Tran­si­to­ri­sche Ischä­mi­sche Atta­cke (TIA): Rasche Ein­wei­sung und Inter­ven­tion entscheiden

25.11.2014 | Medizin

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Tran­si­to­ri­sche Ischä­mi­sche Atta­cke (TIA)

Die auch als „Minor Stroke“ bezeich­nete TIA gilt als Vor­bote des Schlag­an­falls, dau­ert durch­schnitt­lich 15 Minu­ten und bil­det sich inner­halb einer Stunde zurück. Jeder dritte Schlag­an­fall kün­digt sich durch eine TIA an. Wer­den die Ursa­chen einer TIA kon­se­quent behan­delt, kann jeder zweite Schlag­an­fall ver­mie­den werden.Von Verena Ulrich

Die tran­si­to­ri­sche ischä­mi­sche Atta­cke ruft die glei­chen Sym­ptome wie ein Schlag­an­fall her­vor, gilt als des­sen Vor­bote und wird auch oft als ‚Minor Stroke‘ bezeich­net. „Eine TIA kann sich in den unter­schied­lichs­ten For­men äußern. Häu­fig sind plötz­li­che Sprach­stö­run­gen, halb­sei­tige Läh­mun­gen, Gefühls­stö­run­gen in Armen oder Bei­nen und eine Amau­ro­sis fugax“, erklärt Univ. Prof. Franz Wei­din­ger, Vor­stand der 2. Medi­zi­ni­schen Abtei­lung mit Kar­dio­lo­gie und inter­nis­ti­scher Inten­siv­me­di­zin an der Kran­ken­an­stalt Rudolfs­tif­tung Wien. Die Mehr­zahl sol­cher tran­si­en­ten Stö­run­gen bil­det sich inner­halb einer Stunde zurück. Die durch­schnitt­li­che Dauer einer TIA beträgt in etwa 15 Minuten.

Obwohl der Pati­ent meist kein neu­ro­lo­gi­sches Defi­zit mehr auf­weist, wenn er beim Arzt ein­trifft, han­delt es sich bei einer TIA um eine Hoch­ri­si­ko­si­tua­tion für einen ischä­mi­schen Hirn­schlag. Jeder dritte Schlag­an­fall kün­digt sich durch eine TIA an. „Rasche Ein­wei­sung und Inter­ven­tion sind der Schlüs­sel“, mahnt Univ. Prof. Rein­hold Schmidt, Vor­stand der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Neu­ro­lo­gie in Graz. Die dia­gnos­ti­sche Abklä­rung hat laut dem Exper­ten so schnell wie mög­lich zu erfol­gen, da die Behand­lung der zugrun­de­lie­gen­den Ursa­chen ent­schei­dend ist, um einen Schlag­an­fall ver­hin­dern zu kön­nen. „In etwa zehn bis 20 Pro­zent der TIA­Pa­ti­en­ten erlei­den inner­halb der ers­ten 90 Tage nach der TIA einen Schlag­an­fall, die Hälfte von ihnen inner­halb von 24 bis 48 Stun­den“, so Schmidt. Das Risiko für einen Schlag­an­fall ist kurz nach der Akut­sym­pto­ma­tik am größ­ten und sinkt im Ver­lauf der fol­gen­den Tage und Wochen kon­ti­nu­ier­lich ab. Nach einem Monat ist das Risiko etwa 15mal höher als das von Kon­troll­per­so­nen; nach einem Jahr ist es noch vier­mal erhöht und liegt abso­lut bei etwa 15 Prozent.

Der soge­nannte ABCD2-Score kann dem Haus­arzt hel­fen, die Höhe des Risi­kos eines Pati­en­ten ein­zu­schät­zen. In den Score flie­ßen fünf unab­hän­gige Risi­ko­fak­to­ren ein, für die jeweils nach bestimm­ten Kri­te­rien Punkte ver­ge­ben wer­den: Alter, Blut­druck, Cli­ni­cal fea­tures (kli­ni­sche Sym­ptome), Dauer der Sym­ptome und Dia­be­tes mel­li­tus. Die ver­ge­be­nen Punkte wer­den addiert, so dass sich ein Score zwi­schen 0 und 7 Punk­ten ergibt. 0 bis 3 Punkte zei­gen ein gerin­ges Risiko an, inner­halb von 48 Stun­den einen Schlag­an­fall zu erlei­den; 6 bis 7 Punkte ste­hen für ein hohes Risiko. Dar­aus lässt sich die Emp­feh­lung ablei­ten, dass Pati­en­ten mit einem Score von ≥ 3 sofort sta­tio­när auf­ge­nom­men wer­den soll­ten, um die TIA von Exper­ten neu­ro­lo­gisch abklä­ren zu las­sen. Auch bei einem nied­ri­ge­ren Score ist rasche neu­ro­lo­gi­sche Abklä­rung anzu­ra­ten; diese kann aller­dings ambu­lant erfolgen.

