Expe­ri­men­telle Ortho­pä­die: Maß­ge­schnei­derte Implantate

25.10.2014 | Medizin

© SPL, picturedesk.com

Expe­ri­men­telle Orthopädie

Durch Ver­bes­se­run­gen der Mate­ri­al­ei­gen­schaf­ten, 3D-Druck und rege­ne­ra­tive Medi­zin sol­len mög­lichst opti­mal pas­sende Implan­tate erschaf­fen wer­den. Große Hoff­nun­gen setzt man in den auf­stre­ben­den 3D-Druck: Mit Implan­tat­dru­cken sol­len künf­tig maß­ge­schnei­derte Implan­tate her­ge­stellt werden.

Mit­tels com­pu­ter­ge­stütz­ter Chir­ur­gie soll eines Tages auch im Ope­ra­ti­ons­saal die Prä­zi­sion erzielt wer­den, die in der Tech­nik Sta­tus quo ist“, erklärt Univ. Prof. Michael Nog­ler, Lei­ter der Abtei­lung für Expe­ri­men­telle Ortho­pä­die an der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Ortho­pä­die Inns­bruck. Dies ist heute jedoch erst in der Schä­del- und Kie­fer­chir­ur­gie mög­lich, da Kno­chen im Kör­per­in­ne­ren durch einen Weich­teil­man­tel geschützt sind und nicht wie ein Werk­stück in einer Maschine ein­ge­spannt wer­den kön­nen. Die Ent­wick­lung von neuen Implan­ta­ten in der Ortho­pä­die erfor­dert eine enge Zusam­men­ar­beit von Mate­ri­al­wis­sen­schaf­tern, Phy­si­kern, Inge­nieu­ren und Bio­me­di­zi­nern. „Diese Tech­no­lo­gien zum Pati­en­ten zu brin­gen, ist Auf­gabe der Ärzte“, bekräf­tigt der Experte.

Bei den bei­den am häu­figs­ten ersetz­ten Gelen­ken – Hüfte und Knie – for­schen viele Fir­men an neuen Implan­ta­ten mit ver­bes­ser­ten Mate­ri­al­ei­gen­schaf­ten. „Meis­tens han­delt es sich dabei aber ledig­lich um Detail- und Halt­bar­keits­ver­bes­se­run­gen“, weiß Wis­sen­schaf­ter Nog­ler. Die Mate­ria­lien haben sich in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten nicht wesent­lich ver­än­dert: Die metal­li­schen Kom­po­nen­ten bestehen aus Titan­le­gie­run­gen. Bei den Kunst­stoff­tei­len han­delt es sich meist um Poly­ethy­lene mit ver­schie­de­nen Zusät­zen (bei­spiels­weise Vit­amin E), um die Halt­bar­keit zu verbessern.

Große Hoff­nun­gen setzt der Wis­sen­schaf­ter in den auf­stre­ben­den Bereich des 3D-Drucks. Durch ste­tige Ver­bes­se­rung der Druck­ver­fah­ren wer­den die Kos­ten gesenkt, wodurch ein „maß­ge­schnei­der­ter Implan­tat­druck“ künf­tig zum medi­zi­ni­schen All­tag gehö­ren wird. Schon heute kann man bei­spiels­weise grö­ßere Kno­chen­de­fekte mit­hilfe von gedruck­ten Mate­ria­len über­brü­cken. Im Gegen­satz zum Tis­sue Engi­nee­ring von wei­chen, vas­ku­la­ri­sier­ten Orga­nen muss bei Kno­chen keine Blut­ver­sor­gung (wie­der-) her­ge­stellt wer­den. Außer­dem ist es nicht nötig, die finale Form vor­zu­ge­ben, da sich Kno­chen lau­fend remo­del­lie­ren und den Gege­ben­hei­ten anpassen. 

