Kindliches Fieber: Wann harmlos, wann schwerwiegend?

10.10.2014 | Medizin

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Kindliches Fieber

Wann harmlos, wann schwerwiegend?

Fieber ist einer der häufigsten Gründe für einen Arztbesuch im Kindesalter, vor allem bei den unter Dreijährigen. Bei fiebernden Neugeborenen in den ersten vier Lebenswochen beträgt die Inzidenz einer gravierenden bakteriellen Infektion bis zu 32 Prozent. Von Irene Mlekusch

„Dass Kinder fiebern, ist keine Seltenheit und in den meisten Fällen nicht bedrohlich“, erklärt Prof. Volker Strenger von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Graz. Bis zu zehn Infektionen pro Jahr sind vor allem bei Kindern in Betreuungseinrichtungen wie zum Beispiel Kindergärten normal. Aber auch lebensgefährliche Infektionen können in jeder Altersgruppe Ursache für das Fieber sein. „Fieber ist ein Symptom. Es handelt sich grundsätzlich um eine gute physiologische Reaktion des Körpers“, hält Univ. Prof. Karl Zwiauer von der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde am Universitätsklinikum St. Pölten fest.

Aufgabe des Arztes ist es, zwischen harmlosen und schwerwiegenden Infekten des Kindes zu unterscheiden. Beide Experten sind sich einig, dass die Ursache des Fiebers abgeklärt und die Behandlung der Ursache entsprechend eingeleitet werden muss. Wichtige Faktoren bei der Differentialdiagnostik sind das Alter des Kindes, der Allgemeinzustand, ein toxisches Erscheinungsbild, Exantheme oder Petechien. „Je jünger das Kind beziehungsweise der Säugling ist, umso intensiver muss das Fieber abgeklärt werden“, betont Strenger. Bei Neugeborenen und Säuglingen können die typischen Zeichen einer schweren Infektion fehlen und der Allgemeinzustand kann sich rapide verschlechtern. Die Inzidenz einer gravierenden bakteriellen Infektion liegt bei fiebernden Neugeborenen bis zu einem Alter von vier Wochen bei zwölf bis 32 Prozent. Eine während der Geburt erworbene Infektion kann erst Tage oder Wochen später die ersten Symptome verursachen wie zum Beispiel die durch B-Streptokokken verursachte Meningitis. Vor allem Frühgeborene und Kinder mit niedrigem Geburtsgewicht stellen diesbezüglich eine Risikogruppe dar.

Bei Säuglingen und Kleinkindern treten zusätzlich zu den typischen bakteriellen Infektionen, die beispielsweise durch Pneumokokken und Meningokokken verursacht sind, auch vermehrt virale Infektionen auf. „Zeigen sich bei der Untersuchung eines fiebernden Kindes Zeichen einer viralen respiratorischen Infektion im Sinne einer Rhinitis oder ein positiver Harnbefund, so ist die wahrscheinliche Fieberursache gefunden“, fasst Strenger zusammen. Er verweist darauf, dass der Allgemeinzustand des Kindes größere Aussagekraft hat als die Höhe des Fiebers. Auch wenn sich bei der ersten Untersuchung keine Hinweise auf Toxizitätsoder Meningismuszeichen finden, sollten Säuglinge und Kleinkinder mit Fieber regelmäßig kontrolliert und deren Eltern aufgeklärt werden. Etwa sieben Prozent der Jungen und acht Prozent der Mädchen, die rund ein Jahr alt sind und mit Fieber vorgestellt werden, leiden an einer Infektion des Urogenitaltraktes. Strenger macht in diesem Zusammenhang auf die Gefahr der Kontamination des Harnbefunds aufmerksam. Beutelharn weist unter Umständen eine mangelnde Spezifität auf und auch eine vorhandene Windeldermatitis kann zu einer Verunreinigung der Urinprobe führen. Ein negativer Harnbefund schließt dagegen mit großer Wahrscheinlichkeit einen Harnwegsinfekt aus.

Bei der klinischen Untersuchung sollte nach weiteren Symptomen, Exanthemen und Petechien Ausschau gehalten werden. Zwiauer empfiehlt, die Kinder ihrem klinischen Fokus entsprechend zu untersuchen und behandeln. „Hautausschläge werden von den Eltern oft falsch interpretiert. Typische Exantheme finden sich heute aufgrund der Impfungen seltener“, sagt Strenger und rät in jedem Fall auch zu einem Blick unter die Windel. Makulopapulöse Exantheme sprechen für eine virale Infektion, petechiale Hautblutungen und hämorrhagische Hauteffloreszenzen weisen auf eine Meningokokkensepsis oder andere, schwere bakterielle Infektionen hin. Als Initialsymptome können Kopfschmerzen, Myalgien, Gelenksbeschwerden und gastrointestinale Symptome auftreten. Dieses unspezifische Frühstadium der Meningokokkeninfektion ist klinisch von einer selbstlimitierenden viralen Infektion kaum zu unterscheiden. „Der Altersgipfel für die Meningokokkensepsis liegt in den ersten drei Lebensjahren sowie im Jugendalter“, merkt Strenger an.

