Pel­vic Con­ges­tion Syn­drome: Embo­li­sa­tion besei­tigt Schmerz

25.05.2014 | Medizin

Rund 30 Pro­zent aller Frauen mit chro­ni­schen Unter­bauch­schmer­zen lei­den am Pel­vic Con­ges­tion Syn­drome. Wäh­rend die medi­ka­men­töse Behand­lung nur kurz­zei­tig eine Erleich­te­rung der Sym­pto­ma­tik bringt, liegt der kli­ni­sche Erfolg der Embo­li­sa­ti­ons­the­ra­pie bei bis zu 85 Pro­zent. Von Irene Mlekusch

Krampf­adern im klei­nen Becken blei­ben oft uner­kannt, obwohl etwa 30 Pro­zent aller Pati­en­tin­nen mit chro­ni­schen Unter­bauch­schmer­zen am Pel­vic Con­ges­tion Syn­drome (PCS) lei­den. Dabei ist der chro­ni­sche Becken­schmerz ein häu­fi­ges Pro­blem von prä­me­no­pau­sa­len Frauen und für bis zu zehn Pro­zent aller Besu­che beim Gynä­ko­lo­gen ver­ant­wort­lich. Die Ursa­chen für die Beschwer­den kön­nen sehr unter­schied­lich sein und bei bis zu 60 Pro­zent der Betrof­fe­nen nicht geklärt wer­den. Univ. Prof. Chris­tian Dadak von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Frau­en­heil­kunde am AKH Wien nennt als mög­li­che Ursa­chen für chro­ni­sche Becken­schmer­zen und somit Dif­fe­ren­ti­al­dia­gno­sen für das Pel­vic Con­ges­tion Syn­drome Endo­me­triose, Chla­my­di­en­be­fall, Diver­ti­ku­li­tis, Coxi­tis, neu­ro­lo­gi­sche Pro­bleme am Ple­xus sacra­lis oder N. ischia­di­cus sowie ein Eng­pass­syn­drom des N. ili­o­in­guina­lis. Abge­se­hen von wei­te­ren gynä­ko­lo­gi­schen und uro­lo­gi­schen Erkran­kun­gen kön­nen auch ent­zünd­li­che Pro­zesse, Adhä­sio­nen, das Irri­ta­ble Bowel Syn­drome, Tumore und Meta­sta­sen, Por­phy­rie, Fibro­my­al­gie oder psy­chi­sche Erkran­kun­gen die Aus­lö­ser sein.

Begleit­sym­ptome

Die chro­ni­schen Unter­bauch­schmer­zen müs­sen min­des­tens sechs Monate lang bestehen und kön­nen sich beim Sit­zen, beim Ste­hen, am Abend und kurz vor Ein­set­zen der Mens­trua­tion ver­stär­ken. Dys­pa­reu­nie, Mik­ti­ons­pro­bleme, vagi­na­ler Fluor und schmerz­hafte Mens­trua­ti­ons­blu­tun­gen kön­nen das chro­ni­sche Schmerz­bild ergän­zen. Hämor­rhoi­den sowie Vari­zen am äuße­ren Geni­tale, am Gesäß oder den Ober­schen­keln – vor allem links­sei­tig – stel­len wei­tere mög­li­che Hin­weise auf ein Pel­vic Con­ges­tion Syn­drome dar. Patho­phy­sio­lo­gi­sche Zusam­men­hänge zwi­schen dem Pel­vic Con­ges­tion Syn­drome und dem Östro­gen­spie­gel wer­den ver­mu­tet. Zu einem sekun­dä­ren Pel­vic Con­ges­tion Syn­drome kann es durch obstru­ie­rende ana­to­mi­sche Anoma­lien wie etwa venöse Kom­pres­si­ons­syn­drome (Nut­cra­cker­syn­drom und das May- Thur­ner-Syn­drom) kom­men. Schwan­ger­schaf­ten kön­nen die Beschwer­den unter Umstän­den ver­stär­ken. Dadak weist aber dar­auf hin, dass das Pel­vic Con­ges­tion Syn­drome genauso bei Frauen auf­tritt, die noch nicht gebo­ren haben. Stu­dien zufolge ist davon aus­zu­ge­hen, dass etwa 15 Pro­zent aller 20- bis 25-jäh­ri­gen Frauen Krampf­adern im klei­nen Becken auf­wei­sen; diese müs­sen aber nicht zwin­gend sym­pto­ma­tisch sein.

