Hyperhidrose: Therapie in Stufen

25.02.2014 | Medizin

Bis zu drei Prozent der Bevölkerung leiden – ohne erkennbare Ursache – an übermäßigem Schwitzen. Die häufigste Form stellt lokalisierte Hyperhidrose besonders an Hand- und Fußflächen sowie in den Axillen dar. Zwar stellt die Excision der Schweißdrüsen bei axillärer Hyperhidrose die radikalste Methode dar, sie ist aber am nachhaltigsten.
Von Irene Mlekusch

Die für den Thermoregulationsprozess des Körpers zuständigen ekkrinen Schweißdrüsen sind über den gesamten Körper verteilt mit der höchsten Dichte in der axillären Region, sowie den Hand- und Fußsohlen. Etwa 0,5 bis drei Prozent der Bevölkerung leiden ohne erkennbare Ursache an übermäßigem Schwitzen. Dauert dieser Zustand länger als sechs Monate, spricht man von einer primären Hyperhidrose. Zugrundeliegend ist eine komplexe Dysfunktion des sympathischen und parasympathischen Nervensystems mit einer genetischen Prädisposition. Für den Betroffenen bedeutet die Erkrankung meist eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität; mitunter macht das Leiden die Ausübung von bestimmten Berufen unmöglich.

Vor Behandlungsbeginn muss in jedem Fall eine sekundäre Hyperhidrose und somit eine zugrundeliegende Erkrankung ausgeschlossen werden. Für eine primäre Hyperhidrose spricht außerdem die Tatsache, dass emotionales Schwitzen niemals während des Schlafs oder einer Sedierung aufritt. „Die häufigste Form der Hyperhidrose ist die lokalisierte, insbesondere Hand-, Fuß-Flächen und Axillen betreffend“, beschreibt Univ. Prof. Matthias Schmuth von der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie in Innsbruck.

Sind die hygienischen Maßnahmen ausgeschöpft, stehen diverse lokale, systemische und chirurgische Therapieoptionen zur Verfügung. Dabei wird laut Schmuth die Therapie der axillären Hyperhidrose individuell angepasst: „Es gibt einen Therapiestufenplan, wobei man möglichst nebenwirkungsarm beginnt.“ Somit steht an erster Stelle die Lokaltherapie mittels topischer Applikation von Antiperspirantien. Zentraler Wirkstoff ist Aluminiumsalz in höherer Konzentration, wodurch die Ausführungsgänge der Schweißdrüsen verschlossen werden. Diese Vorgangsweise hilft eher bei den leichteren Formen der Hyperhidrose. Deren Wirkungsdauer ist zeitlich mit 48 Stunden begrenzt und nicht Nebenwirkungs-frei. Um Irritationen zu vermeiden, empfiehlt Schmuth eine nächtliche Anwendung alle zwei bis drei Tage. „Grundlagen, die Alkohol enthalten, trocknen schneller, verursachen aber leichter Irritationen. Alternativ kann man eine alkoholfreie Grundlage verwenden und diese mit einem Föhn trocknen, um Hautreizungen vorzubeugen“, so der Experte.

Iontophorese als Option

Vor allem dann, wenn Hände oder Füße betroffen sind, stellt die Iontophorese eine eher nebenwirkungsarme und – bei konsequenter Durchführung – eine effektive Behandlungsalternative dar. Das Gleichstrombad wirkt aufgrund einer vorübergehenden Hemmung von sudomotorischen Nervenendigungen. Deswegen muss die Behandlung zu Beginn mehrmals pro Woche durchgeführt werden und verlangt dem Patienten einiges an Konsequenz ab. „Für die Axilla gibt es besondere Vorrichtungen. Diese sind aber schwierig in der Handhabung und können bei falscher Anwendung Verbrennungen verursachen“, sagt Schmuth. Deshalb bleibt vorwiegend die palmoplantare Hyperhidrose die Domäne der Iontophorese. Bleibt sie wirkungslos, sollte vor einer Änderung der Behandlungsstrategie hinterfragt werden, ob das Gerät geeignet ist und die Anwendung regelrecht durchgeführt wurde. Kontraindiziert ist diese Form der Behandlung bei vorhandenen Metallimplantaten, Herzschrittmachern und in der Schwangerschaft.