CRP: unzuverlässiger Frühmarker

Bei Kindern mit Toxizitätszeichen oder eindeutigem Infektionsfokus kann ein Blutbild und die Erhebung der Akutphasenproteine eine Differenzierung zwischen bakteriellen und viralen Infektionen ermöglichen. „Das CRP ist oft als Marker einer bakteriellen Infektion vor allem in der Frühphase unzuverlässig und kann auch bei Infektionen mit CMV, EBV oder Adenoviren auf Werte zwischen 50 und 80 mg/l ansteigen“, bemerkt Strenger. Hingegen sieht er in einer Leukozytose mit reaktiver Linksverschiebung oft einen frühen Hinweis auf eine bakterielle Infektion. Die Diagnostik muss gegebenenfalls mittels Blutkultur, Röntgen, Lumbalpunktion und anderen, dem klinischen Bild entsprechenden Untersuchungen erweitert werden, um die Ursache des Fiebers abzuklären.

Zu den häufigeren viralen Infektionen bei Säuglingen und Kleinkindern zählt das Drei-Tage-Fieber. Typisch ist ein plötzlich auftretendes Fieber, dem nach drei bis vier Tagen ein kleinflächiges Exanthem bei gleichzeitigem Abfiebern folgt. Die Kinder werden oft in sehr schlechtem Allgemeinzustand vorgestellt und leiden zusätzlich mitunter an Erbrechen, Durchfall, Halsschmerzen und geschwollenen Lymphknoten. Obwohl das Toxic Shock Syndrome bei Kindern sehr selten auftritt, rät Strenger vor allem bei Kindern, die in sehr schlechtem Allgemeinzustand vorgestellt werden, schwer septisch sind und sich mit Exanthem und Konjunktivitis präsentieren, daran zu denken.

Periodische Fiebersyndrome wie das familiäre Mittelmeerfieber sind ebenfalls selten und laut Strenger von rezidivierenden Infekten initial nur schwer zu unterscheiden. Die wiederkehrenden Fieberepisoden sind innerhalb weniger Tage selbstlimitierend und können mit Bauch-, Brust-, oder Gelenksschmerzen und Schwellung einhergehen. Vor allem bei Kindern aus Hochrisiko-Populationen wie dem Mittelmeerraum oder dem Mittleren Osten sollte bei adäquater Klinik an eine genetische Erkrankung gedacht werden.

Bei hohem persistierendem Fieber, das trotz Antibiotikagabe nicht sinkt, sollte an das Kawasaki-Syndrom gedacht werden. „Die Erkrankung ist selten, die Therapie muss aber so früh wie möglich begonnen werden, um die Entwicklung von Aneurysmen der Koronararterien zu verhindern“, betont Strenger. Klinisch kann sich das Kawasaki-Syndrom – abgesehen vom Fieber – mit zervikaler Lymphadenopathie, Konjunktivitis und Ausschlag präsentieren. Der Allgemeinzustand der jungen Patienten kann variieren; der zugrundeliegende immunologische Prozess kann sich jedoch im Blutbild durch eine Neutrophilie, Thrombozytose, erhöhte Akut- Phase-Proteine und Transaminasen sowie niedriges Serum Albumin darstellen.

Obwohl die Ursachenabklärung bei Fieber an erster Stelle steht, ist der Einsatz von Antipyretika je nach Zustand des Kindes sinnvoll. Strenger dazu: „Eine Kreislaufbelastung sollte beim fiebernden Kind auf jeden Fall vermieden werden.“ Zwiauer wiederum spricht sich gegen die Verabreichung von Antipyretika aus, solange das betroffene Kind, das Fieber gut toleriert. „Sind Grunderkrankungen wie eine chronische Lungenerkrankung oder eine kongenitale Herzerkrankung bekannt oder liegt eine Immunsuppression vor, sollte rasch mit einer antipyretischen Therapie begonnen werden“, empfiehlt Zwiauer. Des Weiteren sehen beide Experten den Einsatz von Antipyretika dann indiziert, wenn in der Anamnese des Kindes Fieberkrämpfe bekannt sind. „Fieberkrämpfe treten vor allem bei Kindern, die jünger als sechs Jahre sind und fiebern, rasch auf“, erklärt Strenger und tendiert bei bekanntem Fieberkrampf zur frühzeitigen Fiebersenkung.

Paracetamol oder Ibuprofen?

Für die Senkung des Fiebers stehen in der Pädiatrie vor allem Paracetamol und Ibuprofen zur Verfügung. Strenger verweist darauf, dass Paracetamol weit verbreitet ist, aber in seltenen Fällen bei Überdosierung zu Leberschäden führen kann. Zwiauer erinnert daran, die allergische Komponente beim Einsatz von Paracetamol zu beachten. Er selbst setzt die Substanz aber trotzdem gerne zur Fiebersenkung ein. Ibuprofen wirkt zusätzlich antiphlogistisch, soll aber erst ab einem Körpergewicht von sechs Kilogramm verabreicht werden. „An der Kinderklinik in Graz hat sich der alternierende Einsatz von Paracetamol und Ibuprofen bei Kindern, die auf die initiale Antipyrese nicht angesprochen haben, bewährt“, berichtet Strenger aus der Praxis. Auch eine physikalische Fiebersenkung mit Wadenwickeln kann unterstützend hilfreich sein – sofern das Kind diese Behandlung toleriert. Strenger mahnt vor allem bei kleineren Kindern zur Vorsicht, da diese, wenn sie fiebern, oft zusätzlich noch warm angezogen werden.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2014