Land­me­di­zin: Die Dra­ma­tik der Demographie

10.09.2014 | Politik

Der Alters-Shift bei nie­der­ge­las­se­nen Ärz­ten zeigt sich in Kärn­ten ganz beson­ders: Hier sind bereits drei Vier­tel der All­ge­mein­me­di­zi­ner über 55 Jahre alt.
Von Agnes M. Mühlgassner

Den Unmut der Bevöl­ke­rung über die nur unzu­rei­chende medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung im nie­der­ge­las­se­nen Bereich – spe­zi­ell in länd­li­chen Regio­nen – bekom­men mitt­ler­weile auch immer mehr die regio­na­len Poli­ti­ker zu spü­ren. Das haben erst unlängst wie­der Bür­ger­meis­ter beim von der ÖÄK ver­an­stal­te­ten Sym­po­sium Land­me­di­zin zum Aus­druck gebracht. Dazu der Kuri­en­ob­mann der nie­der­ge­las­se­nen Ärzte in der ÖÄK, Johan­nes Stein­hart: „Die regio­na­len Poli­ti­ker haben den Ernst der Situa­tion schon längst erkannt, näm­lich dass die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung nicht mehr opti­mal ist.“ Denn inzwi­schen kön­nen in vie­len Bun­des­län­dern Nacht­dienste, Spren­gel­dienste oder auch Wochen­end­dienste nicht mehr besetzt wer­den. „Die Spar­po­li­tik der Kas­sen hat uns dahin gebracht, wo wir jetzt sind: in einen Ärztemangel.“

Waren es im Jahr 2000 noch 8.491 Ver­trags­ärzte, sind es 2012 nur noch 7.602 Ärzte – laut der Ärz­te­kos­ten­sta­tis­tik des Haupt­ver­ban­des der Sozi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger. Damit sind im Jahr 2000 auf einen Ver­trags­arzt rund 943 Ein­woh­ner gekom­men; 2012 sind es bereits 1.108. Und eine detail­lierte Aus­wer­tung der Alters­sta­tis­tik der der­zeit in Öster­reich täti­gen Ärzte pro­gnos­ti­ziert eine gera­dezu dra­ma­ti­sche Ent­wick­lung: So war im Jahr 2004 ein Drit­tel der All­ge­mein­me­di­zi­ner mit Kas­sen­ver­trag über 55 Jahre alt; im Jahr 2014 sind es bereits über 61 Pro­zent. Dar­über hin­aus waren im Jahr 2004 nur drei Pro­zent über dem gesetz­li­chen Pen­si­ons­al­ter (65 Jahre); im Jahr 2014 hat sich die­ser Pro­zent­satz mehr als ver­dop­pelt und liegt nun bei sie­ben Pro­zent. Eine ähn­li­che Ent­wick­lung zeich­net sich auch bei den Fach­ärz­ten ab. Im Jahr 2004 waren 40 Pro­zent der Fach­ärzte noch zehn Jahre vor der Pen­sio­nie­rung; jetzt sind es bereits 60 Pro­zent. Ein wei­te­rer Aspekt: In die­sem Zeit­raum ist die Zahl der Wahl­ärzte um 3.200 gestiegen.

Situa­tion in Kärnten

Kärn­ten ist anders. Hier ist die Situa­tion noch um ein Viel­fa­ches dra­ma­ti­scher. Waren im Jahr 2004 etwa 36 Pro­zent der All­ge­mein­me­di­zi­ner über 55 Jahre alt, so sind es im August 2014 bereits über 75 Pro­zent. Wie­gele dazu: „Das zeigt ein­fach die Dra­ma­tik der Situa­tion auf. Wer das nicht sieht, will es ein­fach nicht wahr­ha­ben.“ Und wei­ter: „Jah­re­lang hat man von Sei­ten der Poli­tik nichts dazu getan, damit die Tätig­keit als Land­arzt attrak­tiv bleibt und wir auch junge Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen für die­sen Beruf gewin­nen kön­nen.“ Moderne For­men der Zusam­men­ar­beit gehör­ten hier ebenso dazu wie zeit­ge­mäße For­men der Aus­bil­dung in Lehrpraxen.

Stein­hart ergänzt: „Beim Sym­po­sium Land­me­di­zin, das die ÖÄK im heu­ri­gen Juni ver­an­stal­tet hat, wur­den Bei­spiele aus der Schweiz und Deutsch­land prä­sen­tiert, wie man hier zukunfts­ori­en­tiert vor­ge­hen kann.“ Dem Ärz­te­man­gel auf dem Land könne man nur gegen­steu­ern, indem vor­han­dene Struk­tu­ren gestärkt und ver­netzt wer­den – „und nicht wie­der Unsum­men in Admi­nis­tra­tion und Orga­ni­sa­tion von irgend­wel­chen Zen­tren gesteckt werden“.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 17 /​10.09.2014