Kom­men­tar – Dr. Lukas Stär­ker: Nor­mungs­in­sti­tut: Hin­ter­fra­gens­werte Vorgangsweisen

10.03.2014 | Politik

Statt sich auf den tech­ni­schen Bereich zu beschrän­ken, ver­sucht das Nor­mungs­in­sti­tut, auch den ärzt­li­chen Bereich via Ö‑Normen zu regle­men­tie­ren. Wei­ters sol­len Exper­ten für das Ein­brin­gen ihrer Exper­tise auch noch zur Kasse gebe­ten wer­den. Hier ist der Gesetz­ge­ber gefor­dert, der­ar­tige Akti­vi­tä­ten des Ver­eins Nor­mungs­in­sti­tut wie­der in den ursprüng­lich geplan­ten Bereich zu len­ken. Von Lukas Stärker*

In letz­ter Zeit ist das Aus­trian Stan­dard Insti­tut (ASI) – vor­mals Nor­mungs­in­sti­tut – mehr­fach durch hin­ter­fra­gens­werte Vor­gangs­wei­sen aufgefallen:

Für Mit­ar­beit auch noch zahlen

Aktu­ellste Eigen­ar­tig­keit ist, dass das Nor­mungs­in­sti­tut dafür Geld will, dass die Exper­ten ihr Wis­sen kos­ten­los für die Erar­bei­tung von Ö‑Normen zur Ver­fü­gung stel­len. Auf diese Weise ver­sucht man, die Rea­li­tät umzu­dre­hen: Statt die Exper­ten für ihre Mit­ar­beit zu hono­rie­ren, will man sie für ihre Mit­ar­beit ein paar hun­dert Euro zah­len las­sen – offen­sicht­lich frei nach dem Motto: „Ich brau­che zwar Deine Exper­tise, aber dafür darfst Du mir auch noch etwas zah­len.“ Ein inter­es­san­tes Geschäfts­mo­dell! Nicht umsonst haben dar­auf­hin ver­schie­dene Insti­tu­tio­nen ihre Exper­ten abge­zo­gen und arbei­ten nicht mehr mit.

Diese Kon­di­tio­nie­rung ist jeden­falls ver­fehlt! Wer wird bei die­sen Kon­di­tio­nen noch gerne mit­ar­bei­ten: wohl die, für die sich diese Mit­ar­beit anders lohnt. Nur, sind das die­je­ni­gen, die Ö‑Normen aus­ar­bei­ten und gestal­ten sol­len? Hinzu kommt, dass das Nor­mungs­in­sti­tut gemäß § 1 Abs 1 und 2 Abs 1 lit b Nor­menG nicht auf Gewinn aus­ge­rich­tet sein darf und wei­ters imstande sein muss, die zur Erfül­lung sei­ner Auf­ga­ben erfor­der­li­chen Mit­tel auf­brin­gen zu kön­nen – dies aber wohl nicht durch Schröp­fung der Mitwirkenden!

Dazu muss man zunächst ein­mal wis­sen, dass das nun­meh­rige ASI bezie­hungs­weise Nor­mungs­in­sti­tut ein ganz nor­ma­ler Ver­ein ist. Die­ser hat – wie und warum auch immer – ledig­lich gem. § 1 Abs 1 Nor­menG 1971 die exklu­sive Befug­nis erhal­ten, die von ihm geschaf­fe­nen Nor­men als ÖNORMEN zu bezeich­nen. Der Gesetz­ge­ber sitzt aber immer noch – zumin­dest in einem Rechts­staat – im Par­la­ment. So ist schon die Bezeich­nung Norm unglück­lich gewählt, sug­ge­riert sie doch eine Ver­bind­lich­keit, die nicht gege­ben ist. Statt des­sen sollte hier der Begriff „tech­ni­sche Emp­feh­lung“ – der natür­lich weit weni­ger gut klingt – ver­wen­det werden.

