neu & aktuell: Medizinische Kurzmeldungen

25.10.2014 | Medizin


Neuroleptika: bei Schwangeren höher dosieren

Um die gewünschte Wirkung zu erzielen, müssen Neuroleptika der neuen Generation bei Schwangeren mit psychiatrischen Erkrankungen in einer höheren Dosis verabreicht werden. Das hat eine Studie mit dem „Second Generation Neuroleptikum“ Aripiprazol, die an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Medizinischen Universität Wien durchgeführt wurde, gezeigt. Bei drei schwangeren Frauen wurde der Spiegel der Substanz im Blutplasma und im Nabelschnurblut untersucht. Es stellte sich heraus, dass die Spiegel ab Mitte der Schwangerschaft unter die Wirksamkeitsgrenzen sanken. „Diese Studie zeigt erstmals, dass die Dynamik des Plasmaspiegels jenem von anderen Substanzklassen wie zum Beispiel Antidepressiva entspricht“, so Studienleiterin Claudia Klier. Auch hier müsse häufig die Dosierung erhöht werden, um die Wirksamkeitsgrenze wieder zu erreichen. Dieser Zusammenhang wurde bislang bei keinem Neuroleptikum untersucht, ist jedoch klinisch höchst relevant. Auch die Übergangsrate der Substanz durch die Plazenta wurde bei dieser Studie erstmals analysiert. Derzeit werden die für eine Nutzen-Risiko-Abwägung nötigen Daten bei Schwangeren in Registerstudien gesammelt. Alle drei Probandinnen brachten gesunde Babys zur Welt.
APA/Journal of Clinical Psychopharmacology

Neue Handprothesen mit besserer Feinmotorik

Z wei Forscherteams haben neue Handprothesen mit einem feineren Tastsinn entwickelt. US-amerikanische Wissenschafter der Case Western Reserve University in Cleveland (Ohio) schlossen dabei die Neuroprothese mithilfe von elektronischen Manschetten an das Nervensystem der Träger an. Mit drei Manschetten konnten Gefühle von 19 verschiedenen Stellen der Hand übermittelt werden. Feinmotorik und Tastsinn wurden verbessert, der Phantomschmerz verringerte sich. Die Träger konnten etwa Kirschen und Weintrauben abpflücken, ohne sie zu zerquetschen. Forscher der Universität Göteborg wiederum entwickelten eine Prothese, die im Knochen des Oberarms verankert ist und direkt an Muskeln und Nerven anschließt. Diese ermöglicht größere Beweglichkeit, eine einfachere Handhabung und eine höhere Empfindsamkeit. Die US-amerikanische Prothese wurde an zwei, die schwedische an einem Patienten erprobt. Die sensorischen Rückmeldungen waren auch nach zwei Jahren noch gut; so lange trugen die Patienten die Prothese bei Einreichen der Studie bereits. Durch die langfristigen Erfolge bestehe Hoffnung für dauerhaft tragbare Neuroprothesen, so die Forscher.
APA/Science Translational Medicine

Hypoglykämien: häufiger als angenommen

Rund 83 Prozent der Typ 1-Diabetiker und 51 Prozent der Typ 2-Diabetiker sind innerhalb eines Monats von Hypoglykämien betroffen. Das ergab die HAT(Hypglycaemia Assessment Tool)-Studie, bei der 27.585 Diabetiker in 24 Ländern befragt wurden. Auf ein Jahr gerechnet traten Hypoglykämien bei Typ 1-Diabetikern fast wöchentlich auf, bei Typ 2-Diabetikern 16,5-mal.
APA/EASD


Thrombose-Risiko: Gentest oft falsch

Die Ergebnisse von Gentests, die das Thrombose- Risiko bestimmen, werden durch zusätzliche Mutationen verfälscht. Diese könnten die Mutation im Gen für Faktor-V-Leiden verstärken oder schwächen; der Gentest erkenne sie nicht. Das haben Wissenschafter der MedUni Graz herausgefunden. An mehr als 8.000 Datensätzen haben sie gezeigt, dass ein APC-Resistenztest überlegen und kostengünstiger ist.
APA/NEJM


Lymphome durch Brustimplantate

Brustimplantate können in extrem seltenen Fällen durch maligne Veränderungen im Narbengewebe anaplastische großzellige Lymphome (ALC-Lymphome) auslösen. Das haben internationale Autoren in einer Übersichtsarbeit festgestellt; weltweit wurden 71 Fälle gefunden. Pro drei Millionen Brustimplantate könnte es demnach zur Entstehung von einem bis zu sechs ALC-Lymphomen kommen.
APA/Journal Mutation Research


