Inter­view – Univ. Prof. Arnold Pollak: Ganz­heit­lich betrachtet

10.09.2014 | Medizin

Das Manage­ment von Infek­tio­nen im ambu­lan­ten Bereich ist einer der Schwer­punkte der 52. Jah­res­ta­gung der Öster­rei­chi­schen Gesell­schaft für Kin­der- und Jugend­heil­kunde, erklärt Tagungs­prä­si­dent Univ. Prof. Arnold Pollak, Vor­stand der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Kin­der- und Jugend­heil­kunde am AKH Wien, im Gespräch mit Verena Ulrich.

ÖÄZ: Wie lau­tet das zen­trale Thema der heu­ri­gen Jah­res­ta­gung?
Pollak: Als zen­tra­les Tagungs­thema haben wir ‚Wege (in) der Kin­der- und Jugend­me­di­zin‘ gewählt. Es sind dies die kur­zen Wege akut erkrank­ter Pati­en­ten, aber vor allem auch die lan­gen, beschwer­li­chen medi­zi­ni­schen und psy­cho­so­zia­len Wege, auf denen wir die Kin­der und Jugend­li­chen mit chro­ni­schen und sel­te­nen Krank­hei­ten beglei­ten wie zum Bei­spiel „Der Weg des Kin­des mit Epi­lep­sie“. Mit die­ser The­men­wahl und der ganz­heit­li­chen Betrach­tungs­weise wol­len wir för­dern, dass die behan­deln­den Ärzte nicht nur auf ihren Bereich fokus­siert sind, son­dern den gesam­ten Behand­lungs­weg ihres Pati­en­ten ken­nen und mit­ein­be­zie­hen kön­nen. Es sind oft zahl­rei­che Sta­tio­nen zu ver­schie­dens­ten Ärz­ten, die der Pati­ent von ers­ten Sym­pto­men, Dia­gnose, The­ra­pien, Kom­pli­ka­tio­nen bis zur Hei­lung durchquert.

Wel­che Tagungs­punkte emp­feh­len Sie beson­ders nie­der­ge­las­se­nen Ärz­ten?
Vor allem die Fort­bil­dungs­se­mi­nare kann ich für nie­der­ge­las­sene Ärzte emp­feh­len. Die zahl­rei­chen Semi­nare bie­ten einer­seits Ein­bli­cke in neue For­schungs­er­geb­nisse, ande­rer­seits ein Update in der Kin­der- und Jugend­heil­kunde. In 13 Tea­ching-Semi­na­ren wer­den The­men wie Neu­ro­päd­ia­trie, Ernäh­rung, Autis­mus und vie­les mehr behan­delt. In den soge­nann­ten ‚Lunch Semi­na­ren‘, die an jedem Tagungs­tag statt­fin­den, besteht zusätz­lich die Mög­lich­keit, von Exper­ten zu ler­nen. Unter ande­rem wer­den neue Medi­ka­mente des päd­ia­tri­schen All­tags vor­ge­stellt. Eines der The­men ist der erste nasale Influ­enza- Impf­stoff für Kin­der, der die Com­pli­ance deut­lich erhöht.

Wel­che wei­te­ren Schwer­punkte gibt es?
Ein wei­te­rer Schwer­punkt, der vor allem für nie­der­ge­las­sene Ärzte inter­es­sant ist, ist das Manage­ment von Infek­tio­nen im ambu­lan­ten Bereich wie zum Bei­spiel früh­kind­li­che Virus-Infek­tio­nen oder soge­nannte „Com­mu­nity Acqui­red Infec­tions“ – ein Begriff, der im anglo­ame­ri­ka­ni­schen Sprach­raum schon sehr gebräuch­lich und bei uns erst im Kom­men ist. Gemeint sind Infek­tio­nen, die nicht im Spi­tal auf­tre­ten, son­dern in der Umge­bung, in der sich das Kind auf­hält wie im Kin­der­gar­ten oder in der Schule.

Gibt es neue dia­gnos­ti­sche Ver­fah­ren in der Kin­der- und Jugend­heil­kunde, die im Rah­men der Tagung beleuch­tet wer­den?
Eine wis­sen­schaft­li­che Sit­zung wid­met sich der Früh­erken­nung mali­gner Erkran­kun­gen. Hier­bei wer­den unter ande­rem inno­va­tive, dia­gnos­ti­sche Mög­lich­kei­ten vor­ge­stellt wie neue MR-Ver­fah­ren, die für Kin­der scho­nen­der sind und eine höhere Qua­li­tät in der Bild­ge­bung aufweisen.

Wel­che mali­gnen Erkran­kun­gen tre­ten bei Kin­dern häu­fig auf oder wer­den oft zu spät erkannt?
Meist wird fälsch­li­cher­weise davon aus­ge­gan­gen, dass Kin­der von mali­gnen Erkran­kun­gen wenig betrof­fen sind. Jedes Jahr ver­zeich­nen wir allein an unse­rer Kli­nik 35 neue Fälle von Gehirn­tu­mo­ren bei Kin­dern. Meist läu­ten bei den Ärz­ten noch nicht die Alarm­glo­cken, wenn ein Kind über häu­fige Kopf­schmer­zen klagt. Hat sich das Kind jedoch zusätz­lich in sei­nem Ver­hal­ten stark ver­än­dert, kann das ein ers­ter Hin­weis auf eine mali­gne Tumor­er­kran­kung sein. Klagt ein Kind über Kno­chen­schmer­zen, wird zunächst von Wachs­tums­schmer­zen und nicht von einer mali­gnen Erkran­kung aus­ge­gan­gen. Den­noch sollte mit­be­dacht wer­den, dass es sich auch um eine Leuk­ämie han­deln kann, wenn sich die Schmer­zen nicht zeit­nah wie­der bes­sern. Aber nicht nur mali­gne Erkran­kun­gen, son­dern auch Krank­hei­ten, die sel­ten auf­tre­ten, wer­den oft nicht früh­zei­tig erkannt. In Summe sind sel­tene Krank­hei­ten wie zum Bei­spiel Stoff­wech­sel­er­kran­kun­gen gar nicht wirk­lich sel­ten. Im Rah­men der Tagung wid­met sich eine Sit­zung aus­schließ­lich die­sen soge­nann­ten „rare dise­a­ses“ und wie der Arzt diese früh­zei­tig erken­nen und behan­deln kann.

52. Jah­res­ta­gung der ÖGKJ

17. bis 19. Sep­tem­ber 2014

AKH Wien – Universitätskliniken

Nähere Infor­ma­tio­nen und Anmel­dung:
www.paediatrie2014.at

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 17 /​10.09.2014