Bei einem Ein­griff am Knie geht der­zeit „meist das vor­dere Kreuz­band ver­lo­ren“, wie Nog­ler berich­tet; auch kommt es zu Schä­den im Bereich der Kap­sel. Neue Metho­den sol­len dazu bei­tra­gen, dass Bän­der und Bin­nen­struk­tur erhal­ten blei­ben. Statt in zwei Kap­pen kann ein Knie­er­satz in Tei­len ein­ge­setzt wer­den. Die Reduk­tion der erfor­der­li­chen Ein­schnitte soll Mus­kel­trau­mata mini­mie­ren. Ein „mit­tel­fris­ti­ges Ziel“ ist laut Nog­ler die ath­ro­sko­pi­sche Appli­ka­tion eines Hemi-Schlit­tens. Ein wei­te­res, inten­siv beforsch­tes Gebiet ist, wie Pro­the­sen durch Knor­pel­re­ge­ne­ra­tion in situ ver­mie­den wer­den können.

Bak­te­ri­elle Infek­tion von Implantaten

Mit dem Anstieg von Implan­tat-asso­zi­ier­ten Infek­tio­nen – es ist eines der For­schungs­ge­biete von Nog­ler – ist in den nächs­ten Jah­ren jeden­falls zu rech­nen, da es immer mehr Implan­tat­trä­ger gibt. Der Experte dazu: „Die stei­gende Lebens­er­war­tung und ein jün­ge­res Implan­ta­ti­ons­al­ter füh­ren zu einer län­ge­ren Ver­weil­dauer im Kör­per, als es bis­her der Fall war.“ Dies sei eine Her­aus­for­de­rung für die Wis­sen­schaft: die lang anhal­tende Qua­li­tät sicherzustellen.

Aus­lö­ser für Infek­tio­nen sind Erre­ger, die nor­ma­ler­weise auf der Haut­ober­flä­che resi­die­ren wie etwa Sta­phy­lo­kok­ken. „Diese kön­nen am Implan­tat in vivo ihr patho­ge­nes Poten­tial ent­fal­ten“, berich­tet Nog­ler. Tritt eine Infek­tion bis zu drei Monate nach dem Ein­griff auf, spricht man von einem Pri­mär­in­fekt. Gelan­gen Keime jedoch häma­to­gen bei­spiels­weise von Wun­den zum Implan­tat, han­delt es sich um einen Spät­in­fekt. „Des­we­ge­nist die peri­ope­ra­tive Anti­bio­ti­ka­gabe unbe­dingt erfor­der­lich, um einen aus­rei­chen­den Plas­ma­spie­gel pro­phy­lak­tisch auf­recht zu erhal­ten“, betont der Experte. Was die Behand­lung sol­cher Infek­tio­nen als äußert schwie­rig gestal­tet, ist die Bil­dung eines Bio­films. Dabei kommt es zur Aus­bil­dung einer drei­di­men­sio­na­len extra­zel­lu­lä­ren Matrix, was die Bak­te­rien vor der Wir­kung der Anti­bio­tika schützt.

Schon jetzt wer­den an den Ober­flä­chen von Implan­ta­ten metall­ur­gi­sche Ver­än­de­run­gen vor­ge­nom­men, wodurch bak­te­ri­zide Ionen wie Sil­ber abge­ge­ben wer­den. Da diese Abgabe jedoch nicht bak­te­ri­en­spe­zi­fisch ist, son­dern auch kör­per­ei­gene Zel­len betrifft, dür­fen Teile, die mit dem Kno­chen ver­wach­sen sol­len, nicht beschich­tet wer­den. Dies gilt auch für nano­tech­no­lo­gi­sche Modi­fi­ka­tio­nen der Ober­flä­che, die das Anhef­ten von Bak­te­rien ver­hin­dern sol­len. Die For­schungs­gruppe um Nog­ler hat in den Mit­tel­punkt ihrer Tätig­keit den Ansatz gestellt, Pro­the­sen mit Anti­bio­tika zu beschich­ten, wel­che lang­sam abge­ge­ben wer­den und so vor einem Pri­mär­in­fekt schüt­zen sol­len. Nach der Wir­kungs­dauer liegt wie­der unbe­schich­te­tes Mate­rial mit den ursprüng­li­chen Eigen­schaf­ten vor, wodurch die Bio­kom­pa­ti­bi­li­tät nicht beein­träch­tigt wird

Was sich Nog­ler wünscht? „Wenn bei den Jugend­li­chen von heute alters­be­dingte Gelenks­ab­nut­zun­gen auf­tre­ten, soll­ten Tech­no­lo­gien exis­tie­ren, diese Defekte in situ zu rege­ne­rie­ren.“
VE/​AM

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 20 /​25.10.2014