Ebola: Ausnahme-Zustand

10.09.2014 | Medizin

Zwischen sechs und neun Monate kann es dauern, bis die Ebola-Epidemie in Westafrika gestoppt ist. Die WHO rechnet auch damit, dass bis dahin bis zub20.000 Menschen infiziert sein könnten.

Die ersten Berichte, dass Ebola neuerlich ausgebrochen ist, hat es heuer bereits im März gegeben: Von rund 60 Todesfällen in Guinea – und zwar im Grenzgebiet zwischen Sierra Leone und Liberia – war da die Rede. Mittlerweile gibt es mehr als 3.500 bestätigte Fälle und Verdachtsfälle, mehr als 1.900 Menschen sind an Ebola gestorben (Stand: Ende August). Das Ausmaß der Erkrankung und die rasche Ausbreitung über die Grenzen von Guinea hinaus bis nach Nigeria, dem bevölkerungsreichsten Staat Afrikas, haben schließlich Anfang August dazu geführt, dass die WHO (Weltgesundheitsorganisation) die Epidemie zum Gesundheitsnotfall (Public Health Emergency of International Concern; PHEIC) erklärt hat. Damit sind zahlreiche Maßnahmen wie etwa die Umsetzung der nationalen Notfallpläne, Quarantänemaßnahmen etc. verbunden. Die angrenzenden Länder sollten ihre eigenen Überwachungsmaßnahmen intensivieren. Für die restliche Welt empfiehlt die WHO Wachsamkeit und einige Vorsorgemaßnahmen; generelle Reiseund Handelsbeschränkungen werden aber nicht verfügt. Einen internationalen Gesundheitsnotfall gab es zuletzt im Mai 2014 wegen der Ausbreitung von Polio in Pakistan und Afghanistan.

Ebola wurde erstmals 1976 in der Demokratischen Republik Kongo (damals Zaire) entdeckt und zunächst als „Gelbfieber mit hämorrhagischen Merkmalen“ bezeichnet. Erst später erhielt es nach dem Ort, an dem es entdeckt wurde – dem Fluss Ebola, einem Seitenast des Kongo – seinen Namen. Entlang dieses Flusses erkrankten damals 318 Menschen in 55 Dörfern; 280 von ihnen starben – das entspricht einer Mortalität von 88 Prozent. Seither hat es laut CDC (Centers for Disease Control) weltweit mehr als 30 Ebola-Ausbrüche gegeben.

Beim jetzigen Ausbruch handelt es sich um den bisher schlimmsten seit der Entdeckung des Virus. So ist in der letzten Augustwoche die Zahl der Ebola-Fälle mit 550 Neuerkrankungen pro Woche stärker angestiegen als in jedem anderen Vergleichszeitraum seit dem Ausbruch der Epidemie, in dem es bislang rundm 400 neue Fälle pro Woche gegeben hat. Am deutlichsten zeigt sich diese Entwicklung in den drei am schwersten betroffenen Staaten Guinea, Sierra Leone und Liberia mit einer durchschnittlichen Sterblichkeit von 51 Prozent.

Liberia: überfüllte Krankenhäuser

Am schwersten betroffen ist Liberia – am 7. August hat Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf für 90 Tage den Ausnahmezustand verhängt. Nur wenige Tage später wurde die in einer Schule eingerichtete Isolierstation für Ebola-Kranke gestürmt und geplündert; 17 Patienten sind geflohen. Die mit Messern und Knüppeln bewaffneten Angreifer riefen, es gebe kein Ebola in Liberia und warfen Präsidentin Sirleaf vor, mit Berichten über die Epidemie lediglich an internationale Hilfe kommen zu wollen. In der liberianischen Hauptstadt Monrovia sind die fünf wichtigsten Krankenhäuser zeitweise geschlossen und nach wie vor kaum funktionsfähig. Die anderen Kliniken sind überfüllt und müssen immer wieder Kranke abweisen. Aufgrund der großen Zahl an Toten schaffen es die Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden nicht mehr, sichere Bestattungen zu organisieren. Die Krankenschwestern und Pfleger im größten Krankenhaus von Monrovia, dem John F. Kennedy-Hospital, sind in einen unbefristeten Streik getreten. Sie verlangen bessere Bezahlung sowie Schutzanzüge. Inzwischen hat die liberianische Regierung mitgeteilt, fünf neue Behandlungszentren mit je 100 Betten errichten zu wollen. Mittlerweile sind rund zehn Prozent der Todesopfer Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern.

Die Folgen der Quarantäne

Aufgrund von Quarantänemaßnahmen werden auch Lebensmittel knapp oder sind nicht mehr leistbar. So ist in den ersten Augustwochen in der Hauptstadt Monrovia der Preis für Maniok, ein Grundnahrungsmittel, um 150 Prozent gestiegen. Die Elfenbeinküste beispielsweise hat wegen Ebola den Schiffsverkehr aus den betroffenen Ländern durch seine Gewässer verboten; auch die Grenzen zu Guinea und Liberia wurden geschlossen. Die Kritik der WHO führte zu einer Lockerung dieser Maßnahmen, so dass nun zumindest Hilfskonvois über „humanitäre Korridore“ in die betroffenen Nachbarstaaten fahren können.

Schon bisher war die medizinische Versorgung in den betroffenen Regionen eher bescheiden: Für 100.000 Einwohner waren ein, maximal zwei Ärzte zuständig – und auch vorwiegend nur in Städten. Nun sind aber die Angehörigen der Gesundheitsberufe immer mehr mit Ebola infiziert. In den betroffenen Staaten sind rund 240 Mitarbeiter erkrankt, mehr als die Hälfte davon gestorben (Stand: Ende August). Oft gehen Angehörige des Gesundheitspersonals aus Angst vor einer Ansteckung nicht mehr zur Arbeit oder weil es ihnen ihre Familien verbieten.

Außergewöhnliche Situationen erfordern auch außergewöhnliche Entscheidungen: So hat Liberia auch vom Weißen Haus sowie von der US-amerikanischen FDA (Food and Drug Administration) die Zustimmung erhalten, das experimentelle Ebola-Serum ZMapp, das bislang nur an Tieren getestet wurde, einzusetzen. Es gibt jedoch nach wie vor keinen Wirksamkeitsbeweis; auch die Nebenwirkungen, die Dosierung und die beste Anwendungsform sind ungeklärt. Die sechs vorhandenen Dosen ZMapp wurden mittlerweile alle verabreicht: Zwei in Liberia behandelte Ärzte gelten als geheilt; ein dritter Behandelter ist gestorben. Ebenso wurden zwei US-Amerikaner und ein Spanier in ihren Heimatländern behandelt; die beiden US-Amerikaner überlebten, der Spanier starb. Der US-amerikanische Arzt Kent Brantly, der sich im Rahmen seines Einsatzes in Liberia infiziert hatte und in den USA behandelt wurde, konnte mittlerweile aus der Klinik in Atlanta entlassen werden. Auf die Frage, ob die experimentellen Medikamente gewirkt hätten, meinte sein behandelnder Arzt: „Ehrlich gesagt: Wir haben keine Ahnung.“

Unterdessen hat Ebola in Nigeria auch Auswirkungen auf das Schulwesen: Der Schulbeginn wurde von Mitte September auf Mitte Oktober verschoben…
AM

Tipp:

Detaillierte Informationen gibt es unter:

Telefon-Hotline der AGES:
050 555 555

www.who.int/csr/disease/ebola/en/

www.ages.at

www.bmg.gv.at

Übertragung, Symptome, Infektiosität

Das natürliche Reservoir für Ebola sind vermutlich verschiedene Arten von Flughunden. Die Übertragung selbst erfolgt durch den Genuss des Fleisches dieser Wildtiere („Bush meat“). Die Übertragung von Mensch zu Mensch erfolgt über direkten Körperkontakt sowie über den Kontakt mit Körperflüssigkeiten; ebenso auch durch direkten Körperkontakt mit an Ebola Erkrankten oder daran Verstorbenen. Erkrankte sind solange kontagiös, solange Symptome vorhanden sind – vor allem das Fieber, wobei die Ansteckungsgefahr mit der Schwere der Erkrankung korreliert. In der Spätphase der Erkrankung, wenn die Viruslast am größten ist, ist auch das Übertragungsrisiko am größten.

Außerhalb des Körpers können Ebola-Viren einige Tage lang infektiös bleiben, weswegen einen Ansteckung über kontaminierte Gegenstände möglich ist. Werden die Oberflächen jedoch dem Sonnenlicht ausgesetzt, überlebt das Virus nur wenige Tage. Bisher gibt es auch keine Hinweise, dass eine Übertragung durch die Atemluft möglich ist. Bei genesenen Patienten konnten Ebola-Viren noch drei Monate nach dem Beginn der Symptome in der Samenflüssigkeit nachgewiesen werden.

Nach einer Inkubationszeit von zwei bis 21 Tagen (meist acht bis zehn Tagen) beginnt Ebola mit unspezifischen Symptomen wie Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Konjunktivitis. Auch eine Pharyngitis sowie ein makulo-papulöses Exanthem können auftreten. Beginnend mit dem fünften Tag kommt es zu Schleimhautblutungen vor allem im Gastrointestinal- und Genitaltrakt. Oligurie und Anurie bis hin zum drohenden Nierenversagen sind ebenso möglich wie Zeichen einer Enzephalitis. Häufige Laborbefunde sind – als Zeichen der Leberbeteiligung – Thrombozytopenie, Lymphozytopenie und Erhöhungen der Transaminasen. Je nach Virus-Spezies (derzeit sind fünf bekannt) liegt die Letalität zwischen 30 und 90 Prozent. Der Großteil der Patienten stirbt unter dem Bild eines kardiopulmonalen Schocks.

Vorgehen im Verdachtsfall

Im Verdachtsfall wird eine Risiko-Abschätzung durchgeführt. Laut Gesundheitsministerium sind folgende Kriterien zu beachten:

Der Verdachtsfall hat sich während der letzten 21 Tage in einem von Ebola betroffenen Gebiet aufgehalten.

Der Verdachtsfall hat Symptome/klinische Zeichen, die mit einer Ebola-Erkrankung vereinbar sind und die innerhalb von zwei bis 21 Tagen (meist acht bis zehn Tage) nach möglicher Exposition mit dem Ebola-Virus aufgetreten sind.

Der Verdachtsfall hatte direkten ungeschützten Kontakt mit Sekreten von Infizierten, Erkrankungs- oder Todesfällen oder infizierten oder verstorbenen Tieren.

Die Chronologie der Ereignisse

23. März: Im Guinea sind laut einem Hörfunkbericht rund 60 Menschen an Ebola gestorben.

26. März: Die Behörden in Guinea verbieten den Verkauf und Konsum von Wildtieren („Bush meat“), da diese als mögliche Überträger der Erreger gelten. Ebola wird auch in Liberia nachgewiesen.

26. Mai: In Sierra Leone sterben fünf Menschen an Ebola; das Land schließt daraufhin seine Grenzen.

21. Juni: Die Vereinten Nationen warnen die Menschen in den Ebola-Regionen vor dem Konsum von Flughunden (sie gelten als natürlicher Wirt von Ebola) und anderen Wildtieren.

26. Juli: Nach dem Tod eines Ebola-Kranken in Nigeria versetzt das Land seine Sicherheitskräfte an Flughäfen, Seehäfen und Landesgrenzen in höchste Alarmbereitschaft.

30. Juli: In Liberia wird die Schließung aller Schulen angeordnet.

31. Juli: Nach Liberia erklärt auch Sierra Leone die Ebola Epidemie zum Gesundheitsnotfall.

3. August: Zum ersten Mal werden in den USA Ebola Patienten behandelt. So wurde der infizierte US-amerikanische Arzt Kent Brantly mit einer Chartermaschine aus Liberia zurückgeholt.

5. August: Mit einem Notfallplan in der Höhe von 200 Millionen Dollar unterstützt die Weltbank den Kampf gegen Ebola in Westafrika.

7. August: Erstmals wird ein Ebola-Patient – der spanische Missionar Miguel Pajares – zur Behandlung nach Europa ausgeflogen; er wird in Madrid behandelt.

8. August: Die WHO erklärt die Ebola-Epidemie zum Notfall für die öffentliche Gesundheit.

12. August: Der spanische Missionar erliegt der Infektion.

20. August: Die südkoreanische Fluggesellschaft Korean Air fliegt Kenia bis auf weiteres nicht mehr an. Der Flughafen der Hauptstadt Nairobi ist Drehkreuz für viele Airlines – auch Richtung Westafrika.

22. August: Die Elfenbeinküste schließt ihre Grenzen zu Guinea und Liberia.

24. August: In der Demokratischen Republik Kongo tritt erstmals Ebola auf.

27. August: In Deutschland wird auf der Isolierstation des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf erstmals ein Ebola-Patient behandelt.

28. August: Ein internationales Team von Wissenschaftern um Pardis Sabeti von der Harvard University in Cambridge (USA) hat innerhalb der aktuellen Epidemie mehr als 50 Mutationen des Virus gefunden.

29. August: Der erste Ebola-Fall im Senegal wird bestätigt.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2014