendes Patientenrecht ist und trägt zu einer gewissen Einheit und Ordnung bei. Aber auch das ist ein Fortschritt gewissen Grades“, so Bernat.

Medizinrecht als Querschnittsmaterie

Wie schon die Staatsarzneykunde sei auch das heutige Medizinrecht eine Querschnittsmaterie, die „nicht den traditionellen juristischen Fächergrenzen folgt“. Um diese Interdisziplinarität innerhalb der juristischen Disziplinen habe es heftiges Ringen gegeben, die Widerstände waren groß, erinnert sich Kopetzki. „Der Wind hat von allen Seiten geblasen – von den Ärzten, Juristen und Gerichtsmedizinern.“ Heute gebe es eine fruchtbare Zusammenarbeit; das Fach sei anerkannt, die wissenschaftliche Community setze sich durch, was sich in einer „Flut von Kongressen, Publikationen und der Schaffung von Lehrstühlen“ bestätige.

In Vertretung von Kammeramtsdirektor Johannes Zahrl, der kurzfristig verhindert war, hielt Melanie Hinterbauer einen Vortrag zum Thema „Entwicklungstendenzen im ärztlichen Disziplinarrecht“; weiters referierten bei der Jubiläumsveranstaltung auch Univ. Prof. Matthias Neumayr, Hofrat des Obersten Gerichtshofs, und Meinhild Hausreither vom Gesundheitsministerium.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2014