Injektionen mit Botolinumtoxin in die betroffene Region führen zu einer Acetyl-cholinhemmung und blockieren somit die Reizübertragung auf die Schweißdrüsen. Vor allem axillär lässt sich das Toxin leicht injizieren, ist kaum schmerzhaft und wird gut akzeptiert. Schmuth sieht den Vorteil dieser Methode in der lokalen Behandlungsmöglichkeit des tatsächlich betroffenen Areals. Einen Nachteil sehen viele Patienten darin, dass die Injektionen in die Axilla alle sechs bis zwölf Monate und palmoplantar alle drei bis sechs Monate wiederholt werden müssen, was sehr kostspielig ist. Injektionen an den Palmoplantarflächen können mitunter schmerzhaft sein; ein vorbereitendes Bad in Seifenlösung und Kühlung kann hier Abhilfe schaffen. Weiters ist es wichtig, dass die Patienten vorab darüber informiert werden, dass eine vorübergehende Schwäche der Handmuskulatur auftreten kann. Bei akuten Hautinfektionen und Allergien gegen die Inhaltsstoffe sollte von der Injektion Abstand genommen werden. Relative Kontraindikationen stellen Erkrankungen mit Muskelschwäche, Dysphagie oder respiratorische Einschränkungen dar.

Systemisch: Anticholinergika

Bleiben die genannten Behandlungen ohne nachhaltigen Erfolg, kann eine systemische orale Therapie mit anticholinergen Substanzen versucht werden. Die orale Behandlung kann bei allen Formen der Hyperhidrose eingesetzt werden, die optimale Dosierung der Medikamente wird aber immer noch untersucht. „Systemische Anticholinergika blockieren nicht nur jene Nerven, die die Schweißdrüsen aktivieren“, erklärt Schmutz. Somit könnten auch unerwünschte, systemische Nebenwirkungen wie trockener Mund, trockene Augen, Bradykardie oder Harnverhalten auftreten.

Lässt sich die Hyperhidrose mit lokalen Maßnahmen nicht kontrollieren und sind auch die Botox-Injektionen für den Patienten auf Dauer unbefriedigend, rät Univ. Prof. Manfred Frey, Leiter der klinischen Abteilung für plastische und rekonstruktive Chirurgie an der Universitätsklinik für Chirurgie in Wien, zu einer chirurgischen Therapie. „Ist die Axilla die einzige Problemregion, so kann entweder die Liposuction knapp unter der Dermis oder die Excision des hyperhidrotischen Hautareals zum Einsatz kommen“, beschreibt Frey die
Möglichkeiten. Schmuth verweist auf die hohe Dichte der Schweißdrüsen. Diagnostische Hilfsmittel wie der Jod-Stärke-Test oder der Minor-Test erlauben es, kleinere, umschriebene Areale zu lokalisieren, die für den Großteil der axillären Schweißproduktion verantwortlich sind. „Die Suctionscurretage erzeugt weniger Morbidität als die Excision, hat aber manchmal nur Teilerfolge“, merkt Frey an und betont, dass das Verfahren in Absprache mit dem Patienten individuell festzulegen ist. Prinzipiell können die genannten chirurgischen Eingriffe in Lokalanästhesie durchgeführt werden, sollten aber nicht bagatellisiert werden. Frey fasst die möglichen Komplikationen wie folgt zusammen: „Nach der Suctionscurretage kann die Durchblutung der Haut reduziert sein, sodass in seltenen Fällen die Dermis an kleinen Stellen nekrotisch werden kann.“ Ebenso ist es möglich, dass die Korrektur nur unzureichend erfolgt ist oder der Effekt mit der Zeit nachlässt. Außerdem ist die Hautsensibilität postoperativ reduziert.

Bei besonders schweren Formen der palmaren Hyperhidrose oder wenn sowohl Hände als auch Axillen betroffen sind, sollte eine transthorakale, endoskopische Sympathikusblockade in Betracht gezogen werden. „Endoskopische Sympathektomien können bei palmarer Hyperhidrose Erfolgsraten bis zu 98 Prozent vorweisen“, merkt Schmuth an. Trotz der hohen Erfolgsrate handelt es sich keineswegs um einen trivialen Eingriff. Komplikationen wie Hämothorax, Pneumothorax, Horner-Syndrom, Verletzungen des sympathischen Grenzstranges oder des N. phrenicus sind möglich. „Die Nebenwirkungsrate eines Horner-Syndroms ist jedoch relativ gering. Die häufigste Komplikation ist das kompensatorische Schwitzen in anderer Lokalisation“, berichtet Schmuth aus der Praxis. Ein ähnlicher Eingriff kann auch bei plantarer Hyperhidrose zum Einsatz kommen; die lumbale Sympathektomie ist allerdings technisch schwieriger. Zu den genannten Komplikationen kommt noch ein hohes Risiko für postoperative sexuelle Dysfunktion hinzu. Obwohl Langzeitergebnisse schwierig zu erfassen sind, kommt Frey zum Schluss, dass die Excision der Schweißdrüsen bei axillärer Hyperhidrose zwar die radikalste, aber nachhaltigste Methode ist.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2014