TIA rich­tig diagnostizieren

Die Dia­gnose einer TIA basiert auf der Ana­mnese und der Erhe­bung von neu­ro­lo­gi­schen Zei­chen. „Da die meis­ten TIAs eine Dauer von weni­ger als einer Stunde haben, ist man bei der Dia­gno­se­stel­lung auf eine exakte Ana­mnese ange­wie­sen“, weiß Schmidt. Pati­en­ten, die eine TIA erlei­den, sind meist älter und haben ein oder meh­rere Gefäß­ri­si­ko­fak­to­ren wie Hyper­to­nie, Dia­be­tes mel­li­tus, Niko­tin­ab­usus oder eine koro­nare Herz­krank­heit. Die Dia­gnose ist schwie­rig und auch bei dif­fe­ren­zier­ter Ana­mne­se­er­he­bung sind meist Zusatz­un­ter­su­chun­gen nötig.Wichtig ist, dassm dif­fe­ren­ti­al­dia­gnos­ti­sche Über­le­gun­gen gemacht wer­den. „Sel­ten kön­nen nicht-vas­ku­läre Ereig­nisse eine TIA imi­tie­ren. Dies kann im Rah­men einer Migräne, von epi­lep­ti­schen Anfäl­len, bei Tumo­ren oder auch bei einem sub­du­ra­len Häma­tom der Fall sein“, erläu­tert Schmidt. Am häu­figs­ten muss eine TIA gegen einen foka­len Anfall und eine Migräne abge­grenzt wer­den. TIAs haben eine abrupt ein­set­zende Sym­pto­ma­tik in maxi­ma­ler Aus­prä­gung, die sich lang­sam wie­der zurück­bil­det. Im Gegen­satz dazu brei­ten sich bei einem Migrä­ne­an­fall oder einem epi­lep­ti­schen Anfall die Sym­ptome all­mäh­lich aus oder gehen mit Bewusst­seins­stö­run­gen einher.

Behand­lung und Prophylaxe

Die Behand­lung und die Vor­beu­gung einer wei­te­ren TIA oder eines Schlag­an­falls rich­ten sich nach der Ursa­che, die für die Atta­cke ver­ant­wort­lich war. Die häu­figste Ursa­che ist die arte­rio­ar­te­ri­elle Embo­lie bei Athe­ro­ma­tose der hirn­ver­sor­gen­den Arte­rien im extra­kra­ni­ellen Abschnitt. Als zweit­häu­figste Ursa­che gel­ten kar­diale Embo­lie­quel­len. Am bedeu­tends­ten ist dabei das Vor­hof­flim­mern. Schließ­lich kön­nen auch mikro­an­gio­pa­thi­sche Ver­än­de­run­gen ischä­mi­sche Ereig­nisse ver­ur­sa­chen. Diese kom­men vor allem bei Hyper­to­nie und Dia­be­tes vor. „Gele­gent­lich ist die Ursa­che auch durch Hyper­ko­agu­la­bi­li­tät, arte­ri­elle Dis­sek­tion, Arte­ri­itis, Aneu­rys­men oder arte­rio­ve­nöse Mal­for­ma­tio­nen bedingt“, weiß Schmidt.

Die Behand­lungs­sche­mata sind kom­plex. Im Juli die­ses Jah­res hat die Ame­ri­can Heart Asso­cia­tion neue Gui­de­lines ver­öf­fent­licht: „Gui­de­lines for the Pre­ven­tion of Stroke in Pati­ents With Stroke and Tran­si­ent Ischemic Attack“. Grund­sätz­lich kom­men als Pro­phy­laxe eine Throm­bo­zy­ten­ag­gre­ga­ti­ons­hem­mung, eine Anti­ko­agu­la­tion oder eine Karo­tis-End­ar­te­rek­to­mie in Betracht. Bei Vor­hof­flim­mern oder ande­rer kar­dia­ler Embo­lie­quel­len ist die Anti­ko­agu­la­tion einer Throm­bo­zy­ten­ag­gre­ga­ti­ons­hem­mung deut­lich über­le­gen. „Hier­bei ist die Zusam­men­ar­beit von Kar­dio­lo­gen und Neu­ro­lo­gen sehr wich­tig, um das Vor­hof­flim­mern recht­zei­tig zu erken­nen, da die Behand­lung unter­schied­lich ist“, so Wei­din­ger. Ist Vor­hof­flim­mern ursäch­lich für die TIA, gilt es laut dem Exper­ten nach dem soge­nann­ten CHA2DS2- VASc-Score zu ent­schei­den, ob eine orale Anti­ko­agu­la­tion durch­zu­füh­ren ist.

„Wenn die Sym­ptome vor­bei sind und neu­ro­lo­gi­sche Unter­su­chun­gen gemacht wur­den, kann der Pati­ent zwar recht zeit­nah ent­las­sen wer­den, aber er muss in jedem Fall wei­ter beob­ach­tet und behan­delt wer­den“, betont Wei­din­ger. TIAs sind im Alter von 60 bis 70 Jah­ren am wei­tes­ten ver­brei­tet. Außer­dem gibt es einige Risi­ko­fak­to­ren, die die Gefahr, eine TIA oder einen Schlag­an­fall zu erlei­den, erhö­hen. „Risi­ko­fak­to­ren für TIAs sind letzt­lich alle, die auch für die meis­ten ande­ren Herz-Kreis­lauf­erkran­kun­gen gel­ten, das heißt Blut­hoch­druck, hohe Blut­fette, Rau­chen und Dia­be­tes“, erklärt Wei­din­ger. Um das Risiko zu sen­ken, ist einer­seits eine gesunde Lebens­füh­rung wich­tig, ande­rer­seits müs­sen gege­be­nen­falls die Aus­lö­ser wie Dia­be­tes, Hyper­to­nie, Arte­rio­skle­rose und Vor­hof­flim­mern medi­ka­men­tös behan­delt wer­den. „Wer­den die Ursa­chen einer TIA kon­se­quent behan­delt und die Risi­ko­fak­to­ren abge­baut, kann in etwa jeder zweite Schlag­an­fall ver­hin­dert wer­den“, ermu­tigt Schmidt.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 22 /​25.11.2014