Akute mye­loi­sche Leuk­ämie: Äußerst aggressiv

15.07.2014 | Medizin

Obwohl sie sehr sel­ten vor­kommt, macht die akute mye­loi­sche Leuk­ämie in den west­li­chen Län­dern rund ein Drit­tel aller Fälle von aku­ten Leuk­ämien bei Erwach­se­nen aus. Wäh­rend frü­her der unbe­han­delte Ver­lauf inner­halb eines Jah­res zum Tod führte, erzielt man heute bei rund 70 Pro­zent der Betrof­fe­nen unter 60 Jah­ren eine Remis­sion. Von Marion Huber

„So sel­ten die akute mye­loi­sche Leuk­ämie ist: Sie ist beson­ders aggres­siv und hat eine der nied­rigs­ten Über­le­bens­ra­ten aller Leuk­ämien“, betonte Prof. Richard Schlenk von der Kli­nik für Innere Medi­zin III der Uni­ver­si­tät Ulm bei einer Pres­se­ver­an­stal­tung im Rah­men des 19. Kon­gres­ses der Euro­päi­schen Gesell­schaft für Häma­to­lo­gie (EHA) im Juni in Mai­land. Die akute mye­loi­sche Leuk­ämie zeich­net für 41 Pro­zent aller Todes­fälle durch Leuk­ämie ver­ant­wort­lich. Nur etwa 25 Pro­zent der Betrof­fe­nen sind drei Jahre nach der Dia­gnose noch am Leben.

Die akute mye­loi­sche Leuk­ämie (AML) ist neben der aku­ten lympha­ti­schen Leuk­ämie (ALL) die zweite Form der aku­ten Leuk­ämien. Obwohl sie eine sehr sel­tene Erkran­kung ist, macht sie in west­li­chen Län­dern etwa ein Drit­tel aller Fälle von aku­ten Leuk­ämien bei Erwach­se­nen aus – und ist damit die häu­figste Form der aku­ten Leuk­ämien. Die Inzi­denz liegt bei etwa vier Erkran­kun­gen pro 100.000 Ein­woh­ner und Jahr und steigt mit zuneh­men­dem Alter an, wie Schlenk erklärte. Bei Pati­en­ten über 70 Jah­ren beträgt sie sogar schon mehr als 100 Fälle pro 100.000 Einwohner.

Als Ursa­chen sind etwa die Expo­si­tion gegen­über radio­ak­ti­ver Strah­lung, Ben­zolen, Tabak, Pes­ti­zi­den sowie Arz­nei­mit­tel wie Phe­nyl­bu­ta­zon bekannt. Auch Zyto­sta­tika zäh­len zu den wich­tigs­ten Ver­ur­sa­chern. Aller­dings tref­fen diese Ursa­chen bei nur etwa drei bis fünf Pro­zent aller Pati­en­ten zu, fügte Schlenk hinzu: „Bei allen ande­ren Betrof­fe­nen ist die Ursa­che unklar.“

Im Gegen­satz zur chro­nisch mye­loi­schen Leuk­ämie, die laut Schlenk „ein­fach“ zu dia­gnos­ti­zie­ren ist, ist die AML eine hete­ro­gene Erkran­kung: „Das Mus­ter der Gen­mu­ta­tion ist äußerst komplex.“

In den meis­ten Fäl­len sind die Sym­ptome der AML zuerst unspe­zi­fisch, wie Schlenk erklärte: Müdig­keit, ver­min­derte Leis­tungs­fä­hig­keit und Blässe zei­gen sich im wei­te­ren Ver­lauf als Aus­druck der Anämie; häu­fige bak­te­ri­elle Infek­tio­nen der Lunge, des Rachens und der Haut ver­wei­sen auf die Neu­tro­pe­nie sowie Menor­rha­gien oder Epis­ta­xis auf die Throm­bo­pe­nie. Im Blut fin­det sich bei etwa 60 Pro­zent der Pati­en­ten eine Leukozytose.

Die The­ra­pie der AML sollte an einem häma­to­lo­gisch-onko­lo­gi­schen Zen­trum durch­ge­führt wer­den und glie­dert sich in die Induk­ti­ons­the­ra­pie mit dem Ziel der kom­plet­ten Remis­sion und die Post-Remis­si­ons­the­ra­pie zur Erhal­tung der Remis­sion. „Die Induk­ti­ons-Che­mo­the­ra­pie sollte so schnell wie mög­lich nach der Dia­gnose begin­nen“, führte Schlenk aus. Eine The­ra­pie­ver­zö­ge­rung von mehr als fünf Tagen führt bei jün­ge­ren Pati­en­ten zu einer deut­li­chen Ver­schlech­te­rung der Pro­gnose und des The­ra­pie­er­geb­nis­ses. Pati­en­ten, bei denen eine kom­plette Rück­bil­dung erreicht wer­den kann, erhal­ten anschlie­ßend eine Kon­so­li­die­rung – ent­we­der eine inten­sive Che­mo­the­ra­pie, eine auto­loge oder allo­gene Stamm­zell­trans­plan­ta­tion. Wel­che Methode gewählt wird, hängt vom Rezi­div­ri­siko und dem All­ge­mein­zu­stand des Pati­en­ten ab.

Häu­fig Remis­sio­nen

Frü­her führte der natür­li­che Ver­lauf der AML schon fünf Monate nach den ers­ten Sym­pto­men bei der Hälfte der Pati­en­ten zum Tod – inner­halb eines Jah­res star­ben alle Pati­en­ten. Heute erreicht man bei rund 70 Pro­zent der Pati­en­ten unter 60 Jah­ren Remis­sio­nen. Wäh­rend in die­ser Gruppe etwa 40 Pro­zent der Remis­sio­nen auch nach vier bis fünf Jah­ren noch anhal­ten, sind es bei den über 60-Jäh­ri­gen nur 15 Pro­zent. „Auch die Über­le­bens­rate hängt wesent­lich vom Alter ab – etwa 38 Pro­zent bei jün­ge­ren gegen nur zehn Pro­zent bei älte­ren Pati­en­ten“, so Schlenk abschließend.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 13–14 /​15.07.2014