Dia­gnos­tisch steht die ein­ge­hende kli­ni­sche Unter­su­chung im Vor­der­grund. Dadak sieht die Dopp­ler­so­no­gra­phie als eine der ers­ten Maß­nah­men zur all­ge­mei­nen Abklä­rung. Für Univ. Prof. Han­nes Deutsch­mann, Lei­ter der kli­ni­schen Abtei­lung für vas­ku­läre und inter­ven­tio­nelle Radio­lo­gie an der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Radio­lo­gie in Graz, gel­ten der Abdo­menul­tra­schall und ergän­zend der trans­va­gi­nale Ultra­schall als Scree­ning­ver­fah­ren. „Die Dar­stel­lung erwei­ter­ter Becken­ve­nen oder abnor­mer Strö­mungs­ver­hält­nisse in den erwei­ter­ten Venen geben einen Hin­weis auf das mög­li­che Vor­lie­gen eines Pel­vic Con­ges­tion Syn­dro­mes“, führt Deutsch­mann aus. Mehr als 50 Pro­zent der Frauen, die an einem Pel­vic Con­ges­tion Syn­drome lei­den, wei­sen zusätz­lich Ova­ri­al­zys­ten auf, wel­che sono­gra­phisch eben­falls gut dar­stell­bar sind. Deutsch­mann emp­fiehlt als dia­gnos­ti­sches Ver­fah­ren der Wahl bei Ver­dacht auf ein Pel­vic Con­ges­tion Syn­drome die MR-Veno­gra­phie, da so eine voll­stän­dige Dar­stel­lung des Venen­sys­tems inklu­sive des venö­sen Abs­tro­mes mög­lich ist. Vor­teil-haft ist es, wenn die Unter­su­chung gegen Abend durch­ge­führt wer­den kann, um die maxi­male Dila­ta­tion der Venen im klei­nen Becken dar­zu­stel­len. „Das Ver­fah­ren ist nicht inva­siv und geht im Ver­gleich zu einer Veno­gra­phie der Becken­ve­nen ohne Strah­len­be­las­tung ein­her“, betont Deutsch­mann. Eine Veno­gra­phie der Nieren‑, Becken- und Ova­ri­al­ve­nen werde nur in unkla­ren Fäl­len not­wen­dig sein.

Ist die Dia­gnose Pel­vic Con­ges­tion Syn­drome gestellt, steht eine breite Palette an The­ra­pie­op­tio­nen zur Ver­fü­gung. Dadak dazu: „Die Ges­ta­gen-betonte Pille ist ebenso einen Ver­such wert wie Daf­lon, Ibu­profen oder Ace­tyl­sa­li­cyl­säure 100 mg.“ Zur Unter­drü­ckung der Ova­ri­al­funk­tion wer­den in eini­gen Fäl­len Medroxy­pro­ges­te­ro­nace­tat oder Gose­r­e­lin über meh­rere Monate hin­durch ein­ge­setzt. Die medi­ka­men­töse Behand­lung bringt aber oft nur eine kurz­zei­tige Erleich­te­rung der Sym­pto­ma­tik. In Stu­dien konnte gezeigt wer­den, dass man­che Frauen mehr von einer medi­ka­men­tö­sen Behand­lung pro­fi­tie­ren, wenn diese durch eine Psy­cho­the­ra­pie ergänzt wird. In den 1980er Jah­ren wur­den die chir­ur­gi­sche und spä­ter lapa­ro­sko­pi­sche Resek­tion der lin­ken Ova­ri­al­vene pro­pa­giert. Auch Hys­te­rek­to­mien und Ova­riek­to­mien wur­den als The­ra­pie des Pel­vic Con­ges­tion Syn­drome durch­ge­führt, obwohl bei etwa 33 Pro­zent der ope­rier­ten Pati­en­tin­nen eine gewisse Schmerz­sym­pto­ma­tik bestehen bleibt und die Rezi­div­rate bis zu 20 Pro­zent beträgt.

