Herzinsuffizienz: Therapie neu denken

10.10.2014 | Medizin

Eine Verringerung der kardiovaskulär bedingten Mortalität bei Herzinsuffizienz um 20 Prozent zeigt der Einsatz von LCZ696 – einer neuartigen fixen Kombination eines Angiotensin-Rezeptorblockers mit einem Neprilysin-Inhibitor. Die Ergebnisse der PARADIGM-HF-Studie wurden vor kurzem beim Kongress der European Society of Cardiology präsentiert.
Von Agnes M. Mühlgassner

Ursprünglich kamen mehr als 10.521 Patienten mit Herzinsuffizienz in 1.043 Zentren in 47 Ländern in eine Run-in-Phase. Voraussetzungen für die Aufnahme in die PARADIGM-HF-Studie: Herzinsuffizienz in den Klassen NYHA II bis IV sowie eine linksventrikuläre Auswurffraktion unter 40 Prozent; diese Grenze wurde später auf 35 Prozent gesenkt.

Randomisiert wurden schließlich 8.442 Patienten. 4.187 von ihnen erhielten zweimal täglich 200 mg LCZ696, 4.212 Personen zweimal täglich 10 mg Enalapril – jeweils zusätzlich zur bestehenden Therapie. Besonders diesen Aspekt, dass in der Vergleichsgruppe ein ACE-Hemmer und nicht Placebo verabreicht wurde, hob einer der beiden Co-Erstautoren der Studie, Milton Packer vom University of Texas Southwestern Medical Center in Dallas, Texas, USA, hervor. Zeitgleich mit der Präsentation der Daten beim ESC (European Society of Cardiology) in Barcelona wurden die Ergebnisse im NEJM vom 11. September 2014 veröffentlicht.

Bei LCZ696 handelt es sich um eine fixe Kombination aus einem Angiotensin-Rezeptorblocker (Valsartan) mit einem noch nicht zugelassenen Neprilysin-Inhibitor (Sacubitril). Die Substanz selbst wurde in zehnjähriger Forschungsarbeit entwickelt. Der Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI) erhöht die Plasmakonzentration der natriuretischen und anderer vasoaktiver Peptide; gleichzeitig wird das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) gehemmt.

Studienbeginn war im Dezember 2009. Im März 2014 wurde diese Phase III-Studie vorzeitig abgebrochen, weil sich in der LCZ696-Gruppe ein Vorteil gezeigt hatte. Der primäre Endpunkt, die Kombination aus kardiovaskulärem Tod oder einer aufgrund der Herzinsuffizienz erforderlichen Hospitalisierung, wurde um 20 Prozent reduziert; die einzelnen Komponenten trugen zu gleichen Teilen dazu bei. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz und einer reduzierten Ejektionsfraktion (HFPEF), die mit LCZ696 behandelt wurden, lag das Risiko, an einer Herz-Kreislauferkrankung zu sterben oder wegen Herzinsuffizienz hospitalisiert zu werden, bei 21,8 Prozent, während es in der Enalapril-Gruppe bei 26,5 Prozent lag. Zusätzlich – so Packer – wurde die Gesamtsterberate durch LCZ696 im Vergleich zu Enalapril um 16 Prozent reduziert.

Zu den Nebenwirkungen: Grundsätzlich beendeten weniger Patienten in der LCZ696-Gruppe (10,7 Prozent vs. 12,3 Prozent) die Medikation aufgrund eines unerwünschten Ereignisses als diejenigen, die Enalapril erhielten. Unter der Therapie mit LCZ696 kam es häufiger zum Auftreten von symptomatischen Hypotonien (14 Prozent) als in der Enalapril-Gruppe (9,2 Prozent). Ebenso kam es in der LCZ696-Gruppe häufiger zu Angioödemen, die allerdings nicht schwerwiegend waren. Die Patienten, die mit LCZ696 behandelt wurden, litten weniger unter Nierenfunktionsstörungen, Hyperkaliämie und Husten als diejenigen in der Enalapril-Gruppe.

Aufgrund dieser Ergebnisse hat die US-amerikanische FDA (Food and Drug Administration) im Zulassungsverfahren den Fast-Track-Status gewährt; die Zulassung selbst wird voraussichtlich Ende 2014 erfolgen. Der Antrag auf Zulassung in Europa soll 2015 erfolgen.

Milton Packer ist davon überzeugt, dass „LCZ696 die aktuelle Verwendung von ACE-Inhibitoren bei der Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz ersetzen sollte“. Für John McMurray von der Universität in Glasgow, UK – er ist zusammen mit Packer Erst-Autor – sind die Ergebnisse ein „wirklicher Durchbruch“ für Patienten mit Herzinsuffizienz.

Outcome: zusätzlicher Benefit

„Es gibt selten Studien, die ein so gut behandeltes Kollektiv hatten“, betont der Leiter der Arbeitsgruppe Herzinsuffizienz der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft, Priv. Doz. Deddo Mörtl vom Universitätsklinikum St. Pölten. Umso bemerkenswerter ist es daher für ihn, dass bei diesen „schon optimal behandelten Patienten noch ein zusätzlicher Benefit im Outcome, sogar in der Gesamtsterberate, erzielt werden konnte“. Geeignet sei diese neue Substanz vor allem für „stabile Patienten“, so der Experte. In der Studie seien es zu 70 Prozent Patienten mit NYHA 2, zu 24 Prozent Patienten mit NYHA 3 gewesen. Mörtl dazu: „Diese Patienten waren zwar stabil, aber trotz optimaler Therapie immer noch symptomatisch und hatten eine Auswurffraktion von unter 35 Prozent.“ Enalapril sei in der Vergleichsgruppe als ACE-Hemmer deswegen zum Einsatz gekommen, weil es sich dabei „eigentlich um den Eckpfeiler schlechthin bei der Behandlung der Herzinsuffizienz handelt“, wie Mörtl erklärt.

Da durch LCZ696 der Abbau von BNP (natriuretisches Peptid Typ B) gehemmt wird, ist dessen Spiegel erhöht. Wird also BNP als prognostischer Marker oder Verlaufsparameter verwendet, müsse man das auch einfließen lassen, so Mörtl. Weswegen auch nichts dagegen spreche, BNP als diagnostischen Marker „zu Beginn einzusetzen, denn da erhält der Patient ja noch kein LCZ696“. Allerdings: „Für die Verlaufskontrolle könnte man auf ein von LCZ696 nicht beeinflusstes natriuretisches Peptid setzen wie zum Beispiel NT-proBNP.“

Bei den Guidelines zur Therapie der Herzinsuffizienz wird dies Änderungen nach sich ziehen – müssen. Mörtl dazu: „Wir werden uns von einem lieb gewordenen Dogma verabschieden.“ Wie viele Patienten könnten in der Praxis von einer Umstellung der Therapie betroffen sein? „Sehr viele, die man umstellen könnte und sollte“, so Deddo Mörtl. Allerdings ist bei denjenigen, die einen ACE-Hemmer erhalten, eine Pause von 36 Stunden erforderlich, bevor sie LCZ696 erhalten, „damit es nicht zu einem lebensgefährlichem Angioödem kommt“, wie Mörtl ausführt.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2014