Nicht im ärzt­lich­me­di­zi­ni­schen Bereich

Eigen­ar­tig­keit Nr. 2 ist der Ver­such, Nor­men auch in jenen Berei­chen zu erlas­sen, in denen eine Ö‑Norm nichts ver­lo­ren hat – etwa im ärzt­li­chen Bereich. Siehe hiezu die Ver­su­che des Nor­mungs­in­sti­tuts in Rich­tung Schön­heits­chir­ur­gie, Homöo­pa­thie oder Osteo­pa­thie. Ö‑Normen mögen viel­leicht im tech­ni­schen Bereich ihre Berech­ti­gung haben, im ärzt­lich-medi­zi­ni­schen Bereich haben sie keine Berech­ti­gung und sind fehl am Platz. Hier erfolgt die Erlas­sung von Nor­men – einem Rechts­staat ent­spre­chend – immer noch durch den demo­kra­tisch legi­ti­mier­ten Gesetz­ge­ber bezie­hungs­weise dar­auf auf­bau­end durch Ver­ord­nun­gen der zustän­di­gen Behör­den, aber kei­nes­falls durch einen weder demo­kra­tisch noch fach­lich dazu legi­ti­mier­ten Ver­ein wie das Nor­mungs­in­sti­tut. Hier ist der Gesetz­ge­ber gefor­dert, diese „para-gesetz­li­chen“ Nor­mie­rungs­po­li­tik akti­vi­tä­ten des Ver­eins Nor­mungs­in­sti­tut durch Ände­rung des Nor­menG wie­der in eine ver­nünf­tige, sprich auf den tech­ni­schen Bereich redu­zierte, Bahn zu len­ken. Wei­ters defi­niert auch Art 2 der EU-Ver­ord­nung 2012/​1025 Nor­men als „tech­ni­sche Spezifikationen“.

Eigen­ar­tige Normen-Erarbeitung

Eigen­ar­tig­keit Nr. 3 liegt im Modus, wie Ö‑Normen zustande kom­men: Hier agie­ren will­kür­lich zusam­men­ge­setzte, soge­nannte Komi­tees, deren Zusam­men­set­zung nicht wei­ter regle­men­tiert ist. Anre­gun­gen zu Nor­men kön­nen von jedem kom­men. Es ist daher auch durch­aus mög­lich, dass auch wirt­schaft­li­che Gesichts­punkte zur Erlas­sung einer Ö‑Norm füh­ren. Dies gehört eben­falls gesetz­lich ausgeschlossen.

Ö‑Normen um teu­res Geld kaufen?

Eigen­ar­tig­keit Nr. 4 ist die Geschäf­te­ma­che­rei mit den Ö‑Normen, die man sich dann um teu­res Geld kau­fen muss, anstatt dass sie – so wie gesetz­li­che Nor­men – kos­ten­los via Inter­net zur Ver­fü­gung gestellt wer­den. Auch dies gehört geändert.

Hand­lungs­be­darf erkannt

Posi­tiv fällt auf, dass die Bun­des­re­gie­rung einen Hand­lungs­be­darf erkannt hat: Nicht umsonst ist im aktu­el­len Regie­rungs­pro­gramm auf Seite 19 u.a. von „Schaf­fung einer Nor­men­stra­te­gie“, „Kon­trolle des Nor­mungs­in­sti­tuts“, „Ein­spruchs­recht gegen Nor­mungs­an­träge“, Schaf­fung einer Schlich­tungs­stelle und „Neu­aus­rich­tung der Finanz­struk­tur des Nor­men­we­sens unter gleich­zei­ti­ger Ent­las­tung der Anwen­der“ und von mit­tel­fris­tig „kos­ten­lo­sem Zugang“ die Rede. Im Zuge des­sen soll­ten auch die geschil­der­ten Eigen­ar­tig­kei­ten in geord­nete Bah­nen gebracht wer­den. Und wei­ters soll­ten diese para-gesetz­ge­be­ri­schen Akti­vi­tä­ten in Berei­chen, wo – wenn über­haupt, dann – ein demo­kra­tisch legi­ti­mier­ter Gesetz­ge­ber gefragt ist und kein Ver­ein, abge­stellt werden.

Schus­ter, bleib bei dei­nem Leisten

Und in Rich­tung Nor­mungs­in­sti­tut kann es daher nur hei­ßen: Schus­ter, bleib bei dei­nem Leis­ten und wil­dere nicht in ande­ren Zustän­dig­keits­be­rei­chen. Andern­falls ist der Gesetz­ge­ber gefor­dert, diese Eigen­ar­tig­kei­ten ex lege abzustellen.

*) Dr. Lukas Stär­ker ist Kam­mer­amts­di­rek­tor der ÖÄK

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 5 /​10.03.2014