Erstmals Geburt nach Gebärmuttertransplantation

Erstmals hat eine 36-jährige Schwedin, der eine fremde Gebärmutter eingepflanzt worden war, ein Kind zur Welt gebracht. Der in vitro gezeugte Bub wurde in der 31. Schwangerschaftswoche per Kaiserschnitt entbunden und wog 1.775 Gramm. Die Frau war ohne Gebärmutter zur Welt gekommen; hat jedoch intakte Ovarien. Das Spenderorgan stammt von einer 61-jährigen Freundin der Familie.
APA/The Lancet

Chemotherapie bei Schwangeren: keine Gefahr

Bei schwangeren Frauen stellt eine Chemotherapie nach dem ersten Trimester keine Gefahr für den Fötus dar. Ein Team um Frederic Amant von der Universitätsklinik Leuven in Belgien hat die Entwicklung von 38 Babys, deren Mütter eine Chemotherapie erhielten, mit 38 Kleinkindern ohne diese Belastung untersucht. Im Alter von zwei Jahren wurden mentale Entwicklung und Herzfunktion der Kinder verglichen. Eine Chemotherapie nach dem ersten Trimester hat keine Auswirkungen auf das Baby. „Ängste bezüglich der Risiken einer Chemotherapie sollten kein Grund sein, eine bestehende Schwangerschaft zu beenden, eine solche Krebstherapie zu verschieben oder einen früheren Entbindungstermin anzustreben“, so Amant. Auch bei einer weiteren Untersuchung an 16 Kindern und zehn Erwachsenen, deren Mütter in der Schwangerschaft eine Strahlentherapie erhalten hatten, waren nur bei drei Kindern die kognitiven Fähigkeiten außerhalb des Normbereichs. Dennoch sei die Empfängnisverhütung bei Frauen mit einer bevorstehenden Krebstherapie wichtig, um jedes Risiko auszuschließen, so die Forscher.
APA


Vitamin D senkt Mortalität von Intensivpatienten

Die Gabe von hoch dosiertem Vitamin D senkt die Mortalitätsrate von schwerkranken Intensivpatienten um 17,5 Prozent. Das hat eine doppelblinde randomisierte Interventionsstudie der Medizinischen Universität Graz ergeben. Die Hälfte der rund 500 Probanden erhielt eine hohe Dosis Vitamin D3 (einmalig den Jahresbedarf sowie regelmäßige Erhaltungsdosen); die andere Hälfte Placebo. Bei der Aufenthaltsdauer im Krankenhaus sowie bei der Sterblichkeit der gesamten Studienpopulation gab es keine signifikanten Unterschiede. Jedoch erreichte man bei schwerkranken Patienten mit anfänglich stark erniedrigten Vitamin-D-Spiegeln (42 Prozent der Teilnehmer) eine „deutlich geringere Sterblichkeitsrate“, so Studienleiterin Karin Amrein von der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel der MedUni Graz. Um die Ergebnisse zu bestätigen und die zugrundeliegenden pathophysiologischen Mechanismen zu klären, seien größere Interventionsstudien notwendig. Bis dahin solle versucht werden, die Vitamin-D-Werte bei kritisch Kranken mit der zusätzlichen Gabe von Vitamin D auf dem empfohlenen Niveau zu halten.
APA/JAMA

Fracking: hohe Ozonbelastung im Winter

Das umstrittene Fracking (Hydraulic Fracturing) kann auch im Winter ungewöhnlich hohe Ozonwerte verursachen. Diese Begleiterscheinung im Uintah-Becken im USamerikanischen Bundesstaat Utah konnte ein internationales Forscherteam kürzlich klären. In den Öl- und Gasfeldern in diesem Gebiet sind die Emissionen von flüchtigen organischen Verbindungen (VOC, volatile organic compounds) durch Fracking und aufgrund von Lecks sehr hoch. Zusammen mit vermehrten Stickoxid-Emissionen von Förderpumpen und Kompressoren sowie speziellen meteorologischen Bedingungen kann es dadurch auch im Winter zu einer hohen Ozonbelastung kommen. Im 50.000-Einwohner zählenden Uintah-Becken wurde in den Wintermonaten an 49 Tagen der Ozon-Grenzwert (75 ppb für den Acht-Stunden-Mittelwert) überschritten. Zum Vergleich: In Los Angeles mit mehr als 18 Millionen Einwohnern waren es im Sommer nur 28 Tage. Die Ursachen für die Ozon-Belastungen sind im Sommer Hydroxyl-Radikale, im Winter Carbonyle.
APA/Nature

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 / 25.10.2014