Blut­bild bei Leis­tungs­sport­lern: Gesund oder doch schon krank?

15.12.2014 | Medizin

Regel­mä­ßi­ges Aus­dau­er­trai­ning bewirkt eine rasche Zunahme des Blut­plas­ma­vo­lu­mens, wäh­rend die Stei­ge­rung der Ery­thro­poese ver­gleichs­weise lang­sam erfolgt. Bei bis zu 85 Pro­zent der Aus­dau­er­sport­ler sind Häma­to­krit und Hämo­glo­bin­wert im unte­ren Norm­be­reich. Von Irene Mlekusch

Für die Inter­pre­ta­tion des Blut­bil­des eines Sport­lers ist es wich­tig zu wis­sen, ob der Betref­fende vor der Blut­ab­nahme ein län­ger­fris­ti­ges Aus­dau­er­trai­ning absol­viert hat oder ob eine ein­zelne här­tere Trai­nings­phase bezie­hungs­weise ein Wett­kampf statt­ge­fun­den hat. „Vor allem nach här­te­ren, län­ge­ren Trai­nings­ein­hei­ten oder unmit­tel­bar nach einem Wett­kampf ist das Blut in Abhän­gig­keit von den Gege­ben­hei­ten wie Trai­nings­dauer, Inten­si­tät und Klima hämo­kon­zen­triert“, erklärt Univ. Prof. Wolf­gang Scho­bers­ber­ger vom Insti­tut für Sport‑, Alpin­me­di­zin und Gesund­heits­tou­ris­mus (ISAG) der TILAK Inns­bruck. Nach län­ge­ren Trai­nings­ein­hei­ten oder unmit­tel­bar nach einem Wett­kampf kommt es zu einem Anstieg des Häma­to­krit und des Hämo­glo­bin­wer­tes, der sich inner­halb von 24 Stun­den nor­ma­li­siert. Aller­dings sind diese Ver­än­de­run­gen bei rei­nem Kraft­sport nicht der­art aus­ge­prägt, wie Scho­bers­ber­ger betont.

Regel­mä­ßi­ges Aus­dau­er­trai­ning hin­ge­gen bewirkt eine rasche Zunahme des Blut­plas­ma­vo­lu­mens, wäh­rend die Stei­ge­rung der Ery­thro­poese ver­gleichs­weise lang­sam erfolgt. Somit lie­gen die Hämo­glo­bin- und Häma­to­krit­werte bei 80 bis 85 Pro­zent der Aus­dau­er­sport­ler ent­we­der im unte­ren Norm­be­reich oder sind sogar leicht ernied­rigt. „Das Blut unter­liegt als Kreis­lauf­or­gan einem Trai­nings­ef­fekt“, fasst Univ. Prof. Paul Haber, Inter­nist und frü­her an der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien tätig, zusam­men. Die­sen phy­sio­lo­gi­schen Ver­dün­nungs­ef­fekt bezeich­net man als Sport­ler- oder Läu­fer­an­ämie; da es sich aber um keine echte Anämie han­delt, ist es bes­ser, von einer Pseu­do­an­ämie zu spre­chen. Obwohl dabei auch der Fer­ri­tin­spie­gel ver­dün­nungs­be­dingt im unte­ren Norm­be­reich lie­gen kann, ist die Leis­tungs­fä­hig­keit nicht ein­ge­schränkt. „Eine wirk­li­che Anämie, die einer Behand­lung bedarf, ist bei Sport­lern sel­ten“, weiß Schobersberger.

Da in der Lite­ra­tur die Eisen­man­gel­an­ämie zum Teil mit der Sport­ler­an­ämie gleich­ge­setzt wurde, ist es immer wie­der zu Miss­ver­ständ­nis­sen gekom­men. Tat­säch­lich haben Sport­ler einen erhöh­ten Eisen­be­darf, denn die Eisen­ver­luste über Schweiß und Urin sowie über den Gas­tro­in­testi­nal­trakt dür­fen nicht außer Acht gelas­sen wer­den. Ein Mara­thon­läu­fer kann bei­spiels­weise bis zu zwei­ein­halb Mil­li­gramm Eisen pro Liter Schweiß ver­lie­ren. Auch erschüt­te­rungs­be­dingte Mikro­blu­tun­gen im Magen- und Darm­trakt sind kein sel­te­nes Phä­no­men nach lan­gen Läu­fen und kön­nen durch die Ein­nahme von NSAR ver­stärkt werden.

