Plötz­li­cher Herz­kreis­lauf­still­stand: Hände ret­ten Menschenleben

10.10.2014 | Medizin

Jähr­lich erlei­den 400.000 Men­schen in Europa einen uner­war­te­ten außer­kli­ni­schen Herz­kreis­lauf­still­stand. Auf Initia­tive des Euro­pean Resus­ci­ta­tion Coun­cil wird am 16. Okto­ber zum zwei­ten Mal der „Restart A Heart Day“ began­gen. Von Michael Bau­bin et al.*

Der plötz­li­che Herz­tod ist die Ursa­che für zehn Pro­zent aller Todes­fälle. Damit liegt der außer­kli­ni­sche Herz­kreis­lauf­still­stand nach den bös­ar­ti­gen Neu­bil­dun­gen und den Herz­kreis­lauf­erkran­kun­gen an drit­ter Stelle der Todesursachenstatistik.

70 Pro­zent der plötz­li­chen Herz­kreis­lauf­still­stände ereig­nen sich zu Hause, 17 Pro­zent in der Öffent­lich­keit; 60 Pro­zent wer­den beob­ach­tet, 65 Pro­zent sind kar­dial bedingt; bei Ein­tref­fen des Not­arzt­teams sind nur noch 25 Pro­zent der Betrof­fe­nen im Kam­mer­flim­mern (34 Pro­zent der kar­dial beding­ten Herz­kreis­lauf­still­stände). Eine sofor­tige Herz­druck­mas­sage von Erst­hel­fern kann die Anzahl der Pati­en­ten mit erst-moni­tier­tem Kam­mer­flim­mern zwei- bis drei­fach erhö­hen. 1.000 Leben könn­ten so in Öster­reich jähr­lich geret­tet wer­den; das ent­spricht der dop­pel­ten Zahl der Ver­kehrs­to­ten (2013: 455). Man­geln­des Wis­sen und die Angst, Feh­ler zu machen, sind die Haupt­gründe, wieso Laien keine Herz­druck­mas­sage durch­füh­ren. Der­zeit ler­nen nur rund sie­ben Pro­zent der Zehn- bis 18-Jäh­ri­gen über die Jugend­or­ga­ni­sa­tio­nen der Ret­tungs­dienste in ent­spre­chen­den Kur­sen, eine Reani­ma­tion durchzuführen.

In Wien kann „PULS“, der Ver­ein zur Bekämp­fung des plötz­li­chen Herz­to­des, beacht­li­che Erfolge verzeichnen:

  • Die Stadt Wien führt als ers­tes Bun­des­land begin­nend mit dem Schul­jahr 2014/​2015 zwei 50-minü­tige Unter­richts­ein­hei­ten über Reani­ma­tion in der drit­ten Volks­schul­klasse durch. Den Unter­richt des von der Stadt Wien finan­zier­ten Pro­jekts über­neh­men die Mit­ar­bei­ter der Wie­ner Berufs­ret­tung, des Sama­ri­ter­bun­des, des Wie­ner Jugend­rot­kreu­zes, der Mal­te­ser, der Johan­ni­ter sowie Medi­zin­stu­den­ten der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien.
  • In Zusam­men­ar­beit von PULS mit der Wie­ner Poli­zei wurde das Pro­jekt „First Respon­der – Poli­zei Wien“ ins Leben geru­fen. Unter dem Motto „Wien wird HERZ-sicher“ wur­den in Poli­zei­in­spek­tio­nen, ande­ren Poli­zei­räum­lich­kei­ten sowie Ein­satz­fahr­zeu­gen der Poli­zei Defi­bril­la­to­ren instal­liert und die Exe­ku­tiv­be­am­ten eingebunden.

Situa­tion in Deutschland

In Deutsch­land hat der Schul­aus­schuss der Kon­fe­renz der Kul­tus­mi­nis­ter im Juni 2014 die Ein­füh­rung von Modu­len über das Thema „Wie­der­be­le­bung“ befür­wor­tet (zwei Unter­richts­stun­den pro Jahr ab Jahr­gangs­stufe 7). Bei einer Exper­ten-tagung wur­den „10 The­sen für 10.000 Leben“ aufgestellt:

  1. 10.000 Tote/​Jahr durch nicht oder zu spät ein­ge­lei­tete Wie­der­be­le­bung sind zu viele. Das muss geän­dert werden.
  2. Wie­der­be­le­bung durch Laien muss eine Selbst­ver­ständ­lich­keit werden.
  3. Jeder kann ein Leben ret­ten. Die Gesell­schaft muss dazu sen­si­bi­li­siert werden.
  4. Wie­der­be­le­ben ist kin­der­leicht. Dem­entspre­chend muss es dazu bereits für Schul­kin­der eine Aus­bil­dung und regel­mä­ßi­ges Trai­ning geben.
  5. Nur was wir mes­sen kön­nen, wird bes­ser. Daher braucht es ein ent­spre­chen­des Qualitätsmanagement.
  6. Jede Wie­der­be­le­bung muss in einem natio­na­len Regis­ter auf­ge­zeich­net und aus­ge­wer­tet wer­den, um Daten­ma­te­rial für das Qua­li­täts­ma­nage­ment zu bekommen.
  7. Der Herz-Kreis­lauf-Still­stand ist als eige­nes Krank­heits­bild zu behandeln.
  8. Eine spe­zia­li­sierte Kran­ken­haus­be­hand­lung nach erfolg­rei­cher Wie­der­be­le­bung ist essentiell.
  9. Die Leit­stelle beein­flusst den Aus­gang einer Wie­der­be­le­bung durch Erst­hel­fer ent­schei­dend. Tele­fo­ni­sche Anlei­tung zur Wie­der­be­le­bung durch die Leit­stel­len muss zum flä­chen­de­cken­den Stan­dard werden.
  10. Auch Pro­fis müs­sen sich einem regel­mä­ßi­gen Trai­ning unterziehen.

Im Monat Okto­ber wer­den in 27 Län­dern Euro­pas – regio­nal oder lan­des­weit – die außer­kli­ni­schen Wie­der­be­le­bungs­da­ten in einer anony­mi­sier­ten Daten­bank gesam­melt. Damit wird die Situa­tion in den jewei­li­gen Län­dern sowie die Stär­ken und Schwä­chen des eige­nen Sys­tems ana­ly­siert. In Öster­reich neh­men vier boden­ge­bun­dene und drei Hub­schrau­ber­sys­teme an der „EuReCa ONE“-Studie teil (EuReCA = Euro­pean Regis­try on Car­diac Arrest, ONE = one month, one Europe, one goal).

Kam­pa­gne „Drück mich!“

Der Ver­ein PULS und die stei­ri­sche Arbeits­ge­mein­schaft für Not­fall­me­di­zin (AGN) haben sich zum Ziel gesetzt, den uner­war­te­ten Herz­still­stand in den Fokus der öffent­li­chen Wahr­neh­mung zu rücken. Seit Mitte Sep­tem­ber läuft die Medi­en­kam­pa­gne „Drück mich!“. Dabei wird in ver­schie­de­nen Print- und Digi­tal­me­dien die zen­trale Bot­schaft „Herz­still­stand. >rufen >drü­cken >scho­cken“ trans­por­tiert. Nie­der­schwel­lige Pra­xis­an­ge­bote – am 16. Okto­ber in Graz, am 25./26. Okto­ber am Rat­haus­platz in Wien – ver­voll­stän­di­gen die Informationskampagne.

Auch die „Tele­fon-Reani­ma­tion“, also die von Leit­stel­len­per­so­nal ange­lei­tete Herz­druck­mas­sage bei einem Pati­en­ten ohne Kreis­lauf­zei­chen, nimmt einen zen­tra­len Punkt im effi­zi­en­ten Not­fall­pro­zess der Reani­ma­tion ein: Sie ist ein­heit­lich stan­dar­di­siert und flä­chen­haft einzuführen.

*) Univ. Doz. Dr. Michael Bau­bin, Inns­bruck; Öster­rei­chi­scher Rat für Wie­der­be­le­bung; Uni­ver­si­täts­kli­nik Kli­nik für Anäs­the­sie und Inten­siv­me­di­zin, Medi­zi­ni­sche Uni­ver­si­tät Inns­bruck, Anich­straße 35, 6020 Inns­bruck;
Tel.: 0512/​504/​80342;
E‑Mail: michael.baubin@uki.at
Dr. Mario Kram­mel, Wien, „PULS“ (www.puls.at),
Mar­kus Haar und Simon Orlob, beide:
Graz, Arbeits­ge­mein­schaft Notfallmedizin

Tipp:
www.arc.or.at; www.erc.edu

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 19 /​10.10.2014