Kommentar – Dr. Lukas Stärker: Gesundheitsreform – Gesucht: Best Point of Service

25.02.2014 | Politik

Einer der zentralen Begriffe im Gesetzestext zur aktuellen Gesundheitsreform ist der „Best Point of Service“. Allerdings: Bis dato ist nicht klar, was konkret damit gemeint ist. Von Lukas Stärker*

Eines der Schlagworte der aktuellen Gesundheitsreform ist der so genannte „Best Point of Service“. Dieser wird durch § 3 Z 2 GesundheitszielsteuerungsG (G-ZG) 2013 definiert als „jene Stelle, an der die Erbringung der kurativen Versorgung jeweils zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort mit optimaler medizinischer und pflegerischer Qualität gesamtwirtschaftlich möglichst kostengünstig erfolgt.“ Im Krankheitsfall soll die kurative Versorgung am „best point of service“ sowie die Patientensteuerung dorthin erfolgen. Der jeweilige „best point of service” ist gemäß § 5 und 13 G-ZG mittels regionaler Versorgungsaufträge – differenziert nach Versorgungsebene und Einführung von integrierten Versorgungsmodellen – zu definieren; die richtigen Anlauf- und Weiterbehandlungsstellen sind transparent zu machen. Ebenso ist die Finanzierung sektorenübergreifend an Leistungsverschiebungen anzupassen.

Wie ermitteln?

So weit, so gut. Das Ziel ist bekannt, der Weg dorthin liegt (noch) im Dunkeln. Denn weder das Gesundheitsreformgesetz noch die einschlägige Art 15a-Bund-Länder-Vereinbarung enthält genauere Ableitungsregelungen/Definitionen/ Formeln, wie dieser „best point of service“ im konkreten Einzelfall zu ermitteln ist. Derzeit ist dies eine Gleichung mit mehreren Unbekannten, die von Politik, Sozialversicherung und Ärztekammer wohl unterschiedlich gewichtet werden.

Offene Fragen

Was geht etwa vor: eine optimale Krankenbehandlung oder die Kosten? Wie sind diese beiden Faktoren zu bewerten? Geringe Entfernung versus Kosten? Geht es dabei auch um die Anreisekosten für den Patienten? Was zählt mehr: eine medizinisch neue Leistung oder die Kosten? Das besser wirkende Medikament, auch wenn es teurer ist? Wie viel darf es teurer sein? Wie werden die „gesamtwirtschaftlichen Kosten“ definiert beziehungsweise ermittelt? Was ist hier kalkulatorisch anzusetzen (Kassentarife, Vollkosten, Landesfondsfinanzierung bei Spitälern, zuzüglich Abgangsdeckung, zuzüglich Personalkosten der SpitalsärztInnen, der Angehörigen der nichtärztlichen Gesundheitsberufe und des sonstigen Spitalspersonals)? Was ist die Bewertungsgrundlage – der Status quo? Wie kommt man zum „richtigen“ Ort? Noch dazu zum richtigen Zeitpunkt oder soll diese Festlegung 24 Stunden pro Tag gleich sein? Wie erfährt der Patient im Einzelfall davon, wohin er sich mit welcher Erkrankung beziehungsweise mit welcher Diagnose wenden soll, um die beste Medizin zu erhalten? Wie viele Standortverlegungen sind dem Patienten zumutbar – oder soll das nicht bewertet werden? Nach welchen Wertungskriterien planen Politik und Sozialversicherung, hier sachlich, nachvollziehbar und gleichheitskonform zu entscheiden?

Eines ist evident: Allein durch hoheitliche Festlegung beziehungsweise Oktroyierung durch die Politik und die Sozialversicherung wird es wohl nicht funktionieren.

Lösungsvorschlag

Beginnen wir mit dem Ziel: Patienten sollen im jeweiligen Fall wissen, wohin sie sich für eine optimale Behandlung wenden. Der „best point of service“ ist mittels mehrerer Stufen wie folgt zu ermitteln: In einem ersten Schritt müssen die offenen Fragen nachvollziehbar geklärt werden, damit die Gesprächsgrundlage feststeht. Danach sollten in einem zweiten Schritt repräsentative Ärztevertreter aus dem Spitalsbereich und dem niedergelassenen Bereich – die ja konkret wissen, bei welchen Diagnosen beziehungsweise Krankheitsbildern die Patienten wo am besten behandelt werden können – festlegen, wann eine Behandlung im niedergelassenen Bereich und wann in Spitals-Ambulanzen erfolgen soll. Damit wäre eine der massivsten Begriffsunschärfen der Gesundheitsreform, Spitalsambulanzen und den niedergelassenen Bereich stets als „ambulanten Bereich“ ident zu benennen und zu behandeln, beseitigt. Im dritten Schritt geht es dann darum, dieses Ergebnis in den einzelnen Versorgungszonen und Versorgungsregionen – wiederum im Konsens mit repräsentativen Ärztevertretern – zu konkretisieren. Darauf aufbauend können in weiteren Schritten zusätzliche Differenzierungen vorgenommen werden.

Lösungsmodus gesetzlich umsetzen

Dieser Modus muss im Konsens mit der Ärztekammer legistisch entwickelt, in die Gesundheitsreform integriert, verbindlich gemacht und dann umgesetzt werden. Damit wäre sichergestellt, dass die wesentlichen Experten und Leistungserbringer im Gesundheitswesen – die Ärztinnen und Ärzte – inhaltlich und auch motiviert mit an Bord sind.

*) Dr. Lukas Stärker ist Kammeramtsdirektor der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2014