Mikro­hä­ma­tu­rie als Verursacher

Der Eisen­ver­lust durch die eben­falls recht häu­fige Mikro­hä­ma­tu­rie ist ver­gleichs­weise gering und kann in Abhän­gig­keit von der Sport­art ver­schie­dene Ursa­chen haben. Irri­ta­tio­nen der Bla­sen­wand bei redu­zier­ter Flüs­sig­keits­auf­nahme, eine Reduk­tion der Nie­ren­durch­blu­tung oder auch leichte Trau­mata sind für einen Eisen­ver­lust von bis zu 0,2 mg pro Tag ver­ant­wort­lich. Beide Exper­ten machen außer­dem auf die soge­nannte Marsch­hä­mo­lyse auf­merk­sam. Bei inten­si­ver Bean­spru­chung wie zum Bei­spiel beim Lau­fen kann es an der Fuß­sohle zur mecha­ni­schen Zer­stö­rung der Ery­thro­zy­ten kom­men; der dadurch bedingte Eisen­ver­lust ist eben­falls gering. Ins­ge­samt wird eine Eisen­man­gel­an­ämie bei Sport­lern nicht häu­fi­ger beob­ach­tet als bei Per­so­nen, die kei­nen Sport betrei­ben. „Ein durch­schnitt­li­cher Sport­ler, der sich nor­mal ernährt, hat eigent­lich keine Eisen­man­gel­an­ämie“, betont Schobersberger.

Vor allem Frauen, Jugend­li­che und Vege­ta­rier, die Aus­dau­er­sport betrei­ben, soll­ten auf einen aus­ge­gli­che­nen Eisen­haushalt ach­ten. Die Exper­ten emp­feh­len die­sen Per­so­nen, Blut­bild und Eisen­sta­tus ein- bis zwei­mal jähr­lich über­prü­fen zu las­sen. In jedem Fall sollte den Sport­lern aber von einer eigen­mäch­ti­gen Eisen­sub­sti­tu­tion abge­ra­ten wer­den. „Im Leis­tungs­sport wer­den eher zu viele Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel und Vit­amin­prä­pa­rate ein­ge­nom­men“, warnt Scho­bers­ber­ger und gibt zu beden­ken, dass nah­rungs­be­dingte Anämien wie bei­spiels­weise durch einen Man­gel an Vit­amin B12 und Fol­säure bei Sport­lern sel­ten sind. „Ohne aus­rei­chende Ernäh­rung ist ein Leis­tungs­zu­wachs nicht mög­lich“, erklärt Haber und berich­tet davon, dass der Eiweiß­be­darf von Sport­lern oft unter­schätzt wird. Lie­gen aller­dings Sym­ptome wie Müdig­keit oder feh­lende Leis­tungs­stei­ge­rung vor, sollte auch bei grenz­wer­ti­gen Blut­be­fun­den eine mög­li­che krank­heits­be­dingte Anämie wei­ter hin­ter­fragt und nach deren Ursa­che gesucht wer­den. „Ein­zel­werte sind nicht aus­sa­ge­kräf­tig“, sagt Scho­bers­ber­ger. Um die Labor­be­funde beur­tei­len zu kön­nen, ist es auch not­wen­dig, die Trai­nings­phase zu kennen.

Die Rolle des Hämoglobin

Das in den Ery­thro­zy­ten ent­hal­tene Hämo­glo­bin ist für den Aus­dau­er­sport­ler von beson­de­rer Bedeu­tung, da die aerobe Ener­gie­ge­win­nung als limi­tie­rende Größe von der Sau­er­stoff­trans­port­leis­tung des Blu­tes abhängt. Bei inten­si­ver kör­per­li­cher Belas­tung wird der Mehr­be­darf an Sau­er­stoff sowohl durch eine Stei­ge­rung der Atem­fre­quenz als auch durch eine Stei­ge­rung von Herz­fre­quenz und Schlag­vo­lu­men des Her­zens erreicht. Je höher der Gehalt an Hämo­glo­bin, umso mehr Sau­er­stoff kann unter Belas­tung in der arbei­ten­den Mus­ku­la­tur bereit­ge­stellt wer­den. Somit ist jede Ver­än­de­rung von Zahl, Größe und Hämo­glo­bin­ge­halt der Ery­thro­zy­ten für einen Leis­tungs­sport­ler von gro­ßer Bedeutung.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 23–24 /​15.12.2014