Im Jahre 1993 wurde schließ­lich die Embo­li­sa­ti­ons­be­hand­lung der Becken­ve­nen beim Pel­vic Con­ges­tion Syn­drome publi­ziert. „Die endo­vas­ku­läre Behand­lung erfolgt durch inter­ven­tio­nelle Radio­lo­gen, wel­che Pla­tin­spi­ra­len in die Ova­ri­al­vene ein­brin­gen. Zusätz­lich kön­nen skle­ro­sie­rende Sub­stan­zen wie Sodium- Tetra­de­cyl-Sul­fat oder Kle­ber wie Glu­b­ran oder His­toacryl ein­ge­bracht wer­den“, erklärt Deutsch­mann. Der kli­ni­sche Erfolg der Embo­li­sa­ti­ons­the­ra­pie beim Pel­vic Con­ges­tion Syn­drome beträgt laut Lite­ra­tur bis zu 85 Pro­zent. Den Aus­sa­gen von Deutsch­mann zufolge berich­ten nahezu alle Pati­en­tin­nen nach dem Ein­griff über eine deut­li­che Bes­se­rung der Beschwer­den. Ein Jahr nach der Behand­lung ist noch rund die Hälfte der behan­del­ten Pati­en­tin­nen schmerz­frei, wäh­rend die andere Hälfte zumin­dest von einer deut­li­chen Bes­se­rung spricht. Immer­hin kann durch die­ses Ver­fah­ren bei etwa 37 Pro­zent der Pati­en­tin­nen eine dau­er­hafte Beschwer­de­frei­heit erreicht wer­den. „Pro­gnos­tisch ungüns­tige Fak­to­ren sind Vari­zen an den Bei­nen oder im Vul­v­a­be­reich und Beschwer­den im Harn­trakt“, weiß Deutsch­mann, wes­we­gen dann oft nur „ein Teil­erfolg“ erzielt wer­den könne.

Die Kom­pli­ka­ti­ons­rate die­ses Ein­griffs ist ins­ge­samt gering; schwere Kom­pli­ka­tio­nen sind sel­ten und Pro­bleme an der Punk­ti­ons­stelle wie Häma­tome, Nach­blu­tun­gen oder Throm­bo­sen gut behan­del­bar. „Leichte bis mäßige Schmer­zen im Becken­be­reich und an der Flanke kön­nen nach der Embo­li­sa­tion auf­tre­ten“, weiß Deutsch­mann. Bei der zusätz­li­chen Gabe von skle­ro­sie­ren­den Mit­teln kann die post­in­ter­ven­tio­nelle Schmerz­sym­pto­ma­tik etwas stär­ker sein als bei der allei­ni­gen Ver­wen­dung von Pla­tin­spi­ra­len. Die Methode ist grund­sätz­lich für alle Betrof­fe­nen geeig­net. „Ledig­lich im sel­te­nen Fall einer venö­sen Abs­trom­be­hin­de­rung sollte von einer Embo­li­sa­tion Abstand genom­men wer­den.“ Dadak ergänzt: „Vor allem bei jün­ge­ren Pati­en­tin­nen sollte man mit den Skle­ro­sie­run­gen eher zurück­hal­tend sein.“

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 10 